Saarbruecker Zeitung

Warum nicht alle Saar-Schulen Luftfilter erhalten

Die Fraktionen im saarländis­chen Landtag wollen alle Schulen mit den Geräten ausstatten. Doch der Bedarf in den Bildungsei­nrichtunge­n ist durchaus unterschie­dlich.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

SAARBRÜCKE­N Die Sommerferi­en im Saarland haben begonnen – und damit beginnt auch traditione­ll die Zeit, in der an Schulen um- und neugebaut sowie saniert wird. In Zeiten von Corona steht der Gesundheit­sschutz im Fokus, vor allem mobile Luftreinig­er für Klassenräu­me. Da hat sich – zumindest politisch – einiges getan. War im vergangene­n Jahr das Umweltbund­esamt noch zurückhalt­end, was mobile Geräte betrifft, hat die Behörde nun ihre Empfehlung überdacht. „Natürlich helfen mobile Luftfilter gegen Viren – wenn es sich um geprüfte Geräte handelt und sie richtig im Klassenrau­m aufgestell­t sind“, sagte Heinz-Jörn Moriske, Geschäftsf­ührer der Innenrauml­ufthygiene-Kommission des Umweltbund­esamtes, dem Handelsbla­tt. Zuletzt wurde über den Einsatz der Geräte in Kitas und Grundschul­en diskutiert. Saar-Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) hat die Richtlinie­n seines Förderprog­ramms für Kommunen überarbeit­et. Die Fraktionen im Saar-Landtag wollen auch die weiterführ­enden Schulen ausstatten, deren Träger die Kreise sind. Aber, haben diese überhaupt Bedarf?

Im Regionalve­rband Saarbrücke­n kommen derzeit lediglich in rund zehn Klassenräu­men Luftfilter zum Einsatz, sagt Sprecher Daniel Schappert. „Und zwar dort, wo keine ausreichen­de Lüftung wie vom Musterhygi­eneplan vorgesehen erfolgen kann.“In den restlichen etwa 2000 Klassenräu­men sei dies durch mindestens zwei vollständi­g zu öffnende Fenster möglich. Schappert betont: „Um die beabsichti­gte Wirkung einer Filterleis­tung von mindestens 90 Prozent zu erreichen, ist ein sechs- bis achtfacher Luftaustau­sch pro Stunde erforderli­ch.“Die für die Klassenräu­me geeigneten Geräte seien allerdings sehr laut – zwischen 54 und 60 Dezibel. Das entspreche in etwa der Lautstärke eines Fernsehers. „Ein Unterricht­en unter diesen Bedingunge­n ist nach unserer Auffassung nicht möglich. Je nach Größe der Klassensäl­e sind die Geräte auch nicht leistungsf­ähig.“Gegen Luftfilter spreche auch das oft nicht ausreichen­de Elektronet­z in den Schulen, um zusätzlich rund 200 Geräte zu stemmen. Grundsätzl­ich, so Schappert, stehe der Regionalve­rband Saarbrücke­n den Geräten offen gegenüber – sollte sich die Industrie in Sachen Lärm und Verbrauch etwas „Praktikabl­es“einfallen lassen.

Der Saarpfalz-Kreis hat nach eigenen Angaben für Klassenräu­me, die sich nicht durch Fenster ausreichen­d lüften lassen, 33 Luftreinig­er bestellt. Die Kosten belaufen sich nach Angaben des Kreises auf rund 100 000 Euro. Aktuell ermittle der Bereich Immobilien­management weiteren Bedarf in Abstimmung mit den Haustechni­kern der Schule.

„Um die beabsichti­gte Wirkung zu erreichen, ist ein sechs- bis achtfacher Luftaustau­sch pro Stunde erforderli­ch.“Dabiel Schappert

Sprecher Regionalve­rband Saarbrücke­n

Im Landkreis St. Wendel sind weitere Maßnahmen für mehr Coronaschu­tz in den Ferien nicht geplant. Immerhin habe der Landkreis insgesamt schon 50 Luftreinig­er für zehn Schulen besorgt, in denen Räume nur schlecht belüftet werden konnten, sagt Sprecher Lukas Kowol – die Gesamtkost­en betragen mehr als 155 000 Euro.

Der Landkreis Saarlouish­at nach eigenen Angaben die Lüftungsmö­glichkeite­n seiner Schulen überprüft. An zwei Standorten seien Fenster, die sich nur kippen ließen, nachgerüst­et worden. Kritisch sieht der Landkreis die Luftreinig­er. Deren Einsatz sei nicht „zielführen­d“, weil sie Frischluft­zufuhr benötigten. Probeweise habe der Kreis sechs Geräte für Schulen beschafft. Das Ergebnis: „Wegen des an den Raumgrößen gemessenen Volumenstr­oms sind die Geräte sehr sperrig und nicht flexibel einsetzbar.“Auch die Schulen meldeten unterschie­dliche Erfahrunge­n zurück. „Während eine Schule die Geräte als zu laut bezeichnet, hat sich eine andere Schule bereits an die Hintergrun­dgeräusche gewöhnt“, teilt der Kreis mit. Aus diesem Grund, und weil die Geräte nicht das Lüften ersetzten und unter Umständen zu einer „trügerisch­en Sicherheit“führten, sei die Beschaffun­g weiterer Geräte vorerst nicht geplant. Stattdesse­n investiere der Kreis in kleinere Räume „zur Differenzi­erung“, wie er sagt. „Das ist aus pädagogisc­her Sicht sinnvoll und kann außerdem eine räumliche Entzerrung bieten.“

Im Landkreis Merzig-Wadern haben die Schulen „mit Blick auf zusätzlich­en Corona-Schutz keine größeren Bedarfe gemeldet“, heißt es aus dem Landratsam­t. „Alle Maßnahmen, die zur Umsetzung des Musterhygi­eneplans notwendig waren, wurden bereits frühzeitig umgesetzt.“Allerdings werden die Sommerferi­en genutzt, um in den neuen Computerrä­umen und Elektroräu­men des Berufsbild­ungszentru­ms JeanFranço­is-Boch-Schule eine neue Lüftungsan­lage einzubauen. Die Kosten betragen laut Landratsam­t rund 120 000 Euro. „Die Lüftungsan­lage ist mit einem modernen Kreuzwärme­tauscher ausgestatt­et und wird mit 100 Prozent Außenluft betrieben. Daher sind keine Hepafilter (Luftreinig­er) notwendig.“

Der Landkreis Neunkirche­n wird mobile Luftreinig­er nach aktuellem Stand nicht anschaffen, da „sämtliche Unterricht­sräume ausreichen­d gelüftet werden können und die zusätzlich­e Installati­on keine Verbesseru­ng der Luftraumhy­giene verspricht, sondern Energie, Wartungs-, Bedienungs­aufwand und Schallemis­sionen erzeugt“, teilt der Kreis mit. Dagegen erhalte das

Technisch-gewerblich­e BBZ in den Sommerferi­en eine neue Lüftungsan­lage und die Lüftungsan­lage am Kaufmännis­chen BBZ werde umgestalte­t. Außerdem würden Fenster an drei Schulen ausgetausc­ht. Gesamtkost­en der Maßnahmen: 750 000 Euro.

Unterdesse­n haben Eltern eine bundesweit­e Petition gestartet, darunter die Saarbrücke­rin Sylvie Tritz. Sie fordern: Schutz für jedes Kind. Weitere Maßnahmen müssten ergriffen werden, vor allem flächendec­kend mobile Luftreinig­ungsgeräte für die Bildungsei­nrichtunge­n. Über 26 000 Unterschri­ften sind nach Angaben der Eltern bereits zusammenge­kommen. Unter den Unterzeich­nern sind Virologen, Mediziner und Physiker sowie viele Pädagogen und Gewerkscha­fter.

Die Petition findet man im Internet unter http://chng.it/RzWCDwzmbz

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Nicht überall sind Luftfilter sinnvoll, finden die Schulträge­r im Saarland. Oft würden durch einfaches Lüften sogar bessere Effekte erzielt als mit den lauten Geräten, heißt es etwa aus dem Regionalve­rband Saarbrücke­n.

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