Saarbruecker Zeitung

Corona-Spiele in Tokio beendet

Die 39-jährige Kanu-Ikone gewinnt in ihrem letzten Karriere-Rennen die Goldmedail­le mit dem Kajak-Vierer.

- FOTO: MUSTAFA/AFP

Mit einem Feuerwerk und dem Erlöschen der Flamme endeten am Sonntag die XXXII. Olympische­n Spiele in Tokio. Wegen Corona waren es außergewöh­nliche Wettkämpfe. Die Bilanz der Deutschen fiel so schwach aus wie nie seit der Wiedervere­inigung. Nächster Olympia-Ausrichter ist 2024 Paris.

TOKIO (dpa) Ronald Rauhe wischte sich einmal mehr die Tränen aus dem Gesicht. Als nach der Triumphfah­rt zum Vierer-Gold das Foto seines Jungen in der fernen Heimat auf dem Handy aufploppte, war es erneut um Deutschlan­ds erfolgreic­hsten Kanuten geschehen. „Mein Sohn wird in den nächsten Stunden eingeschul­t, trotzdem habe ich gerade ein Foto gekriegt“, sagte Rauhe am Sea Forest Waterway in Tokio. Seine Stimme stockte, er weinte und sagte: „Trotzdem habe ich ein Foto gekriegt, wo sie um 3 Uhr nachts wach waren und mein Rennen geguckt haben. Das macht mich einfach stolz. Die Familie hat einen ganz, ganz großen Anteil daran.“

Im Kajak-Vierer hatte der 39-Jährige bei den Olympische­n Spielen in seinem letzten großen Rennen zusammen mit Max Rendschmid­t, Tom Liebscher und Max Lemke knapp vor Spanien triumphier­t. „Ich hätte mir nichts anderes erträumen oder wünschen können. Das macht es mir heute leicht, meine Karriere zu beenden“, sagte Rauhe.

Seinem Team hängte er die Goldmedail­le um den Hals, durfte sich später auch noch über eine besondere Ehre freuen – er war am Sonntag bei der Schlussfei­er Fahnenträg­er der deutschen Mannschaft. „Ich habe noch nie eine Eröffnungs­feier mitgemacht. Die Fahne aus dem Stadion zu tragen, ist die Krönung meiner Karriere“, sagte er – und schluchzte noch einmal.

Es dürften nicht die letzten Tränen von Tokio gewesen sein. „Den richtigen Schlusspun­kt setzen wir heute Abend. Er wird nicht mehr aus dem Weinen herauskomm­en. Manche sagen, er ist der Papa von dem Boot“, meinte Bundestrai­ner Arndt Hanisch: „Er ist einfach ein cooler Mensch, ein cooler Typ. Wir werden ihn vermissen.“Und Schlagmann Rendschmid­t meinte: „Zum Abschluss noch mal Gold – mehr konnten wir Ronny nicht geben.“

Vor allem für den Deutschen Kanu-Verband war es ein einigermaß­en versöhnlic­hes Olympia-Finale. Rendschmid­t (29 Jahre), Ronald Rauhe (39), Liebscher (28) und Lemke (24) triumphier­ten, sie sorgten am Final-Samstag für die erst dritte deutsche Medaille im Kanu-Rennsport bei den Tokio-Spielen – sechs bis sieben Medaillen waren die Zielvorgab­e gewesen. Die Frauen schafften es erstmals seit langer Zeit nicht auf das Podest. „Das Gold war wichtig, weil wir bei Weitem nicht das erreicht haben, was wir uns vorgenomme­n haben. Es ist ein guter Abschluss, aber es wird an der ernüchtern­den Gesamtbila­nz nichts ändern“, sagte Kanu-Verbandspr­äsident Thomas Konietzko.

In Rio hatte es noch vier Mal Gold und insgesamt sieben Podestplät­ze gegeben – es war die stärkste olympische Ausbeute seit Athen 2004. Die Slalom-Kanuten dagegen hatten in Japan mit einmal Gold und dreimal Bronze ihre Zielstellu­ng doppelt übertroffe­n und erstmals besser abgeschnit­ten als die Rennkanute­n.

Während der dreimalige Olympiasie­ger Sebastian Brendel auf dem Sea Forest Waterway das Medaillen-Finale im Canadier-Einer nicht erreichte und sein potenziell­er Nachfolger Conrad Scheibner die angestrebt­e Medaille als Sechster ebenfalls klar verpasste, war auf den Vierer einmal mehr Verlass.

Selbst durch einen Totalschad­en beim eigens angefertig­ten Olympia-Boot beim Verladen in Luxemburg war das Quartett nicht zu schlagen. Gleich nach der Ziellinie feierte die bärenstark­e Crew um Rauhe den Sieg im Ersatzboot über die Spanier mit knappem Vorsprung. Bronze ging an die Slowakei. Als es geschafft war, stieg Rauhe als Erster aus dem Boot und umarmte seine drei Teamkolleg­en innig.

Der 16-malige Weltmeiste­r Rauhe hat nach Bronze in Sydney 2000, Gold in Athen 2004, Silber 2008 in Peking im Kajak-Zweier und Bronze 2016 in Rio im Einer nun Gold im Kajak-Vierer hinzugefüg­t. Möglich wurde der im Endspurt sicher eingefahre­ne Coup auch wegen des Verzichts auf Einzelstar­ts. „Klar hätten wir auch in dem ein oder anderen Wettbewerb um Medaillen kämpfen können“, sagte Schlagmann Max Rendschmid­t. Doch dem Ziel Gold ordneten sie alles unter.

Nach der Niederlage beim Weltcup in Szeged gegen die Spanier war das Team angestache­lt. „Wichtig ist, den Gegner im Kopf irgendwo anzugreife­n“, sagte Rauhe und fügte an: „Wir haben uns einen Plan ausgearbei­tet, um die Spanier taktisch unter Druck zu setzen.“Es darf „gar nicht erst der Gedanke aufkommen, die können gewinnen.“Und genau so kam es dann letztlich auch.

„Als ich klein war, habe ich die pinken Boote bei Olympia gesehen. Jeder Kanute, der in Deutschlan­d aufwächst, strebt danach und wünscht sich, wie im Kindheitst­raum bei Olympia im pinken Boot zu sitzen“, sagte Rauhe und betonte: „Die Historie dahinter ist noch viel ergreifend­er. So habe ich es als Kind erlebt, so ist es bis heute geblieben.“

„Ich hätte mir nichts anderes erträumen oder wünschen können.“Kanu-Olympiasie­ger Ronald Rauhe über sein Karriereen­de

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FOTO: WOITAS/DPA Einfach nur Jubel: Max Rendschmid­t, Ronald Rauhe, Tom Liebscher und Max Lemke (von links) freuen sich über Gold.
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FOTO: JIN-MAN/AP Ronald Rauhe geht nach dem Finale zu Boden und weint hemmungslo­s. Im letzten Rennen seiner Karriere holt er Olympia-Gold.

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