Parteien im Saarland gegen Strafen für Impfschwänzer
Der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes bringt die Union in Bedrängnis. Armin Laschet reagiert erst nach längerem Zögern.
SAARBRÜCKEN (SZ/sop/afp) In der Debatte um Strafen für das Verbummeln von Impfterminen haben sich die vier Fraktionen im Saar-Landtag gegen Bußgelder ausgesprochen. CDU-Fraktionschef Alexander Funk nannte Strafen „nicht zielführend“, SPD-Fraktionsvize Magnus Jung bezweifelte zudem, ob eine Nachverfolgung möglich sei. Auch die Fraktionschefs von Linke und AfD, Oskar Lafontaine und Josef Dörr, sprachen sich gegen Bußgelder aus. Beide argumentierten unter anderem damit, dass man auch mal etwas vergessen könne.
Die Bundesregierung hält ebenfalls nichts von Bußgeldern für Impfschwänzer. Es gebe keine Planungen für Strafzahlungen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Er appellierte aber an die Bürgerinnen und Bürger, Termine rechtzeitig abzusagen. Politiker von Union und SPD hatten Strafen für verpasste Termine gefordert.
BERLINDie CDU-Spitze war am Montag darum bemüht, die Angelegenheit nicht zu hoch zu hängen. So meinte etwa der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier schon bei seiner Ankunft am Konrad-Adenauer-Haus: „Wir sollten das nicht überbewerten.“Gemeint waren die heiklen Äußerungen des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten und südthüringischen CDU-Bundestagskandidaten Hans-Georg Maaßen zur Ausgewogenheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Doch so leicht wie erhofft, kommt die Union nicht davon.
CDU-Chef und Kanzlerkandidat Armin Laschet stand am Wochenende bereits in der Kritik, weil er zur Causa Maaßen zunächst kein Wort verlor. In den sozialen Netzwerken wurde mal wieder gefragt, wo Laschet sei, warum er sich nicht klar distanziere. Auch der politische Gegner attackierte den NRW-Ministerpräsidenten scharf. Bei den Online-Beratungen des CDU-Vorstands trat Laschet dann die Flucht nach vorn an, vermied aber dem Vernehmen nach, den Namen Maaßen überhaupt in den Mund zu nehmen.
Die Aussagen „von Direktkandidaten“seien nicht hilfreich. „Solche Debatten schaden uns“, soll Laschet nach Angaben von Teilnehmern gesagt haben. „Uns“hätte er auch durch ein „mir“ersetzen können. Denn der Kanzlerkandidat warnte zugleich, dass sich Umfragen schnell ändern könnten. Keiner weiß das besser als er – zu Beginn seiner Kanzlerkandidatur Ende April galt Laschet bei den Bürgern noch als wenig beliebt, inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Laschets Aussichten, Nachfolger von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu werden, sind rosig. Was er deshalb nicht gebrauchen kann, sind Querschüsse von der Seitenlinie, die ihn ungewollt zum Handeln zwingen – und die auf ihn zurückfallen könnten.
Laschet weiß freilich, dass es Gruppierungen und Personen gibt, die vielleicht in der Union keine allzu bedeutende Rolle spielen. Die aber eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, weil es meist um die Frage geht, wie es CDU und CSU mit der Abgrenzung nach rechts halten. Dazu gehören die „Werteunion“, die sich als konservativ einstuft, aber durchaus AfD-Positionen vertritt. Und eben Hans-Georg Maaßen.
In einem Interview mit einem Berliner TV-Sender hatte der Thüringer CDU-Bundestagskandidat behauptet, es gebe keine Ausgewogenheit in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern einen „klaren Linksdrall“. Er sprach von „Meinungsmanipulation“, verlangte einen „NDR-Untersuchungsausschuss“, weil die Sendeanstalt für die Tagesschau zuständig sei. Auch forderte er dazu auf, die Biografie einiger Redakteure auf den Prüfstand zu stellen. Noch am Sonntagabend ruderte Maaßen bei Twitter ein wenig zurück: „Unabhängiger Journalismus“sei für die Demokratie unverzichtbar, eine „Gesinnungskontrolle“journalistischer Arbeit durch die Politik dürfe es nicht geben.
Die Empörung war trotzdem groß. CDU-Vize Julia Klöckner sagte unserer Redaktion: „Weder Gesinnungstests noch Einflussnahme sind mit der Pressefreiheit vereinbar.“Man gehe davon aus, „dass gerade die Öffentlich-Rechtlichen auf Recherche,
„Wir sollten das nicht überbewerten.“Volker Bouffier (CDU) Hessischer Ministerpräsident
auf Fakten und nicht auf persönliche Politikpräferenzen setzen“.
Es sind auch nicht die ersten umstrittenen Äußerungen, mit denen Maaßen die CDU-Spitze in Verlegenheit bringt. Seine Aussagen zur Corona- und Migrationspolitik hatten zuletzt wenig gemein mit den Positionen der Union, auch gab es kürzlich eine intensive Debatte über angeblichen Antisemitismus, losgetreten von der Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz musste der heute 58-Jährige wegen fragwürdiger Einschätzungen zu den rechten Krawallen in Chemnitz im Jahr 2018 zurücktreten. Seitdem ist er sozusagen der Stachel im Fleisch seiner Partei. Und er scheint dies durchaus zu genießen.
Nach den Gremiensitzungen erklärte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bewusst lapidar, es sei „wichtig und notwendig“, dass Maaßen „zurückgerudert“sei und sich zur Pressefreiheit bekannt habe. Forderungen nach einem Parteiausschlussverfahren erteilte er eine Absage. Das sei „kein Thema“. Auf die Frage, ob er Maaßen im Wahlkampf unterstützen werde, wich Ziemiak allerdings aus – „leider schaffe ich es nicht in alle Wahlkreise, die mich eingeladen haben“. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Generalsekretär somit in Südthüringen vorstellig wird, ist sehr gering.
So leicht will der politische Gegner die Union aber noch nicht davonkommen lassen. Die Opposition legte gestern mit harscher Kritik nach. „Bei Maaßen ist das Maß voll“, sagte der Spitzenkandidat der Linken, Fraktionschef Dietmar Bartsch, unserer Redaktion. Die Autorität des Parteichefs reiche offenbar nicht aus, „um die CDU nach Rechtsaußen abzudichten“. Und dass Laschet „sich offenbar von einem Abgeordneten Maaßen zum Kanzler wählen lassen würde, ist schlicht beschämend.“Dafür müsste der Rechtausleger aber erst einmal seinen Wahlkreis gewinnen. Sicher ist das nicht.