Jurist sieht geringe Chancen für Saar-Grüne
Der Präsident des Saar-Verfassungsgerichtshofs zu den Chancen der Grünen, die gegen die Ablehnung ihrer Landesliste vorgehen wollen.
Der Bundeswahlausschuss hat die Landesliste der Saar-Grünen für die Bundestagswahl abgelehnt. Dagegen will sich die Partei wehren. Roland Rixecker, Präsident des Saar-Verfassungsgerichtshofs, sieht jedoch kaum Chancen.
Herr Rixecker, erst nach der Bundestagswahl können die Saar-Grünen gegen die Zurückweisung ihrer Landesliste durch den Landes- beziehungsweise Bundeswahlausschuss vorgehen. Welche Möglichkeiten hat die Partei?
Das Bundeswahlgesetz schließt eine gerichtliche Anfechtung der Entscheidung des Bundeswahlausschusses aus. Es gibt die Regel, dass unmittelbar wahlbezogene Entscheidungen nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren – dem Wahlprüfungs- und Wahlbeschwerdeverfahren – angegriffen werden können. Das ist etwas überraschend, weil wir ansonsten durchweg Rechtsschutz gegen hoheitliche Maßnahmen kennen. Nun können die Grünen wie jeder andere auch erst nach der Bundestagswahl einen Einspruch gegen die Wahl erheben. Wird er zurückgewiesen, können sie eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einreichen.
Gibt es bestimmte Voraussetzungen für ein Prüfungsverfahren?
Das Wahlprüfungsverfahren ist nicht ganz einfach und setzt Verschiedenes voraus, um erfolgreich zu sein. Wer Einspruch gegen die Wahl erhebt und deren Gültigkeit anzweifelt, muss erstens Wahlfehler rügen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Grünen argumentieren, sie seien durch die Ablehnung der Liste nicht gleichbehandelt worden mit anderen Parteien. Zweite Voraussetzung ist, dass ein – etwaiger – Wahlfehler mandatsrelevant war. Angesichts der zurzeit in der Diskussion stehenden Anzahl von Grünen-Stimmen, die verloren gehen könnten, halte ich das für nicht ausgeschlossen. Dritte Voraussetzung: Mit dem Wahlprüfungsverfahren wird die Gültigkeit der Bundestagswahl angegriffen. Das Bundesverfassungsgericht sagt in ständiger Rechtsprechung, dass das Gewicht von Wahlfehlern gegen den Grundsatz der Stabilität des Parlaments abgewogen werden muss. Es muss also geprüft werden, ob es nicht wichtiger ist, das gewählte Parlament seine Arbeit machen zu lassen, als den Wahlfehler im Nachhinein zu korrigieren.
Werden oft Prüfungsverfahren beantragt?
In der Geschichte der Bundesrepublik gab es hunderte Wahlprüfungsverfahren. Mit ganz wenigen Ausnahmen hatten sie nie Erfolg. Eine Ausnahme betraf beispielsweise das sogenannte negative Stimmgewicht in einem Wahlbezirk. Daraufhin wurde eine Neuwahl für diesen Wahlbezirk angeordnet. Daraus kann man aber entnehmen: Ein erfolgreiches Wahlprüfungsverfahren führt nicht immer zu einer vollständigen Neuwahl, sondern kann auch nur wahlkreis- oder wahlgebietsbezogen erfolgen.
Bekämen die Saar-Grünen Recht, müsste also die Bundestagswahl im gesamten Saarland wiederholt werden?
RIXECKER Ja, das müsste sie.
Werden die saarländischen Grünen Ihrer Ansicht nach Erfolg mit ihrem Einspruch haben? Wie stehen die Chancen?
Ich habe den Fall der Saar-Grünen nur in den Medien verfolgt. Nach diesen Berichten scheinen aber so viele Fehler unterlaufen zu sein, dass ich wenige Chancen auf Erfolg sehe.
Zumal in den Wahlausschüssen auch Richterinnen und Richter sitzen, die eine gewisse juristische Expertise mit sich bringen…
Im Landeswahlausschuss sitzt der Präsident des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, außerdem eine Richterin des Oberverwaltungsgerichts. Im Bundeswahlausschuss sitzen zwei Richter des Bundesverwaltungsgerichts. Ich will nicht sagen, dass das ein Indiz dafür ist, dass die Entscheidung auf Bundesebene richtig war. Vor allem, weil sie noch nicht verschriftet ist und ich sie noch nicht lesen konnte. Aber es scheinen sehr viele Fehler passiert zu sein, die ich nicht verstehen kann.
Welche Fehler?
Das Grundproblem war ja, dass Delegierte aus Saarlouis von der Wahl der Landesliste ausgeschlossen wurden. Das scheint mir in der Tat ein massives Problem zu sein. Denn es ist rechtlich nicht in Ordnung, eine ganze Gruppe von
Delegierten – die ja auch eine regionale Gliederung der Partei repräsentieren – einfach von der Wahl einer Landesliste auszuschließen, nur weil es bei ihrer Zusammensetzung einzelne rechtliche Fehler gegeben haben mag. Ich habe mich daher über die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts der Grünen, auch wenn sie noch nicht publiziert ist, schon sehr gewundert.