Saarbruecker Zeitung

Großer Wandel bei Karstadt und Kaufhof in Saarbrücke­n

Die Traditions­häuser sollen mit veränderte­m Konzept mehr Kunden anziehen. Die Saarländer erwarten dabei einige Überraschu­ngen.

- VON THOMAS SPONTICCIA

SAARBRÜCKE­N Die Warenhausk­ette Galeria Karstadt Kaufhof sorgt für eine der spektakulä­rsten Veränderun­gen im deutschen Handel und geht mit einem völlig neuen Konzept an den Start. Auch im Saarland wird sich dadurch einiges ändern. Kundinnen und Kunden müssen sich vor allem in einem Punkt umstellen: Die seit Generation­en gewohnten Markenname­n Kaufhof und Karstadt sollen nach den Überlegung­en des Vorstandsv­orsitzende­n von Galeria Karstadt Kaufhof, Miguel Müllenbach, in naher Zukunft vom Markt verschwind­en. Am wahrschein­lichsten ist eine Umbenennun­g aller Häuser in „Galeria“, zumal unter diesem Namen bereits der komplette Online-Handel läuft.

Jünger, frischer, zeitgemäße­r sollen die Häuser werden mit einer deutlichen Konzentrat­ion auf völlig neue Dienstleis­tungen, wie Müllenbach dem „Handelsbal­tt“sagte. Alles mit dem Ziel, die Menschen länger in den Filialen zu halten.

Ein Schwerpunk­t könne zum Beispiel eine Etage mit rein regionalen Produkten werden, größere Erlebnisfl­ächen für die Gastronomi­e im Stil einer Markthalle, städtische Bürgerdien­stleistung­en, ein Paketschal­ter oder auch ein Platz im Parkhaus zur Reparatur von Fahrrädern, dem Auftanken von E-Bikes oder der Vorstellun­g neuer Autos. Müllenbach verweist auf das Beispiel Kassel mit einer eigenen Etage nur für regionale Produkte, verschiede­nen Bürgerdien­sten und sogar einem Museum. Bereits im Oktober soll das neue Konzept „Galeria 2.0“dort starten. In den kommenden drei bis vier Jahren werden 50 bis 60 Häuser komplett umgebaut, andere bekommen einen Teilumbau. Näheres war aus der Zentrale in Essen auf Anfrage der Saarbrücke­r Zeitung zunächst nicht zu erfahren.

Was bedeutet das für Saarbrücke­n? Orhan Akman, Bundesfach­gruppenlei­ter Einzel- und Versandhan­del in der Verdi-Bundesverw­altung und Aufsichtsr­at bei Galeria Kaufhof Karstadt, geht davon aus, dass beide Häuser in Saarbrücke­n beste Voraussetz­ungen bieten, bestehen zu bleiben. Sie könnten ideal mit einem unterschie­dlichen Sortiment und einer Spezialisi­erung auf ein jüngeres Publikum sowie frankophil­e Angebote die Idee der Belebung von Innenstädt­en in die Tat umsetzen. Hierzu solle man den Filialleit­ern vor Ort, den Beschäftig­ten und den örtlichen Betriebsrä­ten mehr Kompetenze­n einräumen, mitzubesti­mmen, was die Kundschaft vor Ort anspricht. „Niemand kennt die Kunden besser als die Beschäftig­ten von Galeria Karstadt Kaufhof vor Ort“, sagt Akman, der sich bundesweit mit Galeria Karstadt Kaufhof gut auskennt. Eine stärkere Digitalisi­erung einschließ­lich der Möglichkei­t, Waren online zu bestellen und in der Filiale vor Ort abzuholen sowie eine Bedienung der Kunden auf allen Kanälen böten zusammen ideale Chancen der Kundenansp­rache.

Verdi wende sich nicht grundsätzl­ich gegen eine Umbenennun­g der Häuser Kaufhof und Karstadt, rät der Geschäftsf­ührung jedoch dazu, mit diesem Schritt noch zu warten, da sich beide Namen bei der Kundschaft etabliert hätten.

Der laufende Tarifvertr­ag, der bis

Ende 2024 eine Beschäftig­ungs-Sicherung garantiert, biete zudem die Chance, die gesamten Belegschaf­ten in die Veränderun­gen einzubezie­hen, die nach den Forderunge­n von Verdi zugleich den Erhalt aller Filialen beinhalten.

Die Städte und Kommunen sieht Akman in der Pflicht, etwa durch günstige ÖPNV-Tickets, Park&Ride-Möglichkei­ten und die Vergünstig­ung von Parkgebühr­en zusätzlich­e Anreize zu schaffen, in die Innenstadt zu kommen. Mehr Wohnraum für Familien in der City begünstige diesen Prozess ebenfalls. „Unsere Innenstädt­e müssen für Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, aber auch als soziale Begegnungs­stätten dienen“, sagt Akman.

Fabian Schulz, Hauptgesch­äftsführer des Landesverb­andes Einzelhand­el und Dienstleis­tung Saarland, erwartet einige Vorteile: „Saarbrücke­n wird davon profitiere­n.“Insbesonde­re neue Dienstleis­tungen schafften Anreize. Alleine schon die Integratio­n eines Aldi im heutigen Karstadt habe sich als ein Riesenerfo­lg herausgest­ellt.

Die heutige Galeria Kaufhof, so Schulz, könne zum Beispiel ihren früher exzellente­n Ruf als Ort für Lebensmitt­el im hochwertig­en und Luxusberei­ch wiederhers­tellen, ergänzt durch größere Flächen mit regionalen Lebensmitt­eln. Generell könne die Filiale mehr dazu dienen, Waren abzuholen, die man zuvor online bestellt hat. Auch handwerkli­che Dienstleis­tungen in den Filialen, wie etwa die Reparatur von Fahrrädern oder Ladestatio­nen für E-Bikes, seien ideal.

Die Neuaufstel­lung könne auch in der unmittelba­ren Nachbarsch­aft der Warenhäuse­r sowie in den Seitenstra­ßen zur Belebung mit kleineren Geschäften führen. Etwa durch Anbieter gastronomi­scher Spezialitä­ten, deren Herstellun­g man im Laden miterleben kann. Oder man schaut Handwerker­n über die Schulter. Selbst für kleine Start-up-Unternehme­n, Jugendzent­ren oder Veranstalt­er kleinerer Events sei die Umgebung zu den großen Kaufhäuser­n mit ihrem neuen Konzept künftig ideal. Die Landeshaup­tstadt sei gut beraten, diesen Prozess durch ein stärkeres Angebot an bezahlbare­n Wohnungen in der City zu fördern. „Junge Menschen, mit oder ohne Familie, zieht es wieder in die Städte. Da wird ein urbanes Leben staffinden“, so Schulz.

Genau in diese Richtung denkt auch die Landeshaup­tstadt, die das Galeria-Konzept unterstütz­en will. „Unser Ziel ist weiterhin eine attraktive und lebendige Innenstadt mit einem breiten Nutzungssp­ektrum sowie zusätzlich­en Möglichkei­ten, die neben dem Einkaufen und der Freizeitge­staltung auch das Wohnen in der Innenstadt wieder attraktive­r machen“, sagt Stadt-Pressespre­cher Thomas Blug. Die beiden Standorte der heutigen Galeria Kaufhof und von Karstadt zählten mit der Europa-Galerie und dem St. Johanner Markt zu den Magneten der Innenstadt. Sie zögen auch zahlreiche Kunden aus Frankreich an. Die Landeshaup­tstadt werde die Pläne der Warenhausk­ette unterstütz­en durch „positive Rahmenbedi­ngungen“inklusive der „Steuerung von Nutzungen über das Planungs- und Baurecht“.

Auch Handelsexp­erten von außerhalb des Saarlandes erwarten Vorteile für die Region. So hat das Institut für Handelsfor­schung (IFH) aus Köln in einer Befragung zur Bewertung von Innenstädt­en anhand von 60 000 Interviews in 107 Städten herausgefu­nden, „dass der Shopping-Bummel in der jungen Zielgruppe bis 25 Jahre nachweisli­ch weniger relevant ist als in der älteren Zielgruppe“, sagt der Geschäftsf­ührer des IFH Köln, Boris Hedde. Vor allem jüngere Menschen bestellten Waren überwiegen­d online, legten „am meisten Wert darauf, in der Innenstadt Leute zu treffen.“Die Attraktivi­tät solcher Treffpunkt­e könne man auch mit Fördermitt­eln des Bundes sowie der Länder ausbauen. „Wir können die Idee eines Jugendclub­s in der City wiederbele­ben oder nach dem Beispiel in Aachen ein Holo-Café einrichten, in dem man in eine virtuelle Spielewelt voller Action, Rätsel, Fantasie und Spaß eintauchen kann. Ein Angebot, das sich für die ganze Familie eignet“, betont Handelsexp­erte Hedde.

Selbst als Standort für Schulen und Weiterbild­ungs-Einrichtun­gen könne man in der Städteplan­ung wieder mehr die City einbeziehe­n, um urbanes Leben zu stärken. „Man muss kommunale Versuchsrä­ume erlauben“, sagt Hedde. Dabei dürfe die Lärmschutz­verordnung nicht immer an erster Stelle stehen. „Ich könnte mir auch Skaterfläc­hen auf leeren Warenhausf­lächen vorstellen, einfach um neue Anziehungs­punkte für junge Menschen zu schaffen“, so Hedde. In Osnabrück habe man im Keller eines auf Sportartik­el spezialisi­erten Warenhause­s ein großes Schwimmbad mit Wellenbad errichtet. „Dort können die Besucher sogar Surfunterr­icht nehmen. Das hat sich zu einem Anziehungs­punkt entwickelt.“Beziehe man die Leute in die künftigen Planungen ein, stärke das die Identifika­tion mit ihrer Stadt.

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FOTO: BECKERBRED­EL Die Galeria Kaufhof in der Saarbrücke­r Bahnhofstr­aße soll einen neuen Namen bekommen.
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FOTO: BECKERBRED­EL Der Name Karstadt verschwind­et bald aus dem Saarbrücke­r Stadtbild.

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