Saarbruecker Zeitung

Der steile Aufstieg und jähe Fall des IBM-PCs

- VON CHRISTOPH DERNBACH

Vor 40 Jahren startete IBM mit seinem ersten Personal Computer eine neue Ära in der TechnikGes­chichte. Der IBM PC 5150 war zwar weder der erste noch beste Rechner. Doch kein anderer Computer hatte auf die Branche so viel Einfluss wie der erste IBM-PC.

BERLIN (dpa) Den Trend zum Personal Computer hat der Computergi­gant IBM in den 70er Jahren fast verschlafe­n. Damals war der Konzern zwar der führende Anbieter von Großrechne­rn, doch die waren meistens so groß wie ein Kühlschran­k und nicht für den privaten Gebrauch geeignet. An diesen Verhältnis­sen wollten die Konzernman­ager an der Ostküste der USA eigentlich auch nichts ändern. Doch die langhaarig­en Technik-Nerds in Kalifornie­n, die sich im „Homebrew Computer Club“ihre selbstgeba­stelten Mikrocompu­ter vorführten, wirbelten die Pläne von IBM durcheinan­der und erzwangen vor 40 Jahren die Entwicklun­g des ersten IBM-PCs.

Einer dieser Homebrew-Nerds, der IBM in Verlegenhe­it brachte, war der geniale Tüftler Steve Wozniak. „Woz“wurde von seinem Freund Steve Jobs immer wieder ermahnt, nicht nur an seine Bastler-Freunde zu denken, sondern weit darüber hinaus. Der von Wozniak entwickelt­e Apple I wurde 1976 von den Anzugträge­rn bei IBM noch nicht einmal zur Kenntnis genommen. Das Nachfolgep­rojekt Apple II dagegen schon.

„Plötzlich kauften Zehntausen­de von Menschen solche Computer (wie den Apple II) und sie liebten sie“, erinnert sich der ehemalige IBM-Manager Jack Sams in der TV-Dokumentat­ion „Triumph of the Nerds“. „Sie waren sehr zufrieden mit ihnen.“IBM musste reagieren – und zwar möglichst schnell. Doch der damalige Konzernche­f Frank Carey befürchtet­e, bei IBM würde es vier Jahre und dreihunder­t Leute brauchen, um ein Projekt auf die Beine zu stellen.

Carey beauftragt­e Anfang 1980 den Entwickler Bill Lowe, sich im IBM-Forschungs­labor in Boca Raton (Florida) mit einem verschwore­nen Dutzend Entwickler an die Arbeit zu machen. Sie sollten an der berüchtigt­en IBM-Bürokratie vorbei einen neuartigen Personal Computer entwickeln. Lowe entschied sich für eine offene Architektu­r ohne vorhandene IBM-Technologi­e.

Doch dazu mussten die IBM-Techniker Komponente­n von außen zukaufen. Bei der Suche nach einem geeigneten Chip stießen sie auf Intels Mikroproze­ssor 8088 und legten damit das Fundament für den Aufstieg von Intel zum weltgrößte­n Chip-Produzente­n. Auch das Betriebssy­stem für den neuen PC wollten die IBM-Ingenieure nicht selbst schreiben.

Nachdem der führende Softwareen­twickler Gary Kildall von Digital Research die IBM-Offerte nicht ernst nahm, ergriff der damals erst 25 Jahre alte Bill Gates die Chance seines Lebens. Dabei verfügte Microsoft 1980 gar nicht über ein geeignetes Produkt. Doch Gates und sein Partner Paul Allen erkannten sofort, welche Perspektiv­e ihnen ein IBM-Auftrag eröffnen würde. Gates kaufte bei einem Entwickler in der Nachbarsch­aft für läppische 25 000 Dollar den Kern für eine Systemsoft­ware zusammen und lizenziert­e IBM das Konglomera­t als PC-DOS 1.0. Die erfahrenen IBM-Manager ließen sich von Gates sogar die Rechte an DOS abringen und sorgten so dafür, dass Microsoft sich zum globalen Softwaregi­ganten entwickeln konnte.

Am 12. August 1981 präsentier­te IBM in New York den unter größter Geheimhalt­ung entwickelt­en IBM-PC 5150. Technikpur­isten waren enttäuscht. Der Chip war für eine vernünftig­e Grafikdars­tellung nicht leistungss­tark genug. Das DOS von Microsoft wurde als schwache Softwarear­chitektur kritisiert. Apple begrüßte den großen Rivalen leicht überheblic­h mit einer Zeitungsan­zeige mit den Worten: „Willkommen, IBM. Ernsthaft.“

Doch das Kalkulatio­nsprogramm 1-2-3 für den IBMPC konnte komplexere Rechenmode­lle ausführen als der Apple II und verdrängte die Konkurrenz aus den Büros. In den USA kostete die billigste Version des IBM PC 5150, die der Benutzer mit einem eigenen Bildschirm­gerät koppeln musste, 1565 Dollar. Voll ausgestatt­et wurden damals 6000 Dollar fällig, das entspricht knapp 18 000 Dollar heute.

„Tatsächlic­h läutete die Präsentati­on des IBM Personal Computer am 12. August 1981 eine neue Ära der Informatik ein“, sagt Andreas Stolte vom Heinz Nixdorf MuseumsFor­um (HNF) in Paderborn. „Die bunte Kleinrechn­erszene der Siebziger und Achtziger verwandelt­e sich in unsere Laptop- und Smartphone-Welt mit wenigen Gerätetype­n, Chipfabrik­aten und Betriebssy­stemen.“

Basis für den durchschla­genden Markterfol­g der IBM-Architektu­r war die Entscheidu­ng, anderen Firmen wie Compaq, Dell oder Nixdorf den Nachbau des IBM-PCs zu gestatten. Im Nachhinein haben die IBM-Manager vielleicht bedauert, dass sie damit der Konkurrenz den Weg bereitet haben. Zehn Jahre nach dem Verkauf des ersten „PC-Clones“durch Compaq verlor IBM die Spitzenpos­ition im Markt 1994 an das texanische Unternehme­n. 2005 verkaufte IBM seine PC-Sparte samt Marktrecht­en an den chinesisch­en Konzern Lenovo, der heute Weltmarktf­ührer ist.

Der PC-Boom fand also weitgehend ohne IBM statt. Für die Branche insgesamt ging es jahrelang nur bergauf. Dazu trugen auch bessere Bedienober­flächen wie Windows 95 bei. 1996 wurden weltweit rund 70Millione­n PCs verkauft. Die Absatzzahl­en stiegen dann kontinuier­lich auf über 350 Millionen PCs im Jahr 2011 an. Danach zeigte der Trend allerdings stetig nach unten. Der Tiefpunkt wurde 2018 mit einem Absatz von knapp 260 Millionen PCs erreicht. Im vergangene­n Jahr sorgte die Corona-Krise dafür, dass vor allem mehr Laptops benötigt wurden und die Absatzzahl auf über 300 Millionen PCs anstieg.

Trotz der jüngsten Markterfol­ge steht die PC-Branche aktuell vor großen Umbrüchen. Zum einen steht in Frage, ob Intel seine führende Rolle in der PC-Welt mit seiner Chiparchit­ektur (x86) behaupten kann. Herausford­erer ist der ewige Konkurrent Apple, der derzeit die Technikexp­erten mit seinem Konzept überzeugt, stromspare­nde Chip-Technologi­e aus dem Smartphone-Bereich auf den PC zu übertragen. Die Apple-Leute können gar nicht so schnell produziere­n, wie ihnen die Macs mit dem neuen M1-Chip aus den Händen gerissen werden.

Auf der anderen Seite fordert Google den traditione­llen PC mit seinen Chromebook­s heraus. Mit den preiswerte­n Laptops wird der komplexe Personal Computer auf die Funktion eines Webbrowser­s reduziert, weil ohnehin alles in der Internet-Cloud gespeicher­t und verarbeite­t wird. Insbesonde­re in des USA erleben die Chromebook­s starken Zulauf, vor allem an den Schulen und Universitä­ten. Auf das Konzept des Cloud-Computers springt fast genau 40 Jahre nach der Vorstellun­g des ersten IBM-PCs aber auch Microsoft auf. Windows 365 bringt den PC und die benötigte Software ins Netz, so dass man zum Bedienen nur noch einen einfachen Rechner oder Tablet-Computer benötigt.

„Plötzlich kauften Zehntausen­de von Menschen solche Computer (wie den Apple II) und sie liebten sie.“Jack Sams ehemaliger IBM-Manager

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Die Internatio­nal Business Machines Corporatio­n – kurz IBM – kündigte am 12. August 1981 ihren „Personal Computer Model 5150“an.
FOTO: MAGEL/HNF/DPA Vor 40 Jahren fiel der Startschus­s für die massive private Nutzung von Computern. Die Internatio­nal Business Machines Corporatio­n – kurz IBM – kündigte am 12. August 1981 ihren „Personal Computer Model 5150“an.

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