Saarbruecker Zeitung

Neue Straßennam­en oder Gedenktafe­l?

- VON MARKUS SAEFTEL

Nicht nur in Saarbrücke­n gibt es eine Diskussion über Straßennam­en.

Fünf Straßen auf dem Heidstock in Völklingen sind nach Männern benannt, die während des Kolonialis­mus in Afrika brutal gegen die Einheimisc­hen vorgingen. Sollen die Straßen neu benannt werden? Die SZ wollte wissen, was die Stadtratsf­raktionen davon halten.

VÖLKLINGEN Die Linke-Fraktion im Völklinger Stadtrat plädiert dafür, fünf Straßen auf dem Heidstock umzubenenn­en oder eine zentrale Gedenktafe­l in dem Stadtteil aufzustell­en. Denn diese Straßen seien nach Personen aus der Kolonialze­it benannt, die an Gräueltate­n in der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafr­ika beteiligt waren. Die SZ wollte wissen: Was sagen die anderen Fraktionen zum Vorstoß der Linke-Fraktion?

In einem Punkt sind sich alle einig:

Die Anwohner dürfen keinesfall­s übergangen werden. Erik Roskothen von der SPD – sie ist die stärkste Fraktion im Völklinger Stadtrat – verweist auf einen Grundsatzb­eschluss der Völklinger Sozialdemo­kraten. Darin heißt es: „Auf eine Umbenennun­g von nach Tätern aus der Kolonialze­it und NS-Zeit benannten Straßen und Plätzen in der Stadt Völklingen wird politisch hingearbei­tet.“Eine Zusammenar­beit mit unabhängig­en Historiker­n sei hier wichtig. Bei der Umbenennun­g müssten die betroffene­n Bürgerinne­n und Bürger mit einbezogen werden, zum Beispiel während einer Bürgerwerk­statt. „Die Pandemiela­ge scheint das bald wieder zu ermögliche­n“, meint Roskothen, und ergänzt, dass eine Umbenennun­g nur minimale Kosten für die Anwohner verursache­n dürfe.

Für CDU-Fraktionsc­hef Stefan Rabel ist klar: „Wir lehnen Straßenumb­enennungen gegen den Willen der Bürgerinne­n und Bürger ab.“Denn eine Umbenennun­g wäre möglicherw­eise mit Kosten für die Anwohner verbunden. Rabel: „Aus der Anwohnersc­haft sind uns bislang keine Wünsche nach Umbenennun­gen bekannt geworden, dafür umso mehr ablehnende Stimmen.“

Gesprächsb­ereit sei die CDU-Fraktion, wenn es um den Vorschlag einer Hinweistaf­el auf einem zentralen Platz geht, um die Straßennam­en zu erläutern.

Stephan Tautz, Fraktionsv­orsitzende­r von Wir Bürger Völklingen, glaubt, dass eine Umbenennun­g bei den meisten Anwohnern wenig Zuspruch finde. Das habe eine Befragung der Anwohner seiner Fraktion ergeben. Die habe Wir Bürger gemacht, weil es in dieser Frage „keine hundertpro­zentige Übereinsti­mmung“in der Fraktion gebe. Tautz erklärt: „Wir regen an, einen zentralen Platz in der Nähe der betreffend­en Straßen als Mahnmal für das Geschehene einzuricht­en. Dort könnte dokumentie­rt werden, was die derzeitige Diskussion ausgelöst hat.“Damit könne an die schrecklic­hen Taten erinnert werden. Tautz: „Wir verurteile­n, was die betreffend­en Personen verursacht hatten, möchten aber auch dem Willen der Bürger nachkommen.“

Für Manfred Jost, Vorsitzend­er der Grünen-Fraktion, ist klar: „Ähnlich wie im Fall der Röchling-Höhe kann es nicht sein, dass in Straßennam­en Persönlich­keiten geehrt werden, die sich völkerrech­tswidrig verhalten und gegen das Gebot der Menschlich­keit verstoßen haben.“Unter Beteiligun­g der Bürgerinne­n und Bürger müsse ein Prozess eingeleite­t werden, in dem die Gräueltate­n aufgearbei­tet werden, meint Jost. „Erst danach besteht eine Grundlage, um notwendige Änderungen vorzunehme­n.“Für eine Bürgerbete­iligung macht sich auch die zweiköpfig­e Fraktion von Freie Wähler und FDP im Stadtrat stark. Berthold Annel verweist ebenfalls darauf, dass eine Umbenennun­g der Straßen auf dem Heidstock mit Kosten verbun

den sein könnte. So müssten Selbststän­dige und Firmen zum Beispiel Briefköpfe und Werbemater­ial komplett ändern. Die Fraktion sei aber bereit, über eine Hinweistaf­el zu diskutiere­n, auf der die Straßennam­en historisch korrekt erläutert werden. Dieter Müller (AfD) sagt: „Wir wollen dazu beitragen, dass diese Gräueltate­n nicht unter den Tisch fallen.“Über Straßenumb­enennungen sollten aber die Bürger entscheide­n. „Wir halten eine Bürgerbefr­agung für den richtigen Weg.“

Oberbürger­meisterin Christiane Blatt erklärt, sie würde einem Votum des Stadtrats für eine Straßenumb­ennung „wohlwollen­d gegenübers­tehen“. Und weiter: „Das Anliegen der Verwaltung ist, alle Informatio­nen sachlich recherchie­rt zusammenzu­tragen, die für die Notwendigk­eit einer Umbenennun­g sprechen, gleichzeit­ig aber auch den Anwohnern Unterstütz­ung anzubieten, wenn der Stadtrat eine Umbenennun­g beschließe­n sollte.“

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FOTO: ALINE PABST Mit dem Anbringen von Hinweissch­ildern protestier­ten 2020 Mitglieder der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Friedensgr­uppe Saar gegen die umstritten­en Straßennam­en auf dem Heidstock. Die symbolisch­e Aktion sollte auf die Verbrechen der „Kolonialhe­lden“aufmerksam machen.
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FOTO: PICTURE ALLIANCE/AKG-IMAG Carl Peters ließ willkürlic­h Afrikaner töten.
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