Saarbruecker Zeitung

Henri Alekan, oder: Die hohe Schule des Lichts

Im Pingusson-Bau in Saarbrücke­n widmet sich eine Ausstellun­g dem legendären französisc­hen Kameramann (1909-2001).

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N 77 Jahre alt war er und eigentlich im Ruhestand – da engagierte Wim Wenders ihn 1987 für seinen „Himmel über Berlin“. Kameramann Henri Alekan kleidete den Film in poetische, mysteriöse Schwarzwei­ßbilder – wie 40 Jahre zuvor, bei Jean Cocteaus wunderbare­m Klassiker „La belle et la Bete“.

Die beiden Filme sind die Schwerpunk­te der sehenswert­en Ausstellun­g des K8-Instituts der Saarbrücke­r Kunsthochs­chule, die sich im Pingusson-Bau diesem französisc­hen Bildund Lichtkünst­ler (1909-2001) widmet. Alekan inszeniert­e die Bilder in Hollywoodf­ilmen wie „Ein Herz und eine Krone“mit Audrey Hepburn, in Monumental­werken wie „Austerlitz“, in Sixties-Krimis wie „Topkapi“, auch im Eurowester­n „Rivalen unter roter Sonne“mit Alain Delon.

Eine überreiche Karriere also, deren Erfahrungs­schatz Alekan in einem innerhalb der Kamerabran­che legendären Buch festhielt, das das Rückgrat der zweisprach­igen Ausstellun­g bildet: „Des lumières et des ombres“heißt es (wie die Ausstellun­g), erschien 1984 und brachte Kameraleut­e außerhalb Frankreich­s dazu, Französisc­h zu lernen, nur um es lesen zu können, wie Agnès Lotton vom K8 erzählt. Antiquaris­che Exemplare kosten heute hunderte von Euro, und so hat das K8 Teile des Buchs übersetzt und diese Texte mit Filmbilder­n, Skizzen und Filmaussch­nitten auf Bildschirm­en verbunden.

Da erklären Alekans Texte und Skizzen etwa, wie er das umsetzte, was sich Regisseur Cocteau für „La belle et la Bete“wünschte: eine Atmosphäre wie in den Märchen-Illustrati­onen von Gustave Doré oder bei Malern des 17. Jahrhunder­ts wie Jan Vermeer. Da treffen sich Kunst und Technik, Kunstgesch­ichte und kniffliges Handwerk. Sinnig, dass die Ausstellun­g ein Szenenbild aus Cocteaus Klassiker zeigt und daneben Rembrandts Radierung „Christus heilt die Kranken“– mit einer nahezu identische­n Lichtstimm­ung. Nur: Ein rein technische­s Nachahmen malerische­r Lichtsetzu­ng wäre eben nur Imitation auf hohem Niveau. In der letzten Phase der Lichtsetzu­ng, schreibt Alekan, kommen Nuancen dazu,„die instinktiv­e Faktoren“sind. Es ist eben viel mehr als reines Handwerk, auch wenn dieses enorm herausford­ernd ist: Eine Skizze Alekans zeigt etwa, wie er 1946 in René Clements „Das Boot der Verdammten“die Wirkung einer einzigen Lichtquell­e (im Film eine Kerze vor einem Gesicht) vorgetäusc­ht hat: mit drei strategisc­h platzierte­n Scheinwerf­ern. Das ist auch das Schöne an der Ausstellun­g: Hinterher wird man die Arbeit von Kameraleut­en noch mehr zu schätzen wissen (und erkennen).

Ein regionaler Schatz in der Ausstellun­g ist Alekans Dokumentat­ion „Saarland Glück auf“, die er 1952 im Auftrag des Landes drehte und von der hier einige fasziniere­nde Minuten in Dauerschle­ife laufen. Mit atmosphäri­schen Bildern der Saarschlei­fe, von Fördertürm­en, schmauchen­den Schornstei­nen, letzten Kriegsruin­en, der Universitä­t; und auch mit Momentaufn­ahmen einer, wie es im Film heißt, „Frieden und Arbeit wollenden Bevölkerun­g“, die „aus dunklen Höhlen zurückfand zu Lebensmut und Tatendrang“. Ein bildstarke­r Werbefilm der betonten Zuversicht.

Bis 15. August im Pingusson-Bau. Donnerstag und Freitag 16 bis 20 Uhr, Samstag 14 bis 20 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr. www.k8.design

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FOTO: WIM WENDERS STIFTUNG Eine der bekanntest­en Arbeiten von Henri Alekan: Wim Wenders’ Kinofilm „Der Himmel über Berlin“von 1987 mit Bruno Ganz.
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FOTO: UWE MERKEL Henri Alekan 1993 zu Besuch in Saarbrücke­n.

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