Der St. Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust hat bedeutende Steinkunstwerke geschaffen – ein Nachruf.
Der große St. Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust ist tot. Mit seiner Skulpturen-„ Straße des Friedens“hat er mehr als ein Ausflugsziel geschaffen. Was motivierte den Künstler, und wie sieht sein Vermächtnis aus?
ST. WENDEL Eine Skulptur zieht eine Linie sowohl zum Erdmittelpunkt wie auch ins Weltall. Und wenn sie aus Stein ist, kommt Ewigkeit mit ins Spiel. Womöglich verleiht diese kosmische Dimension Leo Kornbrusts Werken eine besondere, erhabene Qualität. Dabei sind sie doch meist ganz schlicht wie die Schrift-Stele vor der Saarbrücker Modernen Galerie. Denn Kornbrust, der Ende der 50er Jahre seine künstlerische Laufbahn figürlich begann, führte seine forschende Suche nach der „inneren Linie“des Steinkörpers in späten Jahren immer mehr ins Abstrakte, Geometrische und, ja, auch ins Monumentale. Und hätte ihn nicht vor sieben Jahren ein Schlaganfall arbeitsunfähig gemacht, hätte er wohl bis jetzt, bis zu seinem Tod mit 91 Jahren am 20. Juli, am Stein gestanden.
Man kann kaum anders, als ein wenig ehrfürchtig zu werden angesichts von Kornbrusts über 60 Jahre andauerndem künstlerischen Schaffen. Vor allem auch deshalb, weil das Kraft raubende Kunstmachen bei diesem Bildhauer nicht zu einem Eremitendasein führte, zu einem Rückzug aus der Welt, sondern, im Gegenteil, zu einem umso festeren Verknüpfen mit ihr – über die Kunst. Dafür steht die Skulpturen-„Straße des Friedens“im St. Wendeler Land, ohne Zweifel Kornbrusts bedeutendstes Vermächtnis – das eines Kosmopoliten und Pazifisten. Auf der Baltersweiler Höhe verläuft die von ihm 1971 durch ein Bildhauer-Symposion initiierte Skulpturenstraße mit über 50 Arbeiten vieler Kollegen.
Später weitete er sie zu einem völkerverbindenden Kunst-Projekt aus, zur etwa 500 Kunstwerke umfassenden „Skulpturenstraße des Friedens“, die nicht nur 5500 Kilometer zwischen Moskau und Paris überwinden sollte, sondern auch Ideologien. Kornbrust verstand sie als Verwirklichung einer Vision des jüdischen, im Konzentrationslager ermordeten Künstlers und Bildhauers Otto Freundlich (1878-1943). Auch zur Skulpturenstraße „Steine an der Grenze“des Merziger Kollegen Paul Schneider schuf Kornbrust eine Verbindung.
Heute, da das St. Wendeler Land und die saarländische Tourismuszentrale Kornbrusts Skulpturenstraße als Attraktion vermarkten, scheint es kaum vorstellbar, dass dessen Idee einer „Choreographie“von Skulpturen in der Landschaft vor 50 Jahren keineswegs nur Unterstützer fand. Er selbst verhandelte mit Steinbruchbesitzern, Grundstückseigentümern, mit Kommunen, Katasterämtern und dem Kultusministerium. Kunst im öffentlichen Raum war eben noch selten, und Kunst in den Naherholungsraum, mitten unter Wanderer und Ausflügler zu bringen, ein Wagnis. Heute sind die imposanten Steine für viele Saarländer vertraute Weggefährten geworden, man berührt sie gerne an warmen Tagen und beobachtet Farbspiele, wenn Wolken aufziehen. Kornbrusts selbst geschaffener „Liebesthron“(1979) trägt die Inschrift des Lyrikers Arnfrid Astel: „Ich komme zu mir, da wäre ich gerne.“Die Verbindung von Wort-Poesie und Form-Poesie ist charakteristisch für Kornbrusts Kunst, und ohne „Fee“undenkbar, Die, seine Ehefrau, war die bevorzugte Dichterin, wenn er Gedichtzeilen in seine Steine eingravieren ließ. Die Berliner Lyrikerin Felicitas Frischmuth war Kornbrust 1960, zwei Jahre nach der Heirat, nach St. Wendel gefolgt. Bis zu „Fees“Tod 2009 lebten die beiden Unzertrennlichen eine staunenswerte Künstler-Partnerschaft. Sie blieb ohne Kinder. Doch die beiden hinterlassen viel. Eine Kornbrust/ Frischmuth-Stiftung „Poesie und Skulptur“soll sich um den Nachlass kümmern, Kornbrusts Atelier zu einem Schauraum für eine Auswahl an Werken werden. Die lassen sich vielerorts finden, in Hüttersdorf ebenso wie in Tholey, und auch deutschlandweit, von Bremen bis München.
Der Künstler selbst hat sich nicht gern erklärt zu seinem Werk. Doch mitunter dann doch, etwa im vielfach ausgezeichneten Film Gabi Heleen-Bollingers über ihn: „Es geht nur langsam“. In einem Künstlergespräch sagte es Kornbrust mal so:
„Die Langsamkeit ist sehr wichtig. Mein Lehrer hat über die Bildhauerei gesagt: 90 Prozent sind Geduld, acht Prozent Handwerk, zwei Prozent Kunst.“
Was man noch über Kornbrusts Leben wissen sollte? Wie wichtig ihm sein Haus an der Damra war, das er dort baute, wo sein Elternhaus stand. Es liegt im Tal, unweit der Skulpturenstraße auf der Baltersweiler Höhe. Nie wollte Kornbrust aus St. Wendel weg, doch nie wurde er zum Saarland-Folkloristen. Kornbrust machte zuerst eine Schreiner- und Holzbildhauer-Lehre, bevor er dann doch an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte, die ihn 1978 an den Lehrstuhl für Bildhauerei berief. 1991 wurde er dort Prorektor.
Als Künstler fand er recht schnell Anerkennung. Bereits 1966 bekam er ein Stipendium der Villa Massimo (Rom), es folgten der Albert-Weisgerber-Preis und der Kunstpreis des Saarlandes. Renommierte Sammlungen und Museen kauften seine Werke, etwa die Kunsthalle Mannheim, die Rockefeller-Sammlung New York oder die Nationalgalerie Berlin.
2019 mache man Kornbrust zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt. Dessen Bürgermeister verneigt sich jetzt „in tiefer Trauer“vor dem „großen Bildhauer, Humanisten und Lehrer“Kornbrust, Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) nennt Kornbrust einen „visionären Künstler und charismatischen Menschen“. Auch Oskar Lafontaine (Linke) und Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) würdigen ihn, und der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU) wird sehr feierlich: „Leo Kornbrust hat uns ein Stück Ewigkeit geschenkt. Uns und unseren Nachfahren. Durch sein Werk wird er selbst ewig. Er hat dieser Welt ein Denkmal geschenkt.“Die große Betroffenheit über Kornbrusts Tod wird womöglich noch dadurch gesteigert, dass mit ihm der vermutlich letzte einer besonderen Künstler-Nachkriegs-Generation ging: Diese im Saarland geborenen Künstler und Intellektuellen wie Paul Schneider, Eugen Helmlé oder Ludwig Harig lebten mit dem Herzen in der Provinz, aber ihre Köpfe ragten weit darüber hinaus. Sie fühlten sich als Weltbürger, dem Frieden tief verpflichtet.