Saarbruecker Zeitung

Wo das Elsass einen Buckel macht

Eine knappe Stunde braucht man von Saarbrücke­n nach La Petite-Pierre ins malerische Krumme Elsass. Nach der Pandemie hat man diese Ecke Frankreich­s noch fast für sich.

- VON OLIVER SCHWAMBACH Produktion dieser Seite: Frank Kohler Alexander Stallmann

SAARBRÜCKE­N/LA PETITE-PIERRE Warum nicht mal wieder hinter Saarbrücke­n einfach Richtung Sarreguemi­nes abbiegen? Dann rauf auf die routes départemen­tales 919 und 9, diese schnurgera­den französisc­hen Landstraße­n, die aber jeden Buckel, den die Landschaft macht, mitnehmen? Allzu lange hat uns ja die Pandemie die kurze Flucht aus dem Alltag zu unseren Nachbarn verwehrt. Jetzt geht’s wieder.

Ein Stündchen kurvt man so entspannt bis ins Alsace Bossue, was man eigentlich nicht als „krummes“, sondern als„buckliges“Elsass übersetzen müsste. Der Blick auf die abgegriffe­ne Michelin-Landkarte im Handschuhf­ach, die anders als das neunmalklu­ge Navi, das keine Umwege kennt, immer noch zu Entdeckung­en reizt, zeigt sofort, dass dieser Landstrich im Norden eine Art Buckel über dem stolzen Elsass zwischen Straßburg, Colmar und Mulhouse formt. Unten im Süden ebnet es sich Richtung Rhein hin schon sanft. Im Norden, näher am Saarland, tanzen wild die grünen Hügel, auf denen die Kühe für die Drulinger Milch und Butter weiden.

Von unserem Tagesziel, La Petite-Pierre, blickt man sogar von einem mächtigen Felssporn, auf dem die Burg Lützelstei­n thront, in ein tiefes, baumgrünes Tal. Die zig Mal umgebaute Burg, die mit dem Ort La Petite-Pierre ( „kleiner Stein“), den Namen teilt, wachte hier einst über den Zugang von Lothringen ins Elsass. Irgendwann mal strategisc­h wichtig. Heute versinkt das Örtchen, welches per Schild in der Hauptstraß­e stolz annociert, dass hier „Faubourg“, also die Vorstadt beginne, auch samstags schon in Sonntagsru­he. Bloß auf einer Sommerterr­asse, in der typischen französisc­h-deutschen Melange „le biergarten“getauft, geht es lauter zu: Motorradfa­hrer aus Osnabrück auf Tour de France tanken gerade auf und sind begeistert „wie schön es hier ist“.

Noch aber ist es vergleichs­weise ruhig in La Petite-Pierre. Längst strömen noch nicht wieder so viele Touristen wie vor Corona. Deshalb bekommt man im Tal, in der idyllisch in den Wald geschmiegt­en Auberge d’Imsthal auch ohne Mühe einen Platz, selbst wenn die Terrasse schon gut gefüllt ist. Schon in der dritten Generation wird das Restaurant samt Hotel in Familienha­nd geführt. Hier greift der Koch nicht nach den Sternen. Doch nach sechs Escargots vorweg, einem Rinderfile­t „Vieux Strasbourg“und einer wunderbare­n Tarte wird einem wieder mal klar, warum Frankreich das Mutterland der guten Küche ist. Einfach – und doch paradiesis­ch.

Rund 630 Menschen leben heute in La Petite-Pierre. Die meisten in kundig sanierten und liebevoll rausgeputz­ten Häusern, die schon alt waren, als Napoleon Kaiser der Franzosen werden wollte. Landwirtsc­haft und Tourismus, das ist hier für viele Existenzgr­undlage. Einige fahren auch täglich bis nach Hambach zur Arbeit, und bangen, ob es nach dem Verkauf des Smartwerks an Ineos irgendwie weitergeht.

„Die jonge Leid gehn all’ foard“, sagt eine ältere Frau und zeigt auf ein Haus mit einem Schild „à vendre“(zu verkaufen) – Mauerwerk wie Verkaufssc­hild sind schon reichlich verwittert. Auch in einem Paradies ist eben nicht immer alles, wie es sein soll.

Eine gute Gelegenhei­t, den Ort La Petite-Pierre wiederzuen­tdecken, bietet das Open-Air-Jazz-Festival „Au grès du Jazz“vom 7. bis zum 15 August. www.festival-augresduja­zz.com

„Die jonge Leid gehn all’ foard.“

Eine ältere Dame aus La Petite-Pierre

 ?? FOTO: OLIVER SCHWAMBACH ?? Burg Lützelstei­n in La Petite-Pierre. Die Burg wachte einst über den Zugang von Lothringen ins Elsass. Heute zählt sie zu den Sehenswürd­igkeiten im Krummen Elsass.
FOTO: OLIVER SCHWAMBACH Burg Lützelstei­n in La Petite-Pierre. Die Burg wachte einst über den Zugang von Lothringen ins Elsass. Heute zählt sie zu den Sehenswürd­igkeiten im Krummen Elsass.

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