Neue Straßennamen oder Gedenktafel?
Nicht nur in Saarbrücken gibt es eine Diskussion über Straßennamen.
Fünf Straßen auf dem Heidstock in Völklingen sind nach Männern benannt, die während des Kolonialismus in Afrika brutal gegen die Einheimischen vorgingen. Sollen die Straßen neu benannt werden? Die SZ wollte wissen, was die Stadtratsfraktionen davon halten.
VÖLKLINGEN Die Linke-Fraktion im Völklinger Stadtrat plädiert dafür, fünf Straßen auf dem Heidstock umzubenennen oder eine zentrale Gedenktafel in dem Stadtteil aufzustellen. Denn diese Straßen seien nach Personen aus der Kolonialzeit benannt, die an Gräueltaten in der früheren Kolonie Deutsch-Südwestafrika beteiligt waren. Die SZ wollte wissen: Was sagen die anderen Fraktionen zum Vorstoß der Linke-Fraktion?
In einem Punkt sind sich alle einig:
Die Anwohner dürfen keinesfalls übergangen werden. Erik Roskothen von der SPD – sie ist die stärkste Fraktion im Völklinger Stadtrat – verweist auf einen Grundsatzbeschluss der Völklinger Sozialdemokraten. Darin heißt es: „Auf eine Umbenennung von nach Tätern aus der Kolonialzeit und NS-Zeit benannten Straßen und Plätzen in der Stadt Völklingen wird politisch hingearbeitet.“Eine Zusammenarbeit mit unabhängigen Historikern sei hier wichtig. Bei der Umbenennung müssten die betroffenen Bürgerinnen und Bürger mit einbezogen werden, zum Beispiel während einer Bürgerwerkstatt. „Die Pandemielage scheint das bald wieder zu ermöglichen“, meint Roskothen, und ergänzt, dass eine Umbenennung nur minimale Kosten für die Anwohner verursachen dürfe.
Für CDU-Fraktionschef Stefan Rabel ist klar: „Wir lehnen Straßenumbenennungen gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger ab.“Denn eine Umbenennung wäre möglicherweise mit Kosten für die Anwohner verbunden. Rabel: „Aus der Anwohnerschaft sind uns bislang keine Wünsche nach Umbenennungen bekannt geworden, dafür umso mehr ablehnende Stimmen.“
Gesprächsbereit sei die CDU-Fraktion, wenn es um den Vorschlag einer Hinweistafel auf einem zentralen Platz geht, um die Straßennamen zu erläutern.
Stephan Tautz, Fraktionsvorsitzender von Wir Bürger Völklingen, glaubt, dass eine Umbenennung bei den meisten Anwohnern wenig Zuspruch finde. Das habe eine Befragung der Anwohner seiner Fraktion ergeben. Die habe Wir Bürger gemacht, weil es in dieser Frage „keine hundertprozentige Übereinstimmung“in der Fraktion gebe. Tautz erklärt: „Wir regen an, einen zentralen Platz in der Nähe der betreffenden Straßen als Mahnmal für das Geschehene einzurichten. Dort könnte dokumentiert werden, was die derzeitige Diskussion ausgelöst hat.“Damit könne an die schrecklichen Taten erinnert werden. Tautz: „Wir verurteilen, was die betreffenden Personen verursacht hatten, möchten aber auch dem Willen der Bürger nachkommen.“
Für Manfred Jost, Vorsitzender der Grünen-Fraktion, ist klar: „Ähnlich wie im Fall der Röchling-Höhe kann es nicht sein, dass in Straßennamen Persönlichkeiten geehrt werden, die sich völkerrechtswidrig verhalten und gegen das Gebot der Menschlichkeit verstoßen haben.“Unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger müsse ein Prozess eingeleitet werden, in dem die Gräueltaten aufgearbeitet werden, meint Jost. „Erst danach besteht eine Grundlage, um notwendige Änderungen vorzunehmen.“Für eine Bürgerbeteiligung macht sich auch die zweiköpfige Fraktion von Freie Wähler und FDP im Stadtrat stark. Berthold Annel verweist ebenfalls darauf, dass eine Umbenennung der Straßen auf dem Heidstock mit Kosten verbun
den sein könnte. So müssten Selbstständige und Firmen zum Beispiel Briefköpfe und Werbematerial komplett ändern. Die Fraktion sei aber bereit, über eine Hinweistafel zu diskutieren, auf der die Straßennamen historisch korrekt erläutert werden. Dieter Müller (AfD) sagt: „Wir wollen dazu beitragen, dass diese Gräueltaten nicht unter den Tisch fallen.“Über Straßenumbenennungen sollten aber die Bürger entscheiden. „Wir halten eine Bürgerbefragung für den richtigen Weg.“
Oberbürgermeisterin Christiane Blatt erklärt, sie würde einem Votum des Stadtrats für eine Straßenumbennung „wohlwollend gegenüberstehen“. Und weiter: „Das Anliegen der Verwaltung ist, alle Informationen sachlich recherchiert zusammenzutragen, die für die Notwendigkeit einer Umbenennung sprechen, gleichzeitig aber auch den Anwohnern Unterstützung anzubieten, wenn der Stadtrat eine Umbenennung beschließen sollte.“