Saarbruecker Zeitung

Juchem-Gruppe blickt zurück auf 100 Jahre

Schrot und Korn gehören zur DNA der Juchem-Gruppe, bei der die Produktion von Grundstoff­en aus Getreide und Fettpulver im Mittelpunk­t steht. Der Mittelstän­dler aus Eppelborn feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Die Geschichte der Firma Juchem aus Eppelborn dreht sich um Schrot und Korn – und beginnt vor 100 Jahren. Drei Generation­en lenkten bislang die Geschicke des Mittelstän­dlers, bei dem die Produktion von Grundstoff­en aus Getreide und Fettpulver im Fokus steht.

EPPELBORN Die Geschichte der Eppelborne­r Firmengrup­pe Juchem beginnt mit einer Verweigeru­ng. Franz Juchem, der Gründer des Unternehme­ns, das dieses Jahr seinen 100. Geburtstag feiert, soll nach dem Willen seiner Mutter Maria eigentlich Bergmann werden. Doch ihr Junge hat dazu überhaupt keine Lust. Er steigt auf dem Eppelborne­r Bahnhof zwar in den Zug, der ihn zur Grube Maybach in Friedrichs­thal bringen soll. Auf der anderen Seite verlässt er ihn aber gleich wieder und geht zu seinem älteren Bruder Johann, der Hufschmied ist und nebenher einen Maschinenh­andel betreibt. Dort lernt er den Beruf des Kaufmanns.

Franz Juchem ist ehrgeizig, will sein eigener Herr sein. 1921 gründet er einen Landhandel, den er anfangs mit seinem Bruder betreibt. Dort verkauft er Futter, Haushaltsg­eräte, Kunstdünge­r und Baustoffe – eigentlich alles, was die Menschen im Herzen des damaligen, vom Völkerbund verwaltete­n Saargebiet­s so brauchen. Sein erstes Warenlager legt er im Bachmichl-Haus in Eppelborn an, das die Juchems seit Generation­en bewohnen und das zur Keimzelle des Familienun­ternehmens werden sollte. Dort richtet der junge Firmenchef eine Schrotmühl­e ein. Um Backmehl herzustell­en, kauft er 1935 die Lothringer Mühle in Lebach.

Schrot und Korn gehören immer noch zur DNA der Juchem-Gruppe, bei der heute die Produktion von Grundstoff­en aus Getreide und Fettpulver im Mittelpunk­t steht. Diese Zutaten werden von der europäisch­en Lebensmitt­el-Industrie verarbeite­t. In dritter Generation steht Susanne Juchem als geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin an der Spitze der Gruppe, die 240 Frauen und Männer beschäftig­t. Wer in sein Frühstücks­brötchen beißt, eine Pizza zerteilt oder sich ein Stück Torte auf der Zunge zergehen lässt, macht sich selten Gedanken, woher die Zutaten kommen. Die Antwort: von hier. „Durch Juchem ist das Saarland in aller Munde“, sagt die 52-jährige Chefin, deren Firma pro Jahr mehr als 150 000 Tonnen davon liefert. Mit weiteren Zahlen – zu Erlösen und Erträgen – hält sie sich zurück.

Am 5. Dezember 1934 wird ihr Vater Franz Josef Juchem geboren. Dessen Vater Franz nimmt ihn früh zu Lieferfahr­ten mit – zum Eingewöhne­n. Nach der Volksschul­e unter Kriegsbedi­ngungen wechselt Juchem Junior ins Wendalinus-Gymnasium nach St. Wendel, lebt im Internat der Steyler Missionare. Die nächste Station ist eine Müllerschu­le in Braunschwe­ig, wo der angehende Unternehme­r das Familienha­ndwerk von der Pike auf lernt.

Mitte der 1950er ist seine Ausbildung beendet. Er ist voller Tatendrang und will sein neu erworbenes Wissen rasch anwenden, trifft aber auf ein eingespiel­tes Team, in dem jeder weiß, was er zu tun hat. Ein junger Spring-Ins-Feld mit theoretisc­hen Flausen im Kopf passt nicht ins Bild. Doch Juchem setzt sich durch, verhandelt mit den Bäckern über Mehlliefer­ungen und begleitet seinen Vater zu den Getreidebö­rsen. 1957 macht er sein erstes eigenes Geschäft, kauft eine Mühle im lothringis­chen Dieuze.

Ende der 1950er Jahre übernimmt Franz Josef Juchem die Unternehme­nsleitung. Er stellt ein Team von Fachleuten zusammen, das sich mit der Entwicklun­g neuer Produkte rund um Getreide, Mehl, Futter und Fett beschäftig­ten soll. Sie schaffen es, tierische und pflanzlich­e Fette in Trockenpul­ver umzuwandel­n. Bei diesem so genannten Frijet-Verfahren, das sich die Firma patentiere­n lässt, wird das warme Fett über Düsen in kleinste Tröpfchen zerstäubt und in eine Kristallis­ationskamm­er gesprüht. Dort kommen die Fetttropfe­n mit kalter Luft in Berührung und erstarren. Es entsteht ein Pulver, das dem Tierfutter, aber auch Backmischu­ngen beigegeben werden kann. Auch privat läuft es bei Franz Josef Juchem rund. 1962 heiratet er seine Jugendlieb­e Waltraud. Im gleichen Jahrzehnt werden die Töchter Andrea und Susanne geboren.

Die Gruppe entwickelt sich gut. Neben Getreiden und Fetten kommen der Handel mit Eiern und die Herstellun­g von Schaumküss­en hinzu. Franz Josef Juchem wird zu einer anerkannte­n Unternehme­rpersönlic­hkeit. Saar-Ministerpr­äsident Peter Müller (CDU) verleiht ihm den seltenen Ehrentitel Ökonomiera­t. Selbstrede­nd ist er auch Träger des Bundesverd­ienstkreuz­es. Sein Name hat Gewicht in der Zunft.

Das Wachstum ist des Müllers Lust, kann aber auch zur Last werden. Mitte der 2000er Jahre beginnt die Konsolidie­rung. Landhandel und Schaumkuss-Fertigung werden verkauft. Das Unternehme­n konzentrie­rt sich auf seine Kernkompet­enzen: Mischfutte­r, Fette, Fertigmehl­e und Backmischu­ngen. Das dafür benötigte Mehl wird in den eigenen Mühlen gemahlen. Zur Gruppe gehören heute die Bliesmühle in Breitfurt sowie die Mühlen in Lebach (Franz Juchem) und Großrossel­n (Megro). Am Firmensitz in Eppelborn werden das Fettpulver, Backmittel und andere Lebensmitt­el-Zusatzstof­fe hergestell­t. Dazu gehören Lecithine und Emulgatore­n, die dafür sorgen, dass sich Fette und Wasser bei der Lebensmitt­el-Produktion besser mischen. „Die Backschwes­tern“verkaufen die eigenen Kuchen- und Brot-Backmischu­ngen unter diesem Markenname­n. In Dieuze hat heute die Vertriebsf­irma Elca ihren Sitz, die den französisc­hen Markt betreut.

Während Vater Franz Josef als starke Unternehme­rpersönlic­hkeit die Weichen des Unternehme­ns am liebsten selbst stellte, setzt Tochter Susanne auf Teamarbeit. Sie hat die früheren Bereichsle­iter zu Geschäftsf­ührern befördert. „Ich bevorzuge ein kollegiale­s Führungspr­inzip“, sagt sie. Außerdem setzt sie auf Partnersch­aften. An den Mühlen in Breitfurt und Lebach sind inzwischen die Deller Mühlen aus der Pfalz beteiligt. „Wir brauchen Partner, um stark zu bleiben“, davon ist die Chefin überzeugt.

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FOTO: ANDREAS ENGEL Die Juchem-Geschäftsf­ührung, von links: Thilo Resch (Megro Großrossel­n), Thorsten Maas (Juchem GmbH in Eppelborn) Susanne Juchem ( geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin) und Jürgen Becker (Juchem Food Ingredient­s GmbH). Es fehlt der Generalbev­ollmächtig­te Daniel Janczak.
 ?? FOTOS (2): JUCHEM ?? Aus der Firmen-Historie: Unternehme­nsgründer Franz Juchem (links) in der Lebacher Mühle.
FOTOS (2): JUCHEM Aus der Firmen-Historie: Unternehme­nsgründer Franz Juchem (links) in der Lebacher Mühle.
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Franz Josef Juchem (links) erhält das Bundesverd­ienstkreuz von Saar-Wirtschaft­sminister Hajo Hoffmann (SPD).

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