Nowitzkis Erben fliegen nach Tokio
Deutsche Basketballer lösen überraschend das Olympia-Ticket beim Turnier in Split mit dem 75:64-Sieg über Brasilien.
SPLIT (sid) Am Flughafen von Split zerstreute es die Helden in alle Winde. Es ging Richtung Berlin, Frankfurt oder München, nach zermürbenden Wochen und einer Partynacht bekommen die deutschen Basketballer ein paar Tage Pause. Aber schon bald sitzen sie wieder in der Wartehalle – denn es geht tatsächlich zu den Olympischen Spielen nach Tokio.
Hinter einem überdimensionalen Flugticket nach Japan ließ sich die
Mannschaft in der Kabine der Spaladium Arena, wo sie sich zuvor mit einem 75:64 gegen Brasilien qualifiziert hatten, ablichten. Mittendrin: Dennis Schröder, der wegen zu hoher Versicherungskosten nicht auflaufen konnte und ziemlich sicher auch in Tokio fehlen wird. „Sie haben ihr ganzes Herzblut reingesteckt, ich bin stolz auf sie“, sagte der derzeit vertragslose NBA-Profi.
Erstmals seit Peking 2008 tritt wieder eine Nationalmannschaft bei Sommerspielen an. Damals hieß der Anführer Dirk Nowitzki – diesmal gibt es keinen. Das Team war aber nach vielen Absagen und Ausfällen als Kollektiv erfolgreich. Neben Schröder konnten von den
Topleuten auch Maximilian Kleber, Daniel Theis, Isaiah Hartenstein und Paul Zipser nicht dabei sein.
„Der Mannschaftsgeist hat letztendlich den Unterschied gemacht“, sagte Henrik Rödl. Der Bundestrainer war nach dem Erfolg über Brasilien enorm stolz und weinte hemmungslos. „Es ist eine super Entwicklung, der Sommer hat sehr viel Spaß gemacht“, sagte Rödl, „und er geht weiter.“Jetzt werde man „allen ein bisschen Zeit geben“.
Rödl war 1992 als Spieler in Barcelona unter den Ringen aufgelaufen, jetzt kehrt er zurück. „Es war mein absoluter Traum, als Trainer noch mal zu Olympia fahren zu dürfen. Und der hat sich jetzt erfüllt“, sagte der 52-Jährige. Deutschland ist zum insgesamt sechsten Mal am Start. Dass es geklappt hat, ist für den Europameister von 1993 auch eine Genugtuung. Nach der enttäuschenden WM 2019 in China, wo die deutsche Mannschaft noch als 18. das Direktticket nach Tokio verpasst hatte, konnte er diesmal aus den Spielern das Potenzial herauskitzeln. Sein Vertrag läuft aus, seine Zukunft ist offen.
Ohne Schröder zeigte die Mannschaft Qualitäten, die mit Schröder fehlten. Immer wieder stach ein anderer heraus. Moritz Wagner etwa war gegen Brasilien mit 28 Punkten Topscorer und wurde anschließend zum wertvollsten Spieler (MVP) des Turniers gewählt. Im zweiten und letzten Gruppenspiel gegen Russland hielt Kapitän Robin Benzing das Team mit ganz wichtigen Blocks auf Kurs, Johannes Voigtmann machte zwölf Punkte im Schlussviertel. Schröder-Ersatzmann Maodo Lo drehte im Halbfinale gegen Kroatien auf (29 Punkte). In China war so etwas nicht gelungen, es stand keine Mannschaft auf dem Feld.
Wäre das Team mit Schröder, unbestritten der derzeit beste deutsche Basketballer, vielleicht nie so weit gekommen? Die Frage lässt sich nicht beantworten, doch sie stellt sich. Denn ohne ihn wird das Spiel variabler, ist weniger ausrechenbar. Es können alle im Mittelpunkt stehen, eine Ein-Mann-Show ist ausgeschlossen.
Und so nimmt Rödl die zwölf Spieler mit, die in Split den großen Preis abräumten. „Es ist ja klar, dass diese Zwölf sich das verdient haben.
Ich hoffe, alle bleiben gesund, damit wir mit ihnen nach Tokio fahren können“, sagte Rödl. Schröder ist in Tokio nicht dabei, auch nicht als Edelfan – es dürfen ja keine ausländischen Besucher kommen. In der Vorrunde geht es gegen Australien, Italien und Nigeria. Das Kollektiv kann durchaus auch bei Olympia Staub aufwirbeln – das hat es in Kroatien allemal bewiesen.