Die Faszination der Halden im Saarland
Der Prokurist der RAG Montan Immobilien, Rudolf Krumm, gilt als Halden-Experte. Mit uns hat er über die saarländischen Berge gesprochen.
Der Prokurist der RAG Montan Immobilien, Rudolf Krumm, gilt als Experte für Bergehalden. Die mehr als 100 Exemplare, die im Saarland noch von der Bergbau-Ära künden, faszinieren ihn besonders. Warum, erklärt er im SZ-Interview.
Wie viel Hektar verwaltet die RAG Montan Immobilien im Saarland in etwa?
KRUMM Etwa 1300. Davon sind rund 320 Hektar noch unter Bergaufsicht.
Sind also nicht der Öffentlichkeit zugänglich?
KRUMM Genau. Dort laufen verschiedenste Maßnahmen, um die Bergaufsicht zu beenden. Ein Beispiel ist hier das Gelände Duhamel in Ensdorf. Wir haben dort rund 100 Hektar Fläche, das sind etwa 27 Hektar ehemalige Tagesanlage, also Kohlenlager, Kohlenaufbereitung, Verwaltungsgebäude, Kaue und so weiter. Und dann rund 75 Hektar Bergehalde mit dem Polygon und Absinkweiher.
Wobei Teile der Halde mit dem Polygon ja bereits für die Öffentlichkeit zugänglich sind?
KRUMM Das betrifft einen Teil der Südflanke und das Haldenplateau. Dennoch haben wir an der Halde noch sehr viel zu tun. Sehr viel, weil die Standsicherheit nicht gegeben ist. Die müssen wir herstellen, das bedeutet große Erdbewegungen, wir müssen Böschungen abflachen, um die Gefahr von Rutschungen aus der Welt zu schaffen. Dann haben wir einen Brand in der Halde, den müssen wir sanieren. Die Entwässerung muss komplett neu geplant und gebaut werden.
Es gibt über 100 Halden, mal sind sie grün und nicht mehr als Schüttung zu erkennen, mal sind sie kahle, schwarze Landmarken. Warum so unterschiedlich, Herr Krumm?
KRUMM In der Geschichte ist der Bergbau einfach unterschiedlich mit den saarländischen Halden umgegangen. Angefangen hat die Rekultivierung im Jahre 1959, als sich die damaligen Saarbergwerke mit den Halden beschäftigten, sich die Frage gestellt haben: Was machen wir damit eigentlich? Welches Nutzungspotenzial steckt in den Halden?
Warum stellten Sie sich diese Frage?
KRUMM Auslöser war die erste Steinkohlenkrise nach dem Zweiten Weltkrieg. Die zog auch eine erste Bergbau-Akzeptanzkrise im Land mit sich. Die Saarbergwerke hatten gemerkt, man kann die Halden nicht einfach so als Abfall herumliegen lassen, sondern man muss damit was tun, wenn man die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Bergbau erhalten will. Sie stellten sich also die Frage, wie sie diese Halden wieder produktiv machen, in die wirtschaftliche Folgenutzung bringen und gleichzeitig etwas für das Landschaftsbild tun könnten.
Die Antwort lautete?
KRUMM Es gab damals eine große Nachfrage nach Holz. Der Wiederaufbau in Deutschland lief auf Hochtouren. Damals hat man geglaubt, man könnte auf den Halden produktive Wälder anpflanzen, um der Nachfrage nach Bauholz gerecht zu werden, deshalb hatten die Saarbergwerke Förster eingestellt. Die entwickelten Aufforstungskonzepte und haben mit großem Aufwand eine Bewaldung der Halden vorangetrieben. Dann kam der Ökotrend in den 70er Jahren.
Wie schlug sich der auf den Halden nieder?
KRUMM Damals hieß es, das Holz zu fällen und zu verkaufen, könne nicht das primäre Ziel sein. Das neue Ziel hieß, Halden, als Wunden in der Landschaft, möglichst schnell zu begrünen, das man gar nicht mehr merkt, dass es Halden sind. Sie sollten als natürliche Elemente in der Waldlandschaft im Saarland aufgehen.
In der Zeit bepflanzte die Stadt Püttlingen die Halde Viktoria mit mehr als 80 000 Junggehölzen, heute ist dort ein Naturschutzgebiet.
KRUMM Die Halde Viktoria ist ein Ergebnis dieser Phase. In den 1990er Jahren kam der Ansatz, der Bergbau sei endlich, irgendwann sei er hier mal Geschichte. Da kam die Idee auf, dass die Halden Zeitzeugen sein sollen. Jede Halde sei eine Landmarke. Wenn man sie bepflanze, verliere sie diese Aufgabe. Das wollte man nun nicht mehr, man wollte, dass die Halden ihre Künstlichkeit behalten, sie vielleicht sogar noch betont, und stärker herausarbeitet. Wie zum Beispiel bei der Halde in Göttelborn. Da ist eine Flanke ja komplett kahl und schwarz, die andere komplett aufgeforstet. Mit anderen Worten: Sie können an der Haldengestaltung ganz gut ablesen, in welcher Zeit sie rekultiviert wurde.
Dabei ist es gar nicht so leicht, auf diesen Halden überhaupt etwas anzupflanzen?
KRUMM Das schwarze Bergematerial wird heiß, der Boden ist besonders trocken, besonders nährstoffarm. Die Generationen von Förstern, die es hier gegeben hat, die haben sich intensiv mit diesen Standorten beschäftigt und haben viele Erfahrungen gesammelt, die man jetzt wieder nutzen kann, um mit dem Klimawandel besser umzugehen. Das, was auf den Halden stattgefunden hat, war praktisch eine Vorwegnahme von Entwicklungen, die der Klimawandel jetzt bringt.
Inwiefern?
KRUMM Im Sommer haben sie dort Bodentemperaturen, die gehen bis auf die 60 Grad Celsius. Die Pflanzen, die es dort packen, werden auch die sein, die sich im Klimawandel durchsetzen können. Insofern ist so eine Halde eine Art Labor für die Frage, welche Baumarten extreme Temperaturbedingungen verkraften. Das liefert wiederum wichtige Informationen für die Frage nach dem Wald der Zukunft.
Wie wird er aussehen?
KRUMM Er wird vielfältiger sein. Es wird Baumarten geben, die wir ansonsten aus unseren Urlauben im Mittelmeerraum kennen, die werden immer mehr Bedeutung hier bekommen. Wir brauchen die Vielfalt, um die Risiken zu verteilen, damit egal, wie der Klimawandel ausfällt, es immer Bäume gibt, die damit klarkommen.
Was fasziniert Sie persönlich an den Halden im Saarland?
KRUMM Vor allem die natürliche Entwicklung. Wenn man sich die ganz frühen Halden im Saarkohlenwald anschaut, also die, die so 150 bis 180 Jahre alt sind, auf denen findet man heute Eichen und Hainbuchen, das sind sehr anspruchsvolle Baumarten, die können sich nur deshalb dort verjüngen, weil die Bodenverhältnisse sich über die Jahrhunderte auf diesen Halden so weit verbessert haben. Und natürlich: Einfach oben draufstehen und runterschauen: In Reden oder in Göttelborn – der Ausblick von den großen Halden ist schon toll. Es sind einfach faszinierende Berge.