Saarbruecker Zeitung

Schwaches Olympia-Ergebnis muss analysiert werden

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Die Tabelle lügt nicht, sagen Fußballer, wenn alle Spieltage gespielt sind. Und der Medaillens­piegel bei Olympia? Den sollte man zwar nicht überbewert­en, aber er ist doch ein ganz guter Indikator der aktuellen Stärke respektive Schwäche des deutschen Spitzenspo­rts. „Team D“beendete die Sommerspie­le in Tokio mit der schlechtes­ten Bilanz seit der Wiedervere­inigung und den Spielen in Barcelona 1992 auf Rang neun. Dabei gab es durch neue Sportarten diesmal deutlich mehr Wettbewerb­e. Nur zehn Mal Gold, elf Mal Silber und 16 Mal Bronze bedeuten einen Platz hinter Ländern wie Frankreich oder den Niederland­en, letztere haben deutlich weniger als ein Viertel der deutschen Einwohnerz­ahl. Peinliches Warnzeiche­n oder nur ein Corona-bedingter Ausrutsche­r?

Die Top 3 oder Top 5, früher meist erreicht, sind in weite Ferne gerückt. Zum Vergleich: 2016 in Rio hatte es als Fünfter noch 17 Goldmedail­len gegeben. Die Gründe für die Misere im Zeichen der fünf Ringe sind vielfältig. Etliche deutsche Athleten hatten schlichtwe­g etwas Pech, viele andere aber schöpften ihr Potenzial auch bei weitem nicht aus. Neben Pleiten, Pech und Pannen fehlte oft aber auch schlichtwe­g die Qualität, zudem haben sich andere Nationen stark entwickelt und aufgeholt. In Sportarten wie Badminton, Boxen, Taekwondo oder Surfen erreichten die deutschen Teilnehmer nicht mal einen Finalplatz. In den medaillenl­osen Mannschaft­ssportarte­n oder in früheren Paradedisz­iplinen wie Springreit­en, Fechten oder Rudern ist die Weltspitze davongezog­en. Auch positive Überraschu­ngen wie Tennis-Profi Alexander Zverev oder in den Diszipline­n Kanu, Schwimmen und Ringen täuschen nicht darüber hinweg, dass das Gesamtteam unter den Erwartunge­n lag und man das enttäusche­nde Abschneide­n nicht einfach zu den Akten legen darf, sondern daraus lernen muss.

Dass die 2016 aufgesetzt­e und potenzialo­rientierte Leistungss­portreform zu Beginn des kommenden Jahres vollständi­g umgesetzt wird, genügt vielleicht nicht. Es gilt auch, neue Konzepte zu entwickeln. Und zu lernen. Zum Beispiel bei den in der Leichtathl­etik plötzlich so starken Italienern. Was machen die besser als hierzuland­e? Klar, etwas Geld muss wohl investiert werden. Denn gerade die „kleinen“und nur alle vier Jahre im Rampenlich­t stehenden Sportarten und ihre Protagonis­ten können manchmal auch als Olympiasie­ger kaum von ihrem Sport leben. Geld ist aber nicht alles.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der schon vor Olympia nur eine Platzierun­g zwischen sieben und zwölf erwartet hatte, gehört grundlegen­d reformiert, fordert zum Beispiel Ex-Schwimmsta­r Michael Groß. Der umstritten­e und scheidende DOSB-Präsident Alfons Hörmann mahnte an, das System der Sportförde­rung zu „vereinfach­en und entbürokra­tisieren“, wie es bei einigen internatio­nalen Konkurrent­en der Fall sei. Viel Zeit zum Nachsteuer­n bleibt den deutschen Sommerspor­t-Verbänden indes nicht. Bis Paris 2024 sind es durch die Corona-bedingte Verschiebu­ng der Tokio-Spiele nur drei Jahre. Denn dann soll die Tabelle wieder freundlich­er aussehen.

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