Großer Wandel bei Karstadt und Kaufhof in Saarbrücken
Die Traditionshäuser sollen mit verändertem Konzept mehr Kunden anziehen. Die Saarländer erwarten dabei einige Überraschungen.
SAARBRÜCKEN Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof sorgt für eine der spektakulärsten Veränderungen im deutschen Handel und geht mit einem völlig neuen Konzept an den Start. Auch im Saarland wird sich dadurch einiges ändern. Kundinnen und Kunden müssen sich vor allem in einem Punkt umstellen: Die seit Generationen gewohnten Markennamen Kaufhof und Karstadt sollen nach den Überlegungen des Vorstandsvorsitzenden von Galeria Karstadt Kaufhof, Miguel Müllenbach, in naher Zukunft vom Markt verschwinden. Am wahrscheinlichsten ist eine Umbenennung aller Häuser in „Galeria“, zumal unter diesem Namen bereits der komplette Online-Handel läuft.
Jünger, frischer, zeitgemäßer sollen die Häuser werden mit einer deutlichen Konzentration auf völlig neue Dienstleistungen, wie Müllenbach dem „Handelsbaltt“sagte. Alles mit dem Ziel, die Menschen länger in den Filialen zu halten.
Ein Schwerpunkt könne zum Beispiel eine Etage mit rein regionalen Produkten werden, größere Erlebnisflächen für die Gastronomie im Stil einer Markthalle, städtische Bürgerdienstleistungen, ein Paketschalter oder auch ein Platz im Parkhaus zur Reparatur von Fahrrädern, dem Auftanken von E-Bikes oder der Vorstellung neuer Autos. Müllenbach verweist auf das Beispiel Kassel mit einer eigenen Etage nur für regionale Produkte, verschiedenen Bürgerdiensten und sogar einem Museum. Bereits im Oktober soll das neue Konzept „Galeria 2.0“dort starten. In den kommenden drei bis vier Jahren werden 50 bis 60 Häuser komplett umgebaut, andere bekommen einen Teilumbau. Näheres war aus der Zentrale in Essen auf Anfrage der Saarbrücker Zeitung zunächst nicht zu erfahren.
Was bedeutet das für Saarbrücken? Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter Einzel- und Versandhandel in der Verdi-Bundesverwaltung und Aufsichtsrat bei Galeria Kaufhof Karstadt, geht davon aus, dass beide Häuser in Saarbrücken beste Voraussetzungen bieten, bestehen zu bleiben. Sie könnten ideal mit einem unterschiedlichen Sortiment und einer Spezialisierung auf ein jüngeres Publikum sowie frankophile Angebote die Idee der Belebung von Innenstädten in die Tat umsetzen. Hierzu solle man den Filialleitern vor Ort, den Beschäftigten und den örtlichen Betriebsräten mehr Kompetenzen einräumen, mitzubestimmen, was die Kundschaft vor Ort anspricht. „Niemand kennt die Kunden besser als die Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof vor Ort“, sagt Akman, der sich bundesweit mit Galeria Karstadt Kaufhof gut auskennt. Eine stärkere Digitalisierung einschließlich der Möglichkeit, Waren online zu bestellen und in der Filiale vor Ort abzuholen sowie eine Bedienung der Kunden auf allen Kanälen böten zusammen ideale Chancen der Kundenansprache.
Verdi wende sich nicht grundsätzlich gegen eine Umbenennung der Häuser Kaufhof und Karstadt, rät der Geschäftsführung jedoch dazu, mit diesem Schritt noch zu warten, da sich beide Namen bei der Kundschaft etabliert hätten.
Der laufende Tarifvertrag, der bis
Ende 2024 eine Beschäftigungs-Sicherung garantiert, biete zudem die Chance, die gesamten Belegschaften in die Veränderungen einzubeziehen, die nach den Forderungen von Verdi zugleich den Erhalt aller Filialen beinhalten.
Die Städte und Kommunen sieht Akman in der Pflicht, etwa durch günstige ÖPNV-Tickets, Park&Ride-Möglichkeiten und die Vergünstigung von Parkgebühren zusätzliche Anreize zu schaffen, in die Innenstadt zu kommen. Mehr Wohnraum für Familien in der City begünstige diesen Prozess ebenfalls. „Unsere Innenstädte müssen für Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, aber auch als soziale Begegnungsstätten dienen“, sagt Akman.
Fabian Schulz, Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes Einzelhandel und Dienstleistung Saarland, erwartet einige Vorteile: „Saarbrücken wird davon profitieren.“Insbesondere neue Dienstleistungen schafften Anreize. Alleine schon die Integration eines Aldi im heutigen Karstadt habe sich als ein Riesenerfolg herausgestellt.
Die heutige Galeria Kaufhof, so Schulz, könne zum Beispiel ihren früher exzellenten Ruf als Ort für Lebensmittel im hochwertigen und Luxusbereich wiederherstellen, ergänzt durch größere Flächen mit regionalen Lebensmitteln. Generell könne die Filiale mehr dazu dienen, Waren abzuholen, die man zuvor online bestellt hat. Auch handwerkliche Dienstleistungen in den Filialen, wie etwa die Reparatur von Fahrrädern oder Ladestationen für E-Bikes, seien ideal.
Die Neuaufstellung könne auch in der unmittelbaren Nachbarschaft der Warenhäuser sowie in den Seitenstraßen zur Belebung mit kleineren Geschäften führen. Etwa durch Anbieter gastronomischer Spezialitäten, deren Herstellung man im Laden miterleben kann. Oder man schaut Handwerkern über die Schulter. Selbst für kleine Start-up-Unternehmen, Jugendzentren oder Veranstalter kleinerer Events sei die Umgebung zu den großen Kaufhäusern mit ihrem neuen Konzept künftig ideal. Die Landeshauptstadt sei gut beraten, diesen Prozess durch ein stärkeres Angebot an bezahlbaren Wohnungen in der City zu fördern. „Junge Menschen, mit oder ohne Familie, zieht es wieder in die Städte. Da wird ein urbanes Leben staffinden“, so Schulz.
Genau in diese Richtung denkt auch die Landeshauptstadt, die das Galeria-Konzept unterstützen will. „Unser Ziel ist weiterhin eine attraktive und lebendige Innenstadt mit einem breiten Nutzungsspektrum sowie zusätzlichen Möglichkeiten, die neben dem Einkaufen und der Freizeitgestaltung auch das Wohnen in der Innenstadt wieder attraktiver machen“, sagt Stadt-Pressesprecher Thomas Blug. Die beiden Standorte der heutigen Galeria Kaufhof und von Karstadt zählten mit der Europa-Galerie und dem St. Johanner Markt zu den Magneten der Innenstadt. Sie zögen auch zahlreiche Kunden aus Frankreich an. Die Landeshauptstadt werde die Pläne der Warenhauskette unterstützen durch „positive Rahmenbedingungen“inklusive der „Steuerung von Nutzungen über das Planungs- und Baurecht“.
Auch Handelsexperten von außerhalb des Saarlandes erwarten Vorteile für die Region. So hat das Institut für Handelsforschung (IFH) aus Köln in einer Befragung zur Bewertung von Innenstädten anhand von 60 000 Interviews in 107 Städten herausgefunden, „dass der Shopping-Bummel in der jungen Zielgruppe bis 25 Jahre nachweislich weniger relevant ist als in der älteren Zielgruppe“, sagt der Geschäftsführer des IFH Köln, Boris Hedde. Vor allem jüngere Menschen bestellten Waren überwiegend online, legten „am meisten Wert darauf, in der Innenstadt Leute zu treffen.“Die Attraktivität solcher Treffpunkte könne man auch mit Fördermitteln des Bundes sowie der Länder ausbauen. „Wir können die Idee eines Jugendclubs in der City wiederbeleben oder nach dem Beispiel in Aachen ein Holo-Café einrichten, in dem man in eine virtuelle Spielewelt voller Action, Rätsel, Fantasie und Spaß eintauchen kann. Ein Angebot, das sich für die ganze Familie eignet“, betont Handelsexperte Hedde.
Selbst als Standort für Schulen und Weiterbildungs-Einrichtungen könne man in der Städteplanung wieder mehr die City einbeziehen, um urbanes Leben zu stärken. „Man muss kommunale Versuchsräume erlauben“, sagt Hedde. Dabei dürfe die Lärmschutzverordnung nicht immer an erster Stelle stehen. „Ich könnte mir auch Skaterflächen auf leeren Warenhausflächen vorstellen, einfach um neue Anziehungspunkte für junge Menschen zu schaffen“, so Hedde. In Osnabrück habe man im Keller eines auf Sportartikel spezialisierten Warenhauses ein großes Schwimmbad mit Wellenbad errichtet. „Dort können die Besucher sogar Surfunterricht nehmen. Das hat sich zu einem Anziehungspunkt entwickelt.“Beziehe man die Leute in die künftigen Planungen ein, stärke das die Identifikation mit ihrer Stadt.