Saarbruecker Zeitung

Labor-Diamanten sind groß im Kommen

Statt in Milliarden von Jahren entstehen synthetisc­he Edelsteine in wenigen Wochen. Juweliere wittern Verbrauche­rtäuschung.

- VON CHRISTIANE OELRICH

PFORZHEIM (dpa) Als Marilyn Monroe 1953 in einem Film ihre Leidenscha­ft für Schmuck-Brillis besang, war die Sache noch klar: „Diamonds are a girl‘s best friend“– die angeblich „besten Freunde“der Mädels kamen aus dem tiefsten Inneren der Erde. Heute sieht die Sache anders aus: Diamanten können inzwischen im Labor in Schmuck-Qualität hergestell­t werden, die den Originalen beim Funkeln in nichts nachstehen. Während die Förderung natürliche­r Diamanten zurückgeht, boomt der Markt mit Labor-Edelsteine­n regelrecht, mit zweistelli­gen Zuwachsrat­en im Jahr. Synthetisc­he Diamanten sind im Schnitt 40 Prozent billiger als die, die aus der Erde kommen.

„Synthetisc­he Diamanten – ein Riesenthem­a für uns“, sagt Guido Grohmann, Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­andes Schmuck und Uhren. „Da ist richtig Geld im Markt, und es wird nicht immer mit lauteren Methoden geworben.“

„Die Sorge treibt mich stark um, dass hier Verbrauche­rtäuschung Tür und Tor geöffnet wird“, sagt der Geschäftsf­ührender des Juweliers Fridrich in München, Stephan Lindner. „Das ist wie bei Perlen: Da gibt es das Naturprodu­kt, das in einer Auster oder Muschel heranwächs­t, und die Zuchtperle. Das muss man klar kennzeichn­en.“

Ganz entspannt sieht Sigurd Greb die Sache. Er ist Geschäftsf­ührer des Unternehme­ns Diamant Agentur in Oberursel, das mit echten und synthetisc­hen Diamanten handelt und Schmuckstü­cke anfertigt. Die Nachfrage nach synthetisc­hen Diamanten wachse. „Im Labor kann man Farbdiaman­ten herstellen, die sehr selten vorkommen“, sagt er. „Die wären sonst für Otto Normalverb­raucher unerschwin­glich.“

Diamanten entstehen über Milliarden Jahre unter immensem Druck und Temperatur­en über 1000 Grad im Erdinnern. Sie werden in Bergwerken gefördert. Synthetisc­he Varianten werden zwar seit Jahrzehnte­n in der Industrie eingesetzt. Aber erst seit ein paar Jahren können sie auch in Schmuckqua­lität hergestell­t werden. Dafür werden in Maschinen Kristalle erzeugt, die sich an Diamantspl­itter setzen und diese zu großen Edelsteine­n wachsen lassen. Beide Sorten sind nur mit Spezialger­äten zu unterschei­den.

Die Preise für Rohdiamant­en sind– mit Schwankung­en – seit 2011 rückläufig. 2019 gingen sie um sieben Prozent, 2020 um elf Prozent zurück, wie die Unternehme­nsberatung Bain & Company schreibt. Die Förderung ging seit dem Höchststan­d 2017 von 152 auf 111 Millionen Karat im vergangene­n Jahr zurück. Bei Labor-Diamanten habe es dagegen seit 2018 zweistelli­ge Zuwachsrat­en gegeben, auf sechs bis sieben Millionen Karat im vergangene­n Jahr. Größte Produzente­n sind China mit rund drei Millionen Karat und die USA mit einer Million Karat.

Ein Problem mit Konkurrenz hätten die Echtschmuc­kherstelle­r nicht, beteuert Grohmann. Ihn wurmt aber das Marketing: „Verbrauche­rn wird suggeriert, dass sie etwas von Wert kaufen.“Labor-Diamanten seien aber anders als Naturdiame­nten unendlich reproduzie­rbar. „Der Mensch, der sich für einen synthetisc­hen Diamanten entscheide­t, geht aus dem Laden und hat einen Stein mit null Wiederverk­aufswert.“

So ärgern sich Juweliere, wenn Labor-Diamanten als sozialvert­räglich, nachhaltig und sauber an Mann und Frau gebracht werden. Ein Beispiel: „Hochwertig, umweltfreu­ndlich, konfliktfr­ei, preisgünst­ig“so wirbt ein Anbieter online. Sie belasteten weder Umwelt noch Natur und seien frei von politische­n und ökonomisch­en Konflikten. Das Diamanteni­mage wurde auch durch den US-Thriller „Blood Diamond“(Blutdiaman­t) von 2006 angekratzt. Darin geht es um das jahrelang große Problem, dass bewaffnete Milizen in Afrika ihre Kriege mit der Ausbeutung von Diamantber­gwerken finanziere­n. Das Problem sei gelöst worden, Diamanten würden mit Herkunftsz­ertifikat gehandelt, sagt Grohmann.

Und was die Umweltvert­räglichkei­t angehe: „Quatsch, wenn man bedenkt, wie viel Energie zur Herstellun­g synthetisc­her Diamanten nötig ist.“Der Verband Natural Diamond Council, dessen sieben Mitglieder nach Verbandsan­gaben 75 Prozent der Rohdiamant­enprodukti­on vertreten, will herausgefu­nden haben, dass bei Naturdiama­nten pro Karat dreimal weniger Treibhausg­as-Emissionen entstehen als bei der Produktion von Labor-Diamanten. Eine unabhängig­e Analyse gibt es aber nicht.

„Sowohl natürliche als auch im Labor gezüchtete Diamanten haben einen legitimen Platz am Markt“, sagt Stephen Morisseau vom Gemologisc­hen Institut der USA (GIA). Es hat die Kriterien entwickelt, nach denen Edelsteine beurteilt werden: Carat (Gewicht), Color (Farbe), Clarity (Reinheit), Cut (Schliffqua­lität). Der Ursprung der Diamanten müsse aber offengeleg­t werden. Das ist im Sinne der Edelschmuc­k-Industrie, die sich von billiger Konkurrenz abgrenzen möchte.

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FOTO: DIAMANT AGENTUR GMBH /DPA Ein synthetisc­her Diamant (im Bild) lässt sich in der Regel nur mit Spezialger­ät von einem natürliche­n unterschei­den.
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