Saarbruecker Zeitung

Der St. Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust hat bedeutende Steinkunst­werke geschaffen – ein Nachruf.

Der große St. Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust ist tot. Mit seiner Skulpturen-„ Straße des Friedens“hat er mehr als ein Ausflugszi­el geschaffen. Was motivierte den Künstler, und wie sieht sein Vermächtni­s aus?

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS Produktion dieser Seite: Alexander Stallmann Manuel Görtz

ST. WENDEL Eine Skulptur zieht eine Linie sowohl zum Erdmittelp­unkt wie auch ins Weltall. Und wenn sie aus Stein ist, kommt Ewigkeit mit ins Spiel. Womöglich verleiht diese kosmische Dimension Leo Kornbrusts Werken eine besondere, erhabene Qualität. Dabei sind sie doch meist ganz schlicht wie die Schrift-Stele vor der Saarbrücke­r Modernen Galerie. Denn Kornbrust, der Ende der 50er Jahre seine künstleris­che Laufbahn figürlich begann, führte seine forschende Suche nach der „inneren Linie“des Steinkörpe­rs in späten Jahren immer mehr ins Abstrakte, Geometrisc­he und, ja, auch ins Monumental­e. Und hätte ihn nicht vor sieben Jahren ein Schlaganfa­ll arbeitsunf­ähig gemacht, hätte er wohl bis jetzt, bis zu seinem Tod mit 91 Jahren am 20. Juli, am Stein gestanden.

Man kann kaum anders, als ein wenig ehrfürchti­g zu werden angesichts von Kornbrusts über 60 Jahre andauernde­m künstleris­chen Schaffen. Vor allem auch deshalb, weil das Kraft raubende Kunstmache­n bei diesem Bildhauer nicht zu einem Eremitenda­sein führte, zu einem Rückzug aus der Welt, sondern, im Gegenteil, zu einem umso festeren Verknüpfen mit ihr – über die Kunst. Dafür steht die Skulpturen-„Straße des Friedens“im St. Wendeler Land, ohne Zweifel Kornbrusts bedeutends­tes Vermächtni­s – das eines Kosmopolit­en und Pazifisten. Auf der Balterswei­ler Höhe verläuft die von ihm 1971 durch ein Bildhauer-Symposion initiierte Skulpturen­straße mit über 50 Arbeiten vieler Kollegen.

Später weitete er sie zu einem völkerverb­indenden Kunst-Projekt aus, zur etwa 500 Kunstwerke umfassende­n „Skulpturen­straße des Friedens“, die nicht nur 5500 Kilometer zwischen Moskau und Paris überwinden sollte, sondern auch Ideologien. Kornbrust verstand sie als Verwirklic­hung einer Vision des jüdischen, im Konzentrat­ionslager ermordeten Künstlers und Bildhauers Otto Freundlich (1878-1943). Auch zur Skulpturen­straße „Steine an der Grenze“des Merziger Kollegen Paul Schneider schuf Kornbrust eine Verbindung.

Heute, da das St. Wendeler Land und die saarländis­che Tourismusz­entrale Kornbrusts Skulpturen­straße als Attraktion vermarkten, scheint es kaum vorstellba­r, dass dessen Idee einer „Choreograp­hie“von Skulpturen in der Landschaft vor 50 Jahren keineswegs nur Unterstütz­er fand. Er selbst verhandelt­e mit Steinbruch­besitzern, Grundstück­seigentüme­rn, mit Kommunen, Katasteräm­tern und dem Kultusmini­sterium. Kunst im öffentlich­en Raum war eben noch selten, und Kunst in den Naherholun­gsraum, mitten unter Wanderer und Ausflügler zu bringen, ein Wagnis. Heute sind die imposanten Steine für viele Saarländer vertraute Weggefährt­en geworden, man berührt sie gerne an warmen Tagen und beobachtet Farbspiele, wenn Wolken aufziehen. Kornbrusts selbst geschaffen­er „Liebesthro­n“(1979) trägt die Inschrift des Lyrikers Arnfrid Astel: „Ich komme zu mir, da wäre ich gerne.“Die Verbindung von Wort-Poesie und Form-Poesie ist charakteri­stisch für Kornbrusts Kunst, und ohne „Fee“undenkbar, Die, seine Ehefrau, war die bevorzugte Dichterin, wenn er Gedichtzei­len in seine Steine eingravier­en ließ. Die Berliner Lyrikerin Felicitas Frischmuth war Kornbrust 1960, zwei Jahre nach der Heirat, nach St. Wendel gefolgt. Bis zu „Fees“Tod 2009 lebten die beiden Unzertrenn­lichen eine staunenswe­rte Künstler-Partnersch­aft. Sie blieb ohne Kinder. Doch die beiden hinterlass­en viel. Eine Kornbrust/ Frischmuth-Stiftung „Poesie und Skulptur“soll sich um den Nachlass kümmern, Kornbrusts Atelier zu einem Schauraum für eine Auswahl an Werken werden. Die lassen sich vielerorts finden, in Hüttersdor­f ebenso wie in Tholey, und auch deutschlan­dweit, von Bremen bis München.

Der Künstler selbst hat sich nicht gern erklärt zu seinem Werk. Doch mitunter dann doch, etwa im vielfach ausgezeich­neten Film Gabi Heleen-Bollingers über ihn: „Es geht nur langsam“. In einem Künstlerge­spräch sagte es Kornbrust mal so:

„Die Langsamkei­t ist sehr wichtig. Mein Lehrer hat über die Bildhauere­i gesagt: 90 Prozent sind Geduld, acht Prozent Handwerk, zwei Prozent Kunst.“

Was man noch über Kornbrusts Leben wissen sollte? Wie wichtig ihm sein Haus an der Damra war, das er dort baute, wo sein Elternhaus stand. Es liegt im Tal, unweit der Skulpturen­straße auf der Balterswei­ler Höhe. Nie wollte Kornbrust aus St. Wendel weg, doch nie wurde er zum Saarland-Folklorist­en. Kornbrust machte zuerst eine Schreiner- und Holzbildha­uer-Lehre, bevor er dann doch an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte, die ihn 1978 an den Lehrstuhl für Bildhauere­i berief. 1991 wurde er dort Prorektor.

Als Künstler fand er recht schnell Anerkennun­g. Bereits 1966 bekam er ein Stipendium der Villa Massimo (Rom), es folgten der Albert-Weisgerber-Preis und der Kunstpreis des Saarlandes. Renommiert­e Sammlungen und Museen kauften seine Werke, etwa die Kunsthalle Mannheim, die Rockefelle­r-Sammlung New York oder die Nationalga­lerie Berlin.

2019 mache man Kornbrust zum Ehrenbürge­r seiner Heimatstad­t. Dessen Bürgermeis­ter verneigt sich jetzt „in tiefer Trauer“vor dem „großen Bildhauer, Humanisten und Lehrer“Kornbrust, Kulturmini­sterin Christine Streichert-Clivot (SPD) nennt Kornbrust einen „visionären Künstler und charismati­schen Menschen“. Auch Oskar Lafontaine (Linke) und Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) würdigen ihn, und der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwal­d (CDU) wird sehr feierlich: „Leo Kornbrust hat uns ein Stück Ewigkeit geschenkt. Uns und unseren Nachfahren. Durch sein Werk wird er selbst ewig. Er hat dieser Welt ein Denkmal geschenkt.“Die große Betroffenh­eit über Kornbrusts Tod wird womöglich noch dadurch gesteigert, dass mit ihm der vermutlich letzte einer besonderen Künstler-Nachkriegs-Generation ging: Diese im Saarland geborenen Künstler und Intellektu­ellen wie Paul Schneider, Eugen Helmlé oder Ludwig Harig lebten mit dem Herzen in der Provinz, aber ihre Köpfe ragten weit darüber hinaus. Sie fühlten sich als Weltbürger, dem Frieden tief verpflicht­et.

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Der bedeutende Bildhauer Leo Kornbrust blieb dem Saarland bis zu seinem Lebensende treu.

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