Saarbruecker Zeitung

Wie geht es bei den Saar-Grünen nach den Rücktritte­n weiter?

Jahrelang war die Partei in der Versenkung verschwund­en. Nun kann sie sich auf die Rückkehr in den Landtag einrichten – und regieren?

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Im nächsten Jahr feiert die FDP ein kleines Jubiläum, aber keines, auf das sie stolz wäre. Seit zehn Jahren gehören die Liberalen dann nicht mehr dem Landtag an. Die Saarländer scheinen die Partei nicht groß vermisst zu haben – jedenfalls ging es in Umfragen selten über drei oder vier Prozent hinaus.

Nun aber erlebt die FDP im Saarland eine Auferstehu­ng. Sie ist die einzige Opposition­spartei, die sich nicht zerfleisch­t. Das bringt ihr sogar Lob von der Konkurrenz ein. Während es an der Regierungs­fähigkeit von Linken und Grünen „erhebliche Zweifel“gebe, fahre die FDP „in ruhigem Saarwasser“, sagte SPD-Generalsek­retär Christian Petry kürzlich. „Kompliment an den Vorsitzend­en Oliver Luksic.“

Dass der FDP-Landesverb­and im Aufwind ist, hat allerdings weniger mit ihm selbst als mit der politische­n Großwetter­lage zu tun. In der Corona-Pandemie haben sich die Liberalen für Kritiker der Lockdown-Politik bundesweit als seriöse Alternativ­e präsentier­t. Das bekommen auch die Saar-Liberalen zu spüren: Nachdem sich der Landesverb­and zwischen 2009 und 2019 von 1826 Mitglieder­n auf 960 Mitglieder halbiert hat, geht es jetzt wieder etwas nach oben. Dieses Jahr gebe es netto einen starken Zuwachs, sagt Luksic, die Leute kämen wieder von allein, man müsse ihnen nicht mehr hinterherl­aufen.

Personell hat der Landesverb­and heute kaum noch etwas mit jenen

Liberalen gemein, die sich in den Jamaika-Zeiten (2009-2012) zerlegten. Horst Hinschberg­er (damals Fraktionsc­hef) ist weg, Victor’s-Chef Hartmut Ostermann (damals Saarbrücke­r Kreisvorsi­tzender und Sponsor der Partei) auch, und die früheren Abgeordnet­en Christian Schmitt und Christoph Kühn auch.

Der damalige FDP-Gesundheit­sstaatssek­retär Sebastian Pini ist wie auch der damalige FDP-Schatzmeis­ter Rainer Keller inzwischen bei den Grünen. Ex-Generalsek­retär Rüdiger Linsler ging schon vor Jahren zur SPD, und auch der frühere FDP-Landesvize Sebastian Greiber – Wadgasser Bürgermeis­ter – gehört nun der SPD an.

Nimmt man noch den einstigen intellektu­ellen Vordenker der Saar-FDP hinzu, den früheren Generalsek­retär und EU-Abgeordnet­en Jorgo Chatzimark­akis, der jetzt Landeschef der bürgerlich-ökologisch­en Kleinparte­i ÖDP ist, dann zeigt sich das Ausmaß des personelle­n Aderlasses der Liberalen im vergangene­n Jahrzehnt.

Übrig geblieben ist Oliver Luksic. Der Verkehrsex­perte ist im Bundestag als Gegenspiel­er von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) im Maut-Untersuchu­ngsausschu­ss auf allen Kanälen präsent. Hinter dem Landesvors­itzenden allerdings wird es in seinem Landesverb­and schnell dünn. Von den Stellvertr­etern Helmut Isringhaus, Tobias Raab und Angelika Hießerich-Peter ist am ehesten Isringhaus sichtbar, der mit seiner Dauerkriti­k am Corona-Krisenma

Nachdem sich der Landesverb­and zwischen 2009 und 2019 auf 960 Mitglieder halbiert hat, geht es jetzt wieder nach oben.

nagement des Gesundheit­sministeri­ums und seiner Weigerung, im Saarbrücke­r Stadtrat trotz Jamaika-Koalition den grünen Bewerber zum Kulturdeze­rnenten zu wählen, die Liberalen landespoli­tisch wieder ins Gespräch brachte.

Nächstes Jahr soll die Partei auch auf Landeseben­e wieder mitbestimm­en und in den Landtag einziehen. „Die Chancen sind ganz gut“, sagt Luksic. Zwar haben es die Liberalen im Saarland immer ein bisschen schwerer als anderswo, weil es in dem Bundesland mit vielen großen

Industrieb­etrieben an Selbststän­digen, Mittelstän­dlern und Akademiker­n fehlt. Doch wenn die FDP im Bund zweistelli­g bleibt, ist die Partei auch im Saarland automatisc­h über fünf Prozent.

Kommt nach der Bundestags­wahl im September Schwarz-Grün, hofft Luksic darauf, dass dann viele enttäuscht­e CDU-Wähler ihr Kreuz bei der Landtagswa­hl im März bei der FDP machen. Eine Koalitions­aussage für die Landtagswa­hl wird die FDP voraussich­tlich nicht treffen. „Die SPD bemüht sich sichtlich um ein gutes Verhältnis“, sagt Luksic. Am Aschermitt­woch bestritt er sogar einen gemeinsame­n Auftritt mit SPD-Landeschef­in Anke Rehlinger, was in beiden Parteien zu leichten Irritation­en führte. „Wir sind eine kleine außerparla­mentarisch­e Partei, da bin ich für jede Aufmerksam­keit und Aufwertung dankbar“, sagt Luksic. Da solle man aber bitteschön nichts hineininte­rpretieren. Er selbst stehe der CDU inhaltlich näher als der SPD. Am Ende könnte es auch eine Neuauflage von Jamaika geben: „Denkbar ist das.“

 ?? FOTO: IRIS MARIA MAURER ?? Die Chancen, nächstes Jahr wieder in den Landtag einzuziehe­n, nennt FDP-Landeschef Oliver Luksic „ganz gut“.
FOTO: IRIS MARIA MAURER Die Chancen, nächstes Jahr wieder in den Landtag einzuziehe­n, nennt FDP-Landeschef Oliver Luksic „ganz gut“.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany