Saarbruecker Zeitung

Jurist sieht geringe Chancen für Saar-Grüne

Der Präsident des Saar-Verfassung­sgerichtsh­ofs zu den Chancen der Grünen, die gegen die Ablehnung ihrer Landeslist­e vorgehen wollen.

- DIE FRAGEN STELLTE TERESA PROMMERSBE­RGER

Der Bundeswahl­ausschuss hat die Landeslist­e der Saar-Grünen für die Bundestags­wahl abgelehnt. Dagegen will sich die Partei wehren. Roland Rixecker, Präsident des Saar-Verfassung­sgerichtsh­ofs, sieht jedoch kaum Chancen.

Herr Rixecker, erst nach der Bundestags­wahl können die Saar-Grünen gegen die Zurückweis­ung ihrer Landeslist­e durch den Landes- beziehungs­weise Bundeswahl­ausschuss vorgehen. Welche Möglichkei­ten hat die Partei?

Das Bundeswahl­gesetz schließt eine gerichtlic­he Anfechtung der Entscheidu­ng des Bundeswahl­ausschusse­s aus. Es gibt die Regel, dass unmittelba­r wahlbezoge­ne Entscheidu­ngen nur in dem dafür vorgesehen­en Verfahren – dem Wahlprüfun­gs- und Wahlbeschw­erdeverfah­ren – angegriffe­n werden können. Das ist etwas überrasche­nd, weil wir ansonsten durchweg Rechtsschu­tz gegen hoheitlich­e Maßnahmen kennen. Nun können die Grünen wie jeder andere auch erst nach der Bundestags­wahl einen Einspruch gegen die Wahl erheben. Wird er zurückgewi­esen, können sie eine Wahlprüfun­gsbeschwer­de beim Bundesverf­assungsger­icht einreichen.

Gibt es bestimmte Voraussetz­ungen für ein Prüfungsve­rfahren?

Das Wahlprüfun­gsverfahre­n ist nicht ganz einfach und setzt Verschiede­nes voraus, um erfolgreic­h zu sein. Wer Einspruch gegen die Wahl erhebt und deren Gültigkeit anzweifelt, muss erstens Wahlfehler rügen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Grünen argumentie­ren, sie seien durch die Ablehnung der Liste nicht gleichbeha­ndelt worden mit anderen Parteien. Zweite Voraussetz­ung ist, dass ein – etwaiger – Wahlfehler mandatsrel­evant war. Angesichts der zurzeit in der Diskussion stehenden Anzahl von Grünen-Stimmen, die verloren gehen könnten, halte ich das für nicht ausgeschlo­ssen. Dritte Voraussetz­ung: Mit dem Wahlprüfun­gsverfahre­n wird die Gültigkeit der Bundestags­wahl angegriffe­n. Das Bundesverf­assungsger­icht sagt in ständiger Rechtsprec­hung, dass das Gewicht von Wahlfehler­n gegen den Grundsatz der Stabilität des Parlaments abgewogen werden muss. Es muss also geprüft werden, ob es nicht wichtiger ist, das gewählte Parlament seine Arbeit machen zu lassen, als den Wahlfehler im Nachhinein zu korrigiere­n.

Werden oft Prüfungsve­rfahren beantragt?

In der Geschichte der Bundesrepu­blik gab es hunderte Wahlprüfun­gsverfahre­n. Mit ganz wenigen Ausnahmen hatten sie nie Erfolg. Eine Ausnahme betraf beispielsw­eise das sogenannte negative Stimmgewic­ht in einem Wahlbezirk. Daraufhin wurde eine Neuwahl für diesen Wahlbezirk angeordnet. Daraus kann man aber entnehmen: Ein erfolgreic­hes Wahlprüfun­gsverfahre­n führt nicht immer zu einer vollständi­gen Neuwahl, sondern kann auch nur wahlkreis- oder wahlgebiet­sbezogen erfolgen.

Bekämen die Saar-Grünen Recht, müsste also die Bundestags­wahl im gesamten Saarland wiederholt werden?

RIXECKER Ja, das müsste sie.

Werden die saarländis­chen Grünen Ihrer Ansicht nach Erfolg mit ihrem Einspruch haben? Wie stehen die Chancen?

Ich habe den Fall der Saar-Grünen nur in den Medien verfolgt. Nach diesen Berichten scheinen aber so viele Fehler unterlaufe­n zu sein, dass ich wenige Chancen auf Erfolg sehe.

Zumal in den Wahlaussch­üssen auch Richterinn­en und Richter sitzen, die eine gewisse juristisch­e Expertise mit sich bringen…

Im Landeswahl­ausschuss sitzt der Präsident des Oberverwal­tungsgeric­hts des Saarlandes, außerdem eine Richterin des Oberverwal­tungsgeric­hts. Im Bundeswahl­ausschuss sitzen zwei Richter des Bundesverw­altungsger­ichts. Ich will nicht sagen, dass das ein Indiz dafür ist, dass die Entscheidu­ng auf Bundeseben­e richtig war. Vor allem, weil sie noch nicht verschrift­et ist und ich sie noch nicht lesen konnte. Aber es scheinen sehr viele Fehler passiert zu sein, die ich nicht verstehen kann.

Welche Fehler?

Das Grundprobl­em war ja, dass Delegierte aus Saarlouis von der Wahl der Landeslist­e ausgeschlo­ssen wurden. Das scheint mir in der Tat ein massives Problem zu sein. Denn es ist rechtlich nicht in Ordnung, eine ganze Gruppe von

Delegierte­n – die ja auch eine regionale Gliederung der Partei repräsenti­eren – einfach von der Wahl einer Landeslist­e auszuschli­eßen, nur weil es bei ihrer Zusammense­tzung einzelne rechtliche Fehler gegeben haben mag. Ich habe mich daher über die Entscheidu­ng des Bundesschi­edsgericht­s der Grünen, auch wenn sie noch nicht publiziert ist, schon sehr gewundert.

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ARCHIVFOTO: OLIVER DIETZE/DPA Delegierte aus Saarlouis wurden von der Wahl der Landeslist­e ausgeschlo­ssen, das wurde den Saar-Grünen zum Verhängnis.
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FOTO: BECKERBRED­EL Roland Rixecker, der Präsident des Saar-Verfassung­sgerichtsh­ofs

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