Drei Frauen, viel komische Kriminalität
Ein Geister-Känguru im Nord-Saarland. Eine alte Frau mit einer Mörsergranate in der Saarbahn. Ein flüchtiger Verbrecher, den niemand sucht, schon gar nicht die Polizei. Das ist die Welt, in der Danielle Deckert, Nicola Loës und Antonia Seiler viel Spaß haben.
SAARBRÜCKEN Die saarländische Unterwelt hat Untiefen. Und manchmal ist hierzulande das, was aus dem Sumpf des Verbrechens nach oben blubbert, regelrecht komisch. Nicht mal diejenigen, die fest davon überzeugt sind, dass sie Verbrecher sind, haben eine Ahnung davon, wie oberflächlich ihre Unterwelt doch ist. Da war zum Beispiel dieser Typ, der es einfach nervlich nicht mehr aushielt, ständig der
Polizei entkommen zu müssen. Er konnte nicht mehr, entschied sich, für seine schlimmen Sachen zu büßen, betrat eine Polizeiinspektion und kapitulierte: „Verhaften Sie mich, ich bin seit einem Jahr auf der Flucht“, soll er gesagt haben. Die Polizei gab sich Mühe, aber es fand sich nichts, was dem Mann zur Last gelegt wurde – geschweige denn ein Haftbefehl.
Danielle Deckert, Nicola Loës und Antonia Seiler lieben solche Geschichten. „Hobbykriminologinnen“nennen sich die drei Frauen, die, wie sie sagen, „nicht nur eine enge Freundschaft, sondern auch der gemeinsame Sinn für Humor und die Liebe zu den kleinen Schrulligkeiten des Alltags“verbindet.
Zu diesem Interesse am Abgründigen und dieser Art des Humors kamen vor gut einem Jahr die Folgen der Pandemie und Spaghetti-Eis. Bei Letzterem saßen die drei Frauen zusammen. Danielle habe „einen ihrer Lieblingsfälle“erzählt, erinnern sich Antonia und Nicola. Es ging da irgendwie um einen Hund, über den jemand auf einem Supermarktparkplatz gestürzt ist, was dann zu einem Schaden an einem Auto geführt hat. Oder so ähnlich. So genau können sich Nicola und Antonia nicht erinnern. Und Danielle ist gerade nicht da.
Alle drei hatten jedenfalls auf unterschiedliche Art mit der Krise zu kämpfen. Nicola musste ihr im März frisch übernommenes Bekleidungsgeschäft in der Eisenbahnstraße gleich coronabedingt wieder schließen. Danielle hatte als freie Texterin und Autorin auf einen Schlag deutlich weniger Aufträge. Antonia war in ihrer Eventagentur seit Monaten in Kurzarbeit. „Es gab also viel freie Zeit und nicht viel zu lachen“, erinnert sich Antonia. Um so naheliegender war der Gedanke, „etwas nicht so Ernstes zu machen, weil wir uns ja auch selbst nicht so ernst nehmen“, sagt Nicola.
Warum also nicht die Geschichten aus der Welt des saarländischen Verbrechens auch anderen erzählen. Podcasts, also eine Art Radioprogramm, in denen es um True Crime, also um echte Verbrechen geht, „sind gerade in“, sagt Nicola. Die meisten dieser Podcasts beschäftigen sich aber mit schaurigen Sachen. Danielle Deckert, Nicola Loës und Antonia Seiler wollten aber keine Geschichte erzählen, die vor Blut triefen und bei denen man Gänsehaut bekommt. Sie wollten lieber „skurrile Komik“präsentieren. Der Podcast „Saarcrime – Kriminelles und Kokolores aus dem Saarland“war geboren.
Ihre Fälle entdecken die drei Frauen in der Zeitung oder auf der Internetseite der Polizei. Inzwischen schicken auch einige der rund 800 Menschen, die den Podcast regelmäßig hören, Hinweise auf schräge Geschichten aus der Welt des Verbrechens. Wobei Verbrechen natürlich ein großes Wort sei. In den rund 30 Minuten langen Stücken, in denen sich die drei Frauen über merkwürdige Polizeimeldungen unterhalten, geht es immer um „Fälle, in denen niemand ernsthaft verletzt wurde“, sagt Antonia.
Da war zum Beispiel die Geschichte mit der alten Dame, die zuhause beim Aufräumen eine alte Mörsergranate gefunden, sich mit ihr in die Saarbahn gesetzt und sie zur Waffenbehörde gebracht hat. Die Geschichte haben die Frauen
„Wenn man zum Beispiel ein Bier klaut, sollte man es nicht gleich vor Ort trinken. Das kann dazu führen, dass man erwischt wird.“Nicola Loës
in dieser Zeitung gelesen. Eine perfekte Geschichte für den Podcast, dessen 16. Folge soeben ins Internet gestellt wurde. „Das mit dieser alten Frau ist absolut verrückt, aber es ist nichts Schlimmes passiert“, erklärt Antonia. Ähnlich ist es mit dem Geister-Känguru, das immer wieder in Polizeimeldungen aus dem Nord-Saarland auftaucht. „Das scheint seit Jahren auf der Flucht zu sein“, sagt Antonia.
Und durch einige Geschichten könne man auch etwas lernen, sagt Nicola. Zum Beispiel: „Man sollte sich nicht zu lange an dem Ort aufhalten, an dem man das Verbrechen begeht. Wenn man zum Beispiel ein Bier klaut, sollte man es nicht gleich vor Ort trinken. Das kann dazu führen, dass man erwischt wird.“
Der Podcast ist kostenlos. „Wir machen das nur zum Spaß“, sagt Antonia. Verbrechen lohnt sich also auch nicht für die, die davon erzählen? Na, ja, so sei das auch nicht. Die
Saarcrime-Erzählerinnen trinken in jeder Sendung eine Flasche Crémant zusammen. Der werde immer von Fans der Sendung gesponsert. Es habe auch schon jemand Snacks spendiert. So gesehen lohne sich Verbrechen also schon. Nun werde aber noch ein Sponsor gesucht, der eine bessere technische Ausstattung finanziert. Dadurch werden die Geschichten nicht noch komischer, aber die Hörerinnen und Hörer hätten noch mehr Spaß.