Wie die Grünen die Kritik an Baerbock ausräumen
Die Partei steht trotz der jüngsten Vorwürfe zu ihrer Kanzlerkandidatin. Dennoch sticht das Schweigen eines Mannes ganz besonders hervor.
BERLIN Für gewöhnlich mischt sich der Bundespräsident nicht in das politische Tagesgeschäft ein, schon gar nicht in zwischenparteiliche Auseinandersetzungen. Umso erstaunlicher ist es, dass Frank-Walter Steinmeier die „Sorge“zum Ausdruck brachte, dass dieser Wahlkampf „eine Schlammschlacht werden könnte“. Woher seine Sorge rührt, verriet das Staatsoberhaupt zwar nicht. Doch es liegt nahe, dass die derzeitige Kritik an der Grünen-Kanzlerkandidatin und Parteichefin Annalena Baerbock, die Plagiatsvorwürfe wegen ihres neuen Buches, die scharfen Attacken der politischen Gegner sowie die Gegenangriffe der Grünen ihren Anteil daran haben dürften. Die Schlammschlacht um Baerbock ist in vollem Gang.
In der Sache geht es um den Vorwurf, Baerbock habe mehrere Sätze aus ihrem Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“aus anderen Publikationen übernommen. Am Wochenende veröffentlichte die Bild-Zeitung weitere Textstellen, die Ähnlichkeiten mit Aussagen des grünen Ex-Außenministers Joschka Fischer vom Dezember 2020 aufweisen. Aufgebracht hatte die Vorwürfe ursprünglich der österreichische Medienwissenschaftler Stefan Weber, der sich auf seinem „Blog für wissenschaftliche Redlichkeit“der Jagd nach Plagiaten verschrieben hat. Am Montag erhob auch der Plagiatsjäger
Martin Heidingsfelder einen neuen Vorwurf.
Die Grünen halten scharf dagegen. Von einem Versuch von „Rufmord“war die Rede, nachdem die Vorwürfe vor gut einer Woche bekannt geworden waren. Der Wahlkampfleiter und Politische Geschäftsführer Michael Kellner rechtfertige den Gegenangriff am Montag. Es sei richtig gewesen, nach den „Kampagnen“der letzten Wochen ein „Stopp-Schild“zu setzen, sagte Kellner.
Und doch ist es bisher vor allem Baerbock selbst, die ihr Buch gegen Kritik verteidigt. Sie habe „sehr be
Michael Kellner wusst auf Fakten aus öffentlichen Quellen zurückgegriffen“, sagte die Kanzlerkandidatin am Wochenende. Es handle sich nicht um ein „Fachbuch“, daher gebe es keine Fußnoten. Zugleich aber räumte sie ein, dass „viele Ideen eingeflossen“seien. Das dürfte vorerst die letzte Äußerung Baerbocks in der Angelegenheit gewesen sein. Am Freitag hatte sie sich laut einem Sprecher in den Sommerurlaub verabschiedet. Die Pressekonferenz am Montag überließ Baerbock dann auch alleine dem Wahlkampfleiter Kellner.
Dabei fällt das Schweigen von
Co-Parteichef Robert Habeck auf. Auch er befindet sich derzeit im Urlaub – das ist die offizielle Begründung für seine Zurückhaltung. Dennoch steht die Frage im Raum, ob angesichts des massiven Gegenwinds für Baerbock, eine Solidarisierung Habecks nicht angemessen wäre. Kellner jedenfalls war am Montag sichtlich darum bemüht, der Geschlossenheit in der Parteiführung und der gesamten Partei nach außen zu tragen. „Wir sind ein gemeinsames Team mit Annalena an der Spitze“, sagte Kellner. „Ich erlebe ehrlicherweise in dieser Situation viel Solidarität, viel Unterstützung, weil natürlich viele erkennen, dass da Bagatellen aufgebauscht werden, um von den inhaltlichen Auseinandersetzungen, von den großen Fragen abzulenken.“
Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die anhaltende Kritik Baerbock schadet. Laut einer aktuellen Civey-Umfrage halten 61 Prozent der Wähler es für einen Fehler, dass die Grünen Baerbock als Kanzlerkandidatin ins Rennen schicken und nicht Robert Habeck. Unter Grünen-Anhängern allerdings halten 64 Prozent Baerbock nach wie vor für die richtige Kandidatin. Die Umfrage hat Mutmaßungen weiter Auftrieb verliehen, wonach Baerbock ihre Kandidatur zugunsten Habecks zurückziehen könnte. Kellner wies dies zurück. Das Wahlkampf-Team der Grünen stehe „klar und deutlich hinter Annalena Baerbock“, betonte Kellner.
„Wir sind ein gemeinsames Team mit Annalena an der Spitze.“
Wahlkampfleiter und Politischer Geschäftsführer der Grünen