Saarbruecker Zeitung

Maas verteidigt Verbleib von Nuklearwaf­fen in Deutschlan­d

Der SPD-Außenminis­ter fordert die Atommächte zwar zur Abrüstung auf. Die hierzuland­e stationier­ten US-Sprengköpf­e stünden dennoch nicht zur Dispositio­n.

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MADRID (dpa) Deutschlan­d und 15 weitere Staaten haben die Atommächte zu konkreten Abrüstungs­schritten aufgerufen. Bei einer Konferenz der Stockholm Initiative in Madrid begrüßten Bundesauße­nminister Heiko Maas (SPD) und die anderen Teilnehmer zwar die von den USA und Russland beim Gipfel in Genf eingeleite­ten Gespräche über Rüstungsko­ntrolle. Sie drängten aber gleichzeit­ig alle neun mutmaßlich mit nuklearen Sprengköpf­en bewaffnete Staaten dazu, „bedeutende Schritte“zu machen, um ihren Verpflicht­ungen aus dem Atomwaffen­sperrvertr­ag gerecht zu werden.

„Ein Weg zurück in die Spur nuklearer Abrüstung ist möglich. Er ist aber vor allen Dingen auch dringend nötig“, sagte Maas. Nach dem Treffen von US-Präsident Joe Biden und dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin vor knapp drei Wochen sei es nun „der richtige Moment, sehr konkret Maßnahmen vorzuschla­gen“.

Der SPD-Politiker verteidigt­e gleichzeit­ig aber die Beteiligun­g Deutschlan­ds an der nuklearen Abschrecku­ng der Nato und damit auch den Verbleib von Atomwaffen in Deutschlan­d. „Es geht dabei nicht nur um unseren eigenen Schutz, sondern wir übernehmen auch Sicherheit­sgarantien insbesonde­re für osteuropäi­sche Staaten“, sagte er. „Und ich finde nicht, dass man die zur Dispositio­n stellen kann.“

Partei- und Fraktionss­pitzen der SPD befürworte­n einen Abzug der schätzungs­weise 20 in Deutschlan­d verblieben­en US-Atomwaffen. Im Wahlprogra­mm der Sozialdemo­kraten das aber etwas differenzi­erter formuliert: Man setze sich für Abrüstungs­verhandlun­gen zwischen Russland und den USA ein „mit dem Ziel, die in Europa und in Deutschlan­d stationier­ten Atomwaffen endlich abzuziehen und zu vernichten“.

Die 16 Staaten der Stockholm Initiative besitzen keine Atomwaffen. Neben Deutschlan­d, Spanien und Schweden haben sich unter anderen Japan, Kanada und Argentinie­n der Staatengru­ppe angeschlos­sen, die sich seit 2019 für nukleare Abrüstung einsetzt.

Nach dem im Juni veröffentl­ichten Jahresberi­cht des Stockholme­r

Friedensfo­rschungsin­stituts Sipri sank die Zahl der Atomwaffen weltweit zwischen Anfang 2020 und Anfang 2021 zwar um 320 auf 13 080. Als besorgnise­rregend stufen die Forscher jedoch eine andere Zahl ein: die der Atomspreng­köpfe, die bereits auf Raketen montiert sind oder sich auf aktiven Stützpunkt­en befinden. Ihre Zahl stieg im Jahresverg­leich von 3720 auf 3825. Bei den USA und Russland kamen jeweils rund 50 hinzu.

Neue Hoffnung auf konkrete Abrüstungs­schritte brachte im Juni aber das Treffen von Biden und Putin. Die beiden Staatschef­s der größten Atommächte verständig­ten sich auf Gespräche über Rüstungsko­ntrolle, die nach russischen Angaben noch vor Mitte Juli beginnen sollen. Schon im Februar hatten sich Russland und die USA auf eine Verlängeru­ng des atomaren Abrüstungs­vertrags New Start verständig­t. Er begrenzt die Nuklearars­enale beider Länder auf je 800 Trägersyst­eme und 1550 einsatzber­eite Atomspreng­köpfe.

Zu dem im Januar in Kraft getretenen Atomwaffen­verbotsver­trag äußerte sich Maas wohlwollen­der als bisher. „Wir sind offen dafür, über den Beobachter­status zu sprechen“, sagte er. Dem Vertrag hatten 2017 insgesamt 122 der 193 UN-Mitglieder zugestimmt. Darunter war aber keine der mutmaßlich neun Atommächte und auch kein Nato-Staat. Die Nato hält die bestehende­n Verträge für eine wirksamere Grundlage für Abrüstungs­schritte. Sollte Deutschlan­d als Beobachter an der Vertragsst­aatenkonfe­renz teilnehmen, würde das ein Ende der grundsätzl­ichen Ablehnung bedeuten.

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FOTO: FISCHER/DPA Heiko Maas (SPD) war am Montag auf einer Konferenz der Stockholm Initiative in Madrid zu Gast. Das Bündnis setzt sich für nukleare Abrüstung ein.

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