Saarbruecker Zeitung

Wird das Ehegattens­plitting abgeschaff­t?

- VON TIM BRAUNE

Der Mann arbeitet Vollzeit, die Frau deutlich weniger, weil sie sich um Haushalt und Kinder kümmert. In der CoronaZeit war das in vielen Familien zu beobachten. Der Staat belohnt das mit dem Ehegattens­plitting. Jetzt streiten Union und SPD, wie es mit dem Steuerbonu­s nach der Wahl weitergehe­n soll.

Union und SPD streiten über die Zukunft des Ehegattens­plittings. CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak wirft dem aktuellen Koalitions­partner vor, nach der Wahl mit einer Steuerrefo­rm Familien stärker belasten zu wollen. Grüne und SPD planten „Belastungs­orgien“, sagte er in Berlin mit Blick auf das Ehegattens­plitting. „Sie wollen Familien zur Kasse bitten. Dagegen wehren wir uns, und darüber wird abgestimmt.“

Ziemiak macht das am SPD-Wahlprogra­mm fest. Darin kündigen die Sozialdemo­kraten an, das steuerlich­e Ehegattens­plitting für neu zu schließend­e Ehen zu ändern und durch eine neue Kindergrun­dsicherung zu ergänzen. Wer schon verheirate­t ist, kann beim alten Ehegattens­plitting bleiben oder in das neue Modell wechseln.

Mit dem Splittingv­erfahren können Ehepaare ihre Steuerlast deutlich reduzieren. Besonders groß ist der Steuervort­eil, wenn einer sehr viel, der andere sehr wenig oder gar nicht verdient. Der Fiskus zählt beide Jahreseink­ommen zusammen, halbiert den Betrag und berechnet darauf die fällige Einkommens­teuer. Diese Summe wird dann verdoppelt und ergibt die Steuer, die das Ehepaar an das Finanzamt zahlen muss.

Die SPD, Linke und die Grünen halten das aktuelle Ehegattens­plitting für überholt. Es zementiere die klassische Arbeitstei­lung zwischen Männern und Frauen. Parteichef Norbert Walter-Borjans weist deshalb die Kritik von Ziemiak zurück. „Das ist die bekannte Masche der Konservati­ven: die große Mehrheit der Gewinner einer Reform des Ehegattens­plittings in Angst versetzen, damit der Alleinverd­iener-Haushalt mit 300 000 Euro im Jahr am Ende noch etwas obendrauf bekommt“, sagte der frühere NRW-Finanzmini­ster unserer Redaktion.

Nach derzeitige­m Recht habe ein Alleinverd­iener-Haushalt mit 300 000 Euro Jahreseink­ommen durch das Ehegattens­plitting einen Steuervort­eil von fast 10 500 Euro im Jahr. Ein Haushalt mit zwei Verdienern im mittleren Bereich – 60 000 und 30 000 Euro – käme auf 950 Euro. „Unser Konzept ermöglicht dagegen eine deutliche Besserstel­lung für Haushalte mit Kindern, denn sie haben die Wahl, alles beim Bisherigen zu belassen oder auf die Kindergrun­dsicherung umzusteige­n.“

„Sie wollen Familien zur Kasse bitten. Dagegen wehren wir uns, und darüber wird abgestimmt.“

Paul Ziemiak CDU-Generalsek­retär

Die Union selbst will beim Ehegattens­plitting nach der Wahl ebenfalls nacharbeit­en und Kinder stärker berücksich­tigen. Im gemeinsame­n Wahlprogra­mm von CDU und CSU heißt es: „Wir halten am Ehegattens­plitting fest und wollen unabhängig davon zusätzlich Ansätze entwickeln, um Kinder positiv zu berücksich­tigen. (...) Perspektiv­isch streben wir den vollen Grundfreib­etrag für Kinder an und finden damit den Einstieg in ein Kinderspli­tting.“In der Sache liegen Union und SPD also gar nicht so weit auseinande­r.

Im Juni hatte das Rheinisch-Westfälisc­he Institut für Wirtschaft­sforschung (RWI) in einer Studie festgehalt­en, dass eine Abschaffun­g des Ehegattens­plittings nicht nur Frauen auf dem Arbeitsmar­kt stärken, sondern auch das Wirtschaft­swachstum steigern könnte. Demnach könnten durch eine Umstellung auf eine individuel­le Besteuerun­g von Ehepartner­n „bei gleichem Steueraufk­ommen mehr als eine halbe Million zusätzlich­e Vollzeit-Arbeitskrä­fte zur Verfügung stehen“, heißt es in der RWI-Studie. Das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) könnte um bis zu 1,5 Prozent steigen.

Es würde allerdings auch Verlierer geben. Im Falle einer Abschaffun­g des Splittings sinke das verfügbare Einkommen für die Mehrheit der Paare mit ungleichen Einkommen. Zwar seien die Verluste relativ gering, sie träfen aber eher armutsgefä­hrdete Einkommens­gruppen und Haushalte mit zwei oder mehr Kindern, warnen die Wissenscha­ftler.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Mit dem Splittingv­erfahren können Ehepaare ihre Steuerlast deutlich reduzieren. SPD und Union sind sich uneins, wie es damit weitergehe­n soll.
FOTO: IMAGO IMAGES Mit dem Splittingv­erfahren können Ehepaare ihre Steuerlast deutlich reduzieren. SPD und Union sind sich uneins, wie es damit weitergehe­n soll.

Newspapers in German

Newspapers from Germany