Hoffnung auf Normalität für Festivals und Konzerte im Saarland
3200 Menschen waren am Samstag bei „SR Klassik am See“in Losheim. Ein Symbol der Hoffnung für Veranstalter, dass es wieder richtig losgeht? Ganz so einfach ist es nicht.
SAARBRÜCKEN Eine Zahl wie aus einer anderen Zeit, vor Corona: 3200 Menschen kamen am Samstagabend zu „SR Klassik am See“an den Losheimer Stausee; so viele Plätze waren für das Konzert mit der Deutschen Radio Philharmonie (DRP) genehmigt. Zwar waren vor Corona 5000 Plätze möglich, dennoch wirkt dieses Konzert wie ein Hoffnungssymbol für die Veranstaltungsbranche und die Kulturhungrigen, die sich dank Lockerungen wieder auf vieles freuen können: In dieser Woche stellen gleich zwei saarländische Festivals, die wegen Corona im Frühjahr notgedrungen nur Internet-Angebote als Ouvertüre für bessere Zeiten anbieten konnten, Live-Programme für Publikum vor Ort vor: Die Musikfestspiele Saar veranstalten vom 10. September bis zum 5. Oktober Konzerte, unter anderem auf dem Gelände der Gußwerke Saarbrücken. Und die Perspectives, das deutsch-französische Bühnenfestival, findet nach digitalen Appetithappen im Mai nun real statt: vom 29. Juli bis 1. August in Saarbrücken und Saargemünd.
Das Filmfestival Max Ophüls Preis, das im Januar notgedrungen rein digital stattfand, holt jetzt, da die Kinos wieder geöffnet sind, einiges nach: Vom 15. bis zum 17. Juli laufen 16 Vorführungen von zehn Preisträgerfilmen in elf Kinos quer durchs
Saarland. Und der Günter Rohrbach Filmpreis in Neunkirchen, der seine zehnte Preisverleihung 2020 wegen Corona hatte absagen müssen, plant für den 5. November in der Neuen Gebläsehalle ein großes Fest: für den zehnten und elften Rohrbach-Preis.
Macht sich nun Aufbruchstimmung in der Veranstaltungswelt breit? Ist das Schlimmste überstanden? Zumindest „vorsichtig optimistisch“sei er, sagt Joachim Arnold von Musik und Theater Saar, der den Merziger Zeltpalast betreibt und auch für „Klassik am See“verantwortlich ist. Als Veranstalter bewege man sich zurzeit in einem „unklaren Rahmen, der sich jeden Tag ändern kann“. Die Veranstaltungsmaschinerie habe „schlagartig“wieder den Betrieb aufgenommen, ohne viel Vorlauf und in einer unsicheren Situation, das sei wie eine „Regatta bei Sturmwetter“. Niemand wisse, ob die vielen Veranstaltungen, die „jetzt aus dem Boden schießen“, ihr Publikum finden würden. Für „Klassik am See“habe er nicht viel Werbung machen müssen, weil der Großteil der Karten noch von dem wegen Corona abgesagten Konzert des Vorjahrs stamme. Dennoch: Arnold glaubt, dass es bei allen Schwierigkeiten weitergehen wird. Der Vorverkauf für das Musical „Jekyll & Hyde“(6. bis 29. August) in der Freiluftarena an Arnolds Zeltpalast hat gerade begonnen.
„Als Veranstalter bewegt man sich zurzeit in einem unklaren Rahmen, der sich jeden Tag ändern kann.“Joachim Arnold
Musik und Theater Saar
SAARBRÜCKEN Bernhard Leonardy klatscht in die Hände – vielleicht ja auch aus Freude über das kommende Programm seiner Musikfestspiele Saar. Ganz sicher aber, um den Klang des Raumes zu demonstrieren. „Aaaaahh, die Akustik“, sagt er, als das Klatschen nicht tonlos versickert, sondern klar durchs Rund schallt. Alles andere wäre auch fatal, ist diese Halle doch ein Spielort des kommenden Festivals – auch wenn man jetzt noch Fantasie braucht, um sich hier den Swing des Bundesjazzorchesters vorzustellen oder gar Haydns „Schöpfung“.
Denn wir stehen in der alten Versandhalle der Gußwerke Saarbrücken – vor der Insolvenz haben hier viele Menschen gearbeitet. Jetzt sieht man noch einige einsame Container, Maschinenreste, in großen Pfützen spiegelt sich das Licht der Fensterreihen an der hohen Hallendecke. Spätestens am 24. September aber, wenn der knapp 80-köpfige Chor der Musikfestspiele Haydns „Mit Staunen sieht das Wunderwerk“aufführt, wird der Raum ganz anders aussehen; er verspricht, ein spektakulärer, 1600 Quadratmeter großer Kulturort namens „Konzertante Industriehalle“zu sein. Auch ein Vorteil der großen Halle: Abstände lassen sich gut einhalten, auf bis zu 400 Plätze hofft das Festival.
Nach einem 2020 wegen Corona abgesagten Jahrgang und einer fast ausschließlich digitalen Ouvertüre im Mai planen die Musikfestspiele nun wieder Konzerte vor Publikum: „Ursprünge“sind die 14 Konzert-Termine zwischen dem 10. September und dem 5. Oktober überschrieben; sie sollen im industriell geprägten Saarland musikalische Verbindungen schaffen „zwischen Ursprung und Moderne, Natur und Industrie“. Deshalb spiele man in den drei großen Industriehallen des Saarlands – in der Völklinger Hütte (bis zu 150 Plätze), in der Alten Schmelz in St. Ingbert (um die 500) und eben in der Industriehalle der Gußwerke.
Der Ort des Auftakts ist weniger industriell – der Merziger Zeltpalast, wo am 10. September Walter Ruttmanns Stummfilm „Berlin - Sinfonie der Großstadt“(1927) zu sehen ist, den das sonic-art Saxophonquartett begleitet. Gleich zwei Termine sind für eine Uraufführung in der Völklinger Hütte geplant: Am 11. und 12. September ist „Flegeljahre“zu sehen, ein musikalisches Stück nach Jean Paul, gespielt von dem GrauSchumacher Piano Duo und Schauspielstar Ulrich Noethen („Ku’damm 59“). Noethen wird in der Geschichte zweier Brüder einen weiten Bogen spannen, „von Rezitation bis Sprechgesang“, verspricht Eva Behr vom Festivalteam.
14 Konzerte sind zwischen dem
10. September und
5. Oktober geplant
Die Musikfestspiele wollen auch besondere Konzertorte bieten – so wird ein Konzert mit Studierenden der Hochschule für Musik Saar (HfM) am 18. September quer durch den „Garten der Sinne“in Merzig-Hilbringen führen; zwei Tage zuvor singt das A-cappella-Ensemble Voces8 in der Tholeyer Abtei.
Im Dillinger Lokschuppen gibt es „Minimal Music“(17. September), wo die Luxemburger Victor Kraus Group das Stück „Canto Ostinato“von Simeon ten Holts aufführt – „eines der meistgespielten Werke der Avantgarde“, wie Leonardy sagt. So wolle er neues Publikum gewinnen, das weniger klassikaffin ist als traditionelle Gäste der Musikfestspiele.
Auch an das ganz junge Publikum ist gedacht, mit dem Kinderkonzert „Naumbolo träum‘ mal richtig hin…“im Saarlandmuseum (19. September, Uraufführung) – komponiert und aufgeführt vom Frauentrio „Junges Musiktheater Talomini“. Der Eintritt für Kinder ist frei, ebenso bei den „Picknick-Konzerten“am 26. September im Deutsch-Französischen Garten. Leonardys Rat für diesen Tag der Bundestagswahl:
„Morgens schnell die Stimme abgeben, und dann in den DFG.“Dort werden Musik-Ensembles, darunter die Formation „An Erminig“spielen. Traditionsgast bei den Musikfestspielen ist die Deutsche Radio Philharmonie (DRP) – sie wird „Ein Sforzato für die Natur“kredenzen: am 23. September, mit Sibelius, Beethoven und Richard Strauss.
Finale ist am 5. Oktober in der Gußwerke-Halle mit dem Bundesjazzorchester. „Klingende Utopien – 2021 Jüdisches Leben in Deutschland“ist das Konzert überschrieben – mit Filmmusik aus Werken Fritz Langs etwa und aus „Das Kabinett des Dr. Caligari“. An diesem Sonntag wird Leonardy das Programm in Saarbrücken vorstellen – und auch in die Tasten greifen: Ab 17 Uhr spielt er auf der Festivalorgel die „Meeressymphonie“von Ferdinand Pfohl (1862-1949), passenderweise zu Wasser – auf der schwimmenden Bühne des Theaterschiffs Maria-Helena. Das Wetter hat Leonardy im Blick und ist optimistisch – bei einer Meeressymphonie baden zu gehen, wäre dann doch zu viel des Guten, sagt er und hat noch einen Rat parat: „Wer während des Festivals in Ferien fährt und nicht dabei sein kann, ist selbst schuld.“
Der Vorverkauf läuft, Karten gibt es an allen ProTicket-Stellen, www.proticket.de/mf-saar, und im Büro der Musikfestspiele, Bismarckstraße 10 (Sb), Montag und Mittwoch 9.30 bis 12 Uhr (Barzahlung).
Informationen und komplettes Programm: www.musikfestspielesaar.de