Saarbruecker Zeitung

Lehrer sorgen sich um Unterricht nach Ferien

- VON GREGOR MAYNTZ

In drei Wochen enden in den ersten Bundesländ­ern bereits die Sommerferi­en. Doch noch ist nicht geklärt, ob die Schulen bis dahin auch pandemiefe­st sind. Viele Lehrer schlagen Alarm.

Werden die Schulen erneut nicht pandemiefe­st sein, wenn der Unterricht nach den Ferien wieder startet? Die FDP fordert, die Vorbereitu­ngen jetzt zu treffen, damit die Schulen nicht wieder in den Lockdown müssen. Doch die Kultusmini­ster tagen erst wieder im Oktober.

BERLIN In drei Wochen enden in den ersten Bundesländ­ern bereits die Sommerferi­en, Anfang September sollen alle elf Millionen Schüler wieder in ihren Klassen sitzen. Doch erst im Oktober beraten die Kultusmini­ster darüber, wie es in der Pandemie nun weitergehe­n soll. Diese Terminieru­ng findet die Unionsspre­cherin im Bundestags-Kulturauss­chuss „äußerst problemati­sch“. Gerade jetzt sollten die Verantwort­lichen und die Schulen alles dafür tun, dass der Präsenzunt­erricht nach den Ferien wieder regulär stattfinde­n könne, verlangt Elisabeth Motschmann.

Besorgt zeigt sich auch FDP-Chef Christian Lindner angesichts einer Umfrage, nach der die Landesregi­erungen völlig unterschie­dlich vorgehen wollen. „Eine einheitlic­he Strategie, von der Kultusmini­sterkonfer­enz mehrfach beschworen, gibt es noch nicht.“Seine Mahnung: „Die Versäumnis­se aus dem letzten Sommer dürfen sich auf gar keinen Fall wiederhole­n. Kindern und Jugendlich­en darf nicht erneut ihr Recht auf Bildung vorenthalt­en werden.“

Vor einem Monat hatte die Kultusmini­sterkonfer­enz ( KMK) beschlosse­n, mit dem neuen Schuljahr „dauerhaft in den Regelbetri­eb“ zurückzuke­hren. Dies gelte nicht nur für den Unterricht selbst, sondern auch für alle anderen Vorhaben wie Schulfahrt­en oder Schüleraus­tausch. Dieser Regelbetri­eb sei „nicht an individuel­le Impfungen von Schülerinn­en und Schülern beziehungs­weise Impfquoten geknüpft“, verfügte die KMK weiter. Eine Maskenpfli­cht sei nur „in Betracht zu ziehen“, wo Abstände nicht eingehalte­n werden könnten.

Für die Bildungsex­pertin Motschman muss „sichergest­ellt sein, dass nach mehr als einem Jahr Pandemie endlich alle Klassenzim­mer mit Lüftungsan­lagen ausgestatt­et werden“. Doch der Befund aus dem Sommer des letzten Jahres scheint sich zu wiederhole­n: Die allermeist­en Klassenräu­me werden nicht mit zusätzlich­er Lüftung bestückt sein. Zwar hatte die Bundesregi­erung im Mai ein Förderprog­ramm aufgelegt, um vor allem Schulen mit unter Zwölfjähri­gen mit solchen Aerosol-Filtern auszustatt­en, da diese Altersgrup­pen im Herbst noch nicht geimpft und damit besonders anfällig für die Delta-Variante sein werden. Doch nach zwei Monaten waren nicht einmal 180 Anträge eingegange­n, lediglich 84 bewilligt – und das angesichts von allein 15 000 Grundschul­en in Deutschlan­d.

NRW-Kommunal- und Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch beteuert dennoch: „Die Schulen in Nordrhein-Westfalen sind sichere Orte für Kinder und Jugendlich­e.“Wo bislang keine natürliche Belüftbark­eit gegeben gewesen sei, hätten Städte und Gemeinden seit dem Sommer vergangene­n Jahres „kräftig“investiert und – „wo erforderli­ch“– mobile Luftfilter­geräte gekauft und aufgestell­t. Über eine Zahl der Klassenräu­me mit oder ohne Luftfilter verfügt ihr Ministeriu­m jedoch nicht. Es seien jedoch bisher rund zehn Millionen Euro für mobile Luftfilter­geräte und Instandset­zungen von Fenstern bewilligt worden.

Der Deutsche Lehrerverb­and spricht von einem „miesen Schwarze-Peter-Spiel“. Die Politik verweise auf Förderprog­ramme und zeige auf Schulträge­r, die ihren Eigenantei­l nicht übernehmen wollten, die Städte und Gemeinden forderten dagegen eine hundertpro­zentige Finanzieru­ng durch die Länder und den Bund. „Unsere Befürchtun­g ist, dass bis zum Herbst wieder viel zu wenig passiert“, sagt Verbandsch­ef Heinz-Peter Meidinger. Er schätzt, dass „im Herbst weniger als zehn Prozent der über 650 000 Unterricht­sräume in Deutschlan­d eine Filtertech­nik haben werden“. Hinzu komme die Abschaffun­g der Maskenpfli­cht in einzelnen Ländern und eine nur geringe Impfquote unter Schülern. „Besser kann man den Schulstart im Herbst unter Corona-Bedingunge­n und angesichts des bevorstehe­nden Imports der Deltavaria­nte durch Reiserückk­ehrer nicht verbocken“, sagt Meidinger.

Deswegen fordert FDP-Chef Christian Lindner, die Kultusmini­sterkonfer­enz dazu auf, jetzt mit der Bundesregi­erung die Vorbereitu­ngen zu treffen, damit im Herbst Präsenzunt­erricht möglich sei. „Es ist dringender Handlungsb­edarf, denn auf einen normalen Start ins nächste Schuljahr deutet derzeit wenig hin“, unterstrei­cht Lindner. Jetzt müsse die Logistik für bessere Hygienekon­zepte und Lolli-Tests vorbereite­t werden. Auch solle es das Angebot von Impfungen durch mobile Teams an Schulen geben, sobald die Ständige Impfkommis­sion dies empfehle.

„Die Versäumnis­se aus dem letzten Sommer dürfen sich auf gar keinen Fall wiederhole­n.“Christian Lindner FDP-Chef

 ?? FOTO: PICTURE ALLIANCE/PELJAK ?? Raumluftfi­lter in Schulen sind wenige Wochen vor dem Schulbegin­n ein großes Thema. Denn auch nach über einem Jahr Pandemie sind die meisten Klassenräu­me noch immer nicht mit Lüftungsan­lagen ausgestatt­et.
FOTO: PICTURE ALLIANCE/PELJAK Raumluftfi­lter in Schulen sind wenige Wochen vor dem Schulbegin­n ein großes Thema. Denn auch nach über einem Jahr Pandemie sind die meisten Klassenräu­me noch immer nicht mit Lüftungsan­lagen ausgestatt­et.

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