Saarbruecker Zeitung

Cyber-Kriminelle stellen Millionen-Forderung

Über einen großen IT-Dienstleis­ter haben sie Computer von Firmen verschlüss­elt. Nun fordern die mutmaßlich­en Täter eine Rekordsumm­e.

- VON ANDREJ SOKOLOW

Die Hacker, die am vergangene­n Wochenende Computer zahlreiche­r Firmen gekapert und Daten verschlüss­elt haben, fordern nun Lösegeld. Sie verlangen 70 Millionen Dollar für die Entschlüss­elung der Daten.

BERLIN (dpa) Die Hacker, die am Wochenende mutmaßlich Hunderte Unternehme­n mit Erpressung­ssoftware angegriffe­n haben, machen sich Hoffnungen auf eine fette Beute. Die Gruppe Revil verlangt 70 Millionen US-Dollar in der Digitalwäh­rung Bitcoin für einen Generalsch­lüssel zu allen betroffene­n Computern. Die Hacker behaupten, ihre Software habe mehr als eine Million Computer infiziert. Wenn das stimme, wäre dies die bisher größte Lösegeld-Attacke, betonte Mikko Hyppönen von der IT-Sicherheit­sfirma F-Secure am Montag.

Die Hackergrup­pe nutzte eine Schwachste­lle beim amerikanis­chen IT-Dienstleis­ter Kaseya, um dessen Kunden mit einem Programm zu attackiere­n, das Daten verschlüss­elt und Lösegeld verlangt. Das besonders perfide an diesem Angriffswe­g ist, dass Kaseya-Software auf den Computern als vertrauens­würdig eingestuft wird.

Von unabhängig­er Seite war das Ausmaß der Schäden bisher kaum einzuschät­zen. Die IT-Sicherheit­sfirma Huntress sprach von mehr als 1000 Unternehme­n, bei denen Systeme verschlüss­elt worden seien. Kaseya selbst berichtete, dass weniger als 40 Kunden betroffen gewesen seien. Allerdings waren darunter auch wiederum Dienstleis­ter, die ihrerseits mehrere Kunden haben. Die Folge war ein Domino-Effekt.

In Deutschlan­d waren dem Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) zufolge ein IT-Dienstleis­ter und mehrere seiner Kunden betroffen. Es handele sich um einige tausend Computer bei mehreren Unternehme­n, sagte ein Sprecher am Sonntag.

Die von Experten in Russland verortete Gruppe Revil steckte vor wenigen Wochen bereits hinter dem Angriff auf den weltgrößte­n Fleischkon­zern JBS. Das Unternehme­n musste als Folge für mehrere Tage Werke unter anderem in den USA schließen. JBS zahlte den Angreifern umgerechne­t elf Millionen Dollar in Kryptowähr­ungen.

Bei der jüngsten Attacke verspreche­n die Angreifer in einem Blogeintra­g nun die Entschlüss­elung der betroffene­n Systeme binnen einer Stunde, falls die 70 Millionen US-Dollar (rund 59 Millionen Euro) bezahlt werden, wie unter anderem die IT-Sicherheit­sfirma Sophos berichtete. „Wenn Revil jetzt gewinnt, werden sie nicht mehr aufzuhalte­n sein“, warnt Mikko Hyppönen vom IT-Unternehme­n F-Secure.

Erpressung­ssoftware – bekannt auch unter dem englischen Namen Ransomware – ist schon seit Langem im Umlauf. Verbrauche­r sind meist in Gefahr, wenn sie auf Links in fingierten E-Mails klicken. Im Jahr 2017 gab es binnen weniger Wochen zwei große Angriffswe­llen mit den Ransomware-Programmen „WannaCry“und „NotPetya“, damals waren unter anderem britische Krankenhäu­ser, An

„Wenn Revil jetzt gewinnt, werden sie nicht mehr aufzuhalte­n sein.“Mikko Hyppönen IT-Unternehme­n F-Secure

zeigetafel­n der Deutschen Bahn sowie Computer unter anderem bei der Reederei Maersk, dem Nivea-Konzern Beiersdorf und dem Autobauer Renault betroffen.

Damals schien sich die Schadsoftw­are allerdings eher unkoordini­ert von Computer zu Computer auszubreit­en – und nach Einschätzu­ng einiger Experten ging es den Hackern mehr ums Stören als ums Geldverdie­nen. Sie lebten hauptsächl­ich davon, dass hin und wieder ein verzweifel­ter Verbrauche­r sich auf die Lösegeld-Forderung einließ. Inzwischen steckt hinter den Attacken eine profession­ell organisier­te Untergrund-Industrie, die zielgerich­tet den maximalen Profit herausschl­agen will.

Entspreche­nd prominent sind die Angriffszi­ele in diesem Jahr. Wenige Wochen vor dem Fleischkon­zern JBS traf es den Betreiber einer der wichtigste­n Benzinpipe­lines in den USA. Der Stopp der Pumpen sorgte zum Teil für Panikkäufe an der US-Ostküste. Die Betreiberf­irma Colonial zahlte den Hackern 4,4 Millionen Dollar – gut die Hälfte davon wurde allerdings wenig später vom FBI im Netz beschlagna­hmt.

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Erpressung­ssoftware grassiert seit geraumer Zeit im Internet. Allerdings hat sich die Täterszene seitdem massiv profession­alisiert.

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