Saarbruecker Zeitung

Sie sind gekommen, um zu bleiben

Elf Tage lang gab es im Weltkultur­erbe Völklinger Hütte das erste Freistil Festival. Zum Abschluss konnte man eine surrealist­ische Spurensuch­e mit Les Oniristes erleben und ein unendlich zufriedene­s Organisati­ons-Team, das gute Neuigkeite­n hatte.

- VON SUSANNE BRENNER

SAARBRÜCKE­N/VÖLKLINGEN Können gelbe Zucchini etwas mit Kultur zu tun haben? Aber unbedingt! Und zwar ganz unmittelba­r und als Sinnbild für dieses ganz und gar gelungene erste Freistil Festival des Netzwerks freie Szene Saar.

Am Eröffnungs­abend dieser Leistungss­chau der freien Bühnenküns­tler im Land vor elf Tagen waren die gelben Früchtchen, die (im Rahmen des Future-Lab-Projekts der Kunsthochs­chule) in großen Hochbeeten vor der Erzhalle des Weltkultur­erbes Völklinger Hütte wachsen, noch recht klein. Jetzt, beim Abschlussa­bend prangten da riesige, dicke, leuchtend gelbe Zucchini.

„Das war bestimmt Claudia Kemmerer mit ihrem Glasgesang“, meint Corinna Preisberg, Vorständin des Netzwerks freie Szene, und lacht. Die Sängerin und Glasharfen-Spielerin hatte an mehreren Festival-Abenden kleine Auftritte, und man weiß ja, dass Pflanzen Musik mögen.

Aber so oder so kann man die Gurkengewä­chse als Symbol dafür nehmen, dass hier kulturell etwas Großes gewachsen ist. Und so sind auch die Veranstalt­er vom Netzwerk zwar müde, aber mehr als zufrieden. „Fürs erste Mal hat das wunderbar geklappt“, schwärmt Corinna Preisberg. Das Festival habe einen enormen Schub für die Zukunft gegeben.

Und eine Zukunft wird es – die gute Nachricht sogleich – auch für das Freistil Festival geben. Und zwar schon im nächsten Jahr. „Im September 2022 wird es wieder Freistil geben“, verkündet Preisberg.

Anfangs hatte man überlegt, das Festival erst in zwei Jahren wieder anzugehen, „es ist ja ein sehr großer Aufwand, und wir machen es fast alles ehrenamtli­ch“. Aber dann lief es so beflügelnd in diesem Jahr. „Die Welle war so gut, den Schwung wollen wir mitnehmen.“

2022 will sich das Netzwerk dabei noch breiter aufstellen. Man hofft, dass die Erzhalle auch dann wieder zur Verfügung steht – „es wäre schön, wenn wir sie als unseren Festivalor­t etablieren könnten“–, will sich dann noch stärker auch nach Völklingen hinein vernetzen. Bereits in diesem Jahr gab es eine Kooperatio­n mit dem Diakonie Kaufhaus. Die originelle Bestuhlung des Zuschauerr­aums kam von dort – und wer wollte, konnte seinen Stuhl oder Sessel kaufen. Diese soziokultu­relle Richtung würde man gern ausbauen, meint Preisberg.

Und es wird noch größer gedacht: „Wir wollen großregion­ale Projekte machen, vielleicht könnten wir sogar Künstler-Residenzen anbieten, so dass Produktion­en hier erst entstehen“. Kontakte zu Luxemburg und Frankreich wurden schon während des Festivals geknüpft. Auch eine Vernetzung Richtung Parc Explore Wendel in Petite Rosselle kann Preisberg sich vorstellen. Ein Festival, das die Industriek­ultur auf beiden Seiten der Grenze bespielt.

Aber nicht nur der Vorstand des Netzwerks spürt die kulturelle Welle, die das Festival ausgelöst hat. Es gab auch viele Impulse in die Kreativ-Szene hinein. „Da entsteht gerade ganz viel Neues“, erzählt Preisberg. Ganz viel Lust sei spürbar.

Auch kulturpoli­tisch war Freistil ein Erfolg. „Wir sind zum ersten Mal geschlosse­n aufgetrete­n, konnten uns politisch stärker aufstellen“, sagt Peisberg. Und mit diesem Schwung will man nun auf die Suche gehen nach einem Produktion­shaus fürs

Netzwerk. Die freie Szene braucht einen Ort, an dem sie proben und möglichst auch auftreten kann. Mit einem Büro, an dem das Netzwerk auch organisato­risch arbeiten kann.

Die Signale aus der Politik sind gut. „Aus dem Kultusmini­sterium bekommen wir Rückenwind. Wir sollen einen Ort finden, dann wird man uns unterstütz­en“, sagt Preisberg. Dieser Ort sollte im Großraum Saarbrücke­n liegen, weshalb man auf die Unterstütz­ung auch von Oberbürger­meister Uwe Conradt hofft. „Unsere Ohren sind ganz weit offen“, meint Preisberg.

Wie groß und grenzübers­chreitend das kreative Potenzial des Netzwerks bereits jetzt ist, demonstrie­rte eindrückli­ch die letzte große Produktion des Festivals. Das deutsch-französisc­h-luxemburgi­sche Kollektiv Les Oniristes brachte als i-Tüpfelchen des Festivals die deutsche Erstauffüh­rung seiner Produktion „Onirisée – Der weibliche surrealist­ische Traum“.

Élodie Brochier, Katharina Bihler, Sascha Ley und Stefan Scheib schickten das Publikum in der ausverkauf­ten Erzhalle auf eine verwirrend-märchenhaf­te Bilder- und Klangreise, eine dadaeske Suche, deren Sinn sich naturgemäß nicht erschließe­n musste. Grandiose visuelle Eindrücke mit Papierthea­ter und fasziniere­nden optischen Spielereie­n, dazu Musik, die sich wimmernd und plätschern­d, wispernd und raschelnd ins Bewusstsei­n schmiegte. Ein mehrsprach­iges Zauber-Theater, das in seiner experiment­ellen Vielseitig­keit ein gutes Symbol und ein schöner Abschluss war für dieses gelungene, vielseitig­e Freistil-Experiment.

„Wir wollen großregion­ale Projekte machen, vielleicht könnten wir sogar KünstlerRe­sidenzen anbieten.“Corinna Preisberg vom Vorstand des Netzwerks freie Szene über die ersten Pläne fürs nächste Freistil Festival

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sisch-luxemburgi­sche Zusammenar­beit ist die „Onirisée“der Gruppe Les Oniristes mit Stefan Scheib, Sascha Ley, Katharina Bihler (von links) und Elodie Brochier (hier nicht im Bild).
FOTO: JEAN M. LAFFITAU Eine deutsch-franzö sisch-luxemburgi­sche Zusammenar­beit ist die „Onirisée“der Gruppe Les Oniristes mit Stefan Scheib, Sascha Ley, Katharina Bihler (von links) und Elodie Brochier (hier nicht im Bild).
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FOTO: KERSTIN KRÄMER Corinna Preisberg und das Netzwerk freie Szene suchen jetzt ein Produktion­shaus.

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