Missbrauchs-Anklage gegen Prinz Andrew
Ein Geflüchteter aus Ruanda mit psychischen Problemen, der vor einem Jahr die Kathedrale in Nantes in Brand gesteckt haben soll, hat sich zum Mord an einem katholischen Priester bekannt. Die französische Regierung muss sich schwere Kritik anhören.
Eines der mutmaßlichen Opfer des verurteilten Sexualstraftäters Jeffrey Epstein hat Klage gegen den britischen Prinzen Andrew wegen sexuellen Missbrauchs eingereicht. Der Druck auf den Sohn der Queen dürfte nun zunehmen.
PARIS Am Tag danach ist ein Porträtfoto von Olivier Maire auf der Titelseite der Tageszeitung Le Parisien abgebildet. Der katholische Priester mit dem grauen Vollbart und der diskreten Brille zeigt darauf ein freundliches Lächeln. „Fassungslosigkeit und Wut“steht in weißen Lettern auf schwarzem Grund über dem Foto. Im Inneren der Zeitung wird der 60-jährige Olivier Maire von seinem Umfeld als kultivierter, mildtätiger und großzügiger Mann beschrieben. Eben seine Großzügigkeit, heißt es weiter, habe ihn das Leben gekostet: Ein 40-jähriger Mann aus Ruanda, den Maire in seiner Missionsbruderschaft im westfranzösischen Saint-Laurent-sur-Sèvre beherbergt hatte, soll diesen mit Schlägen auf den Kopf getötet haben.
Am Montagmorgen war der mutmaßliche Täter in der Polizeiwache eines Nachbarorts erschienen, gestand seine Tat und bat um seine Verhaftung. Nach einer ersten Befragung wurde er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Der 40-Jährige ist der französischen Polizei und Justiz kein Unbekannter. Im Juli 2020 hatte er gestanden, Feuer in der Kathedrale von Nantes gelegt zu haben, wo er bis dahin als Gemeindediener aktiv gewesen war. Menschen kamen nicht zu Schaden, aber das Bauwerk wurde stark beschädigt. Mehrere Monate verbrachte er in Untersuchungshaft, bis er am 31. Mai unter Auflagen freikam. So durfte er Frankreich nicht verlassen und musste zweimal monatlich auf der Polizeiwache erscheinen. In der von Olivier Maire geleiteten Gemeinde der Montfort-Missionare von Saint-Laurent-sur-Sèvre, gut 70 Kilometer südöstlich von Nantes, kam er unter, während er auf seinen Prozess wartete. Allerdings informierte Maire am 20. Juni die Polizei darüber, dass sein Schützling die Unterkunft verlassen wolle. Der Flüchtling verbrachte daraufhin einen Monat in einer psychiatrischen Klinik.
In Ruanda, wo er den Genozid und Bürgerkrieg miterlebt hatte, war er Polizist, bevor er 2012 illegal nach Frankreich einreiste. Mehrere Asylanträge wurden dort abgelehnt, 2019 erhielt er einen Abschiebe-Bescheid. Doch er legte Widerspruch ein und wurde dabei von Mitgliedern der Kirchengemeinde in Nantes unterstützt. 2016 begleitete er sie zu einer Reise nach Rom und traf Papst Franziskus.
Umso größer ist nun die Bestürzung über den neuerlichen Mord an einem Geistlichen durch einen Mann, dem man doch zu helfen versucht hatte, der als ruhig und höflich, aber psychisch labil galt. 2016 war ein katholischer Priester, Jacques Hamel, während einer Messe in Saint-Étienne-du-Rouvray in der Normandie von zwei Männern ermordet worden, der selbsternannte Islamische Staat bekannte sich dazu. Im Oktober 2020 tötete ein Extremist einen Messdiener und zwei Gläubige in einer katholischen Kirche in Nizza.
Von einem terroristischen Hintergrund gehen die Ermittler diesmal nicht aus. Vorwürfe an die Regierung wurden trotzdem laut. „Was hatte diese Person noch in Frankreich zu suchen?“, fragte der republikanische Abgeordnete Bruno Retailleau. „In Frankreich kann man sich also illegal aufhalten, die Kathedrale von Nantes anzünden, ohne abgeschoben zu werden und dann rückfällig werden, indem man einen Priester ermordet“, twitterte Rechtspopulistin Marine Le Pen. Innenminister Gérald Darmanin wies die Kritik zurück: Da der mutmaßliche Täter sich unter richterlicher Aufsicht befand, konnte er nicht ausgewiesen werden. Le Pen suche Polemik, „ohne die Fakten zu kennen“. Ein Angriff auf einen Geistlichen, so Darmanin, sei „ein Angriff auf die Seele Frankreichs“.
„Was hatte diese Person noch in Frankreich zu suchen “
Bruno Retailleau Republikanischer Abgeordneter