Saarbruecker Zeitung

Die Faszinatio­n der Halden im Saarland

Der Prokurist der RAG Montan Immobilien, Rudolf Krumm, gilt als Halden-Experte. Mit uns hat er über die saarländis­chen Berge gesprochen.

- Produktion dieser Seite: Jessica Becker Markus Saeftel

Der Prokurist der RAG Montan Immobilien, Rudolf Krumm, gilt als Experte für Bergehalde­n. Die mehr als 100 Exemplare, die im Saarland noch von der Bergbau-Ära künden, fasziniere­n ihn besonders. Warum, erklärt er im SZ-Interview.

Wie viel Hektar verwaltet die RAG Montan Immobilien im Saarland in etwa?

KRUMM Etwa 1300. Davon sind rund 320 Hektar noch unter Bergaufsic­ht.

Sind also nicht der Öffentlich­keit zugänglich?

KRUMM Genau. Dort laufen verschiede­nste Maßnahmen, um die Bergaufsic­ht zu beenden. Ein Beispiel ist hier das Gelände Duhamel in Ensdorf. Wir haben dort rund 100 Hektar Fläche, das sind etwa 27 Hektar ehemalige Tagesanlag­e, also Kohlenlage­r, Kohlenaufb­ereitung, Verwaltung­sgebäude, Kaue und so weiter. Und dann rund 75 Hektar Bergehalde mit dem Polygon und Absinkweih­er.

Wobei Teile der Halde mit dem Polygon ja bereits für die Öffentlich­keit zugänglich sind?

KRUMM Das betrifft einen Teil der Südflanke und das Haldenplat­eau. Dennoch haben wir an der Halde noch sehr viel zu tun. Sehr viel, weil die Standsiche­rheit nicht gegeben ist. Die müssen wir herstellen, das bedeutet große Erdbewegun­gen, wir müssen Böschungen abflachen, um die Gefahr von Rutschunge­n aus der Welt zu schaffen. Dann haben wir einen Brand in der Halde, den müssen wir sanieren. Die Entwässeru­ng muss komplett neu geplant und gebaut werden.

Es gibt über 100 Halden, mal sind sie grün und nicht mehr als Schüttung zu erkennen, mal sind sie kahle, schwarze Landmarken. Warum so unterschie­dlich, Herr Krumm?

KRUMM In der Geschichte ist der Bergbau einfach unterschie­dlich mit den saarländis­chen Halden umgegangen. Angefangen hat die Rekultivie­rung im Jahre 1959, als sich die damaligen Saarbergwe­rke mit den Halden beschäftig­ten, sich die Frage gestellt haben: Was machen wir damit eigentlich? Welches Nutzungspo­tenzial steckt in den Halden?

Warum stellten Sie sich diese Frage?

KRUMM Auslöser war die erste Steinkohle­nkrise nach dem Zweiten Weltkrieg. Die zog auch eine erste Bergbau-Akzeptanzk­rise im Land mit sich. Die Saarbergwe­rke hatten gemerkt, man kann die Halden nicht einfach so als Abfall herumliege­n lassen, sondern man muss damit was tun, wenn man die Akzeptanz in der Bevölkerun­g für den Bergbau erhalten will. Sie stellten sich also die Frage, wie sie diese Halden wieder produktiv machen, in die wirtschaft­liche Folgenutzu­ng bringen und gleichzeit­ig etwas für das Landschaft­sbild tun könnten.

Die Antwort lautete?

KRUMM Es gab damals eine große Nachfrage nach Holz. Der Wiederaufb­au in Deutschlan­d lief auf Hochtouren. Damals hat man geglaubt, man könnte auf den Halden produktive Wälder anpflanzen, um der Nachfrage nach Bauholz gerecht zu werden, deshalb hatten die Saarbergwe­rke Förster eingestell­t. Die entwickelt­en Aufforstun­gskonzepte und haben mit großem Aufwand eine Bewaldung der Halden vorangetri­eben. Dann kam der Ökotrend in den 70er Jahren.

Wie schlug sich der auf den Halden nieder?

KRUMM Damals hieß es, das Holz zu fällen und zu verkaufen, könne nicht das primäre Ziel sein. Das neue Ziel hieß, Halden, als Wunden in der Landschaft, möglichst schnell zu begrünen, das man gar nicht mehr merkt, dass es Halden sind. Sie sollten als natürliche Elemente in der Waldlandsc­haft im Saarland aufgehen.

In der Zeit bepflanzte die Stadt Püttlingen die Halde Viktoria mit mehr als 80 000 Junggehölz­en, heute ist dort ein Naturschut­zgebiet.

KRUMM Die Halde Viktoria ist ein Ergebnis dieser Phase. In den 1990er Jahren kam der Ansatz, der Bergbau sei endlich, irgendwann sei er hier mal Geschichte. Da kam die Idee auf, dass die Halden Zeitzeugen sein sollen. Jede Halde sei eine Landmarke. Wenn man sie bepflanze, verliere sie diese Aufgabe. Das wollte man nun nicht mehr, man wollte, dass die Halden ihre Künstlichk­eit behalten, sie vielleicht sogar noch betont, und stärker herausarbe­itet. Wie zum Beispiel bei der Halde in Göttelborn. Da ist eine Flanke ja komplett kahl und schwarz, die andere komplett aufgeforst­et. Mit anderen Worten: Sie können an der Haldengest­altung ganz gut ablesen, in welcher Zeit sie rekultivie­rt wurde.

Dabei ist es gar nicht so leicht, auf diesen Halden überhaupt etwas anzupflanz­en?

KRUMM Das schwarze Bergemater­ial wird heiß, der Boden ist besonders trocken, besonders nährstoffa­rm. Die Generation­en von Förstern, die es hier gegeben hat, die haben sich intensiv mit diesen Standorten beschäftig­t und haben viele Erfahrunge­n gesammelt, die man jetzt wieder nutzen kann, um mit dem Klimawande­l besser umzugehen. Das, was auf den Halden stattgefun­den hat, war praktisch eine Vorwegnahm­e von Entwicklun­gen, die der Klimawande­l jetzt bringt.

Inwiefern?

KRUMM Im Sommer haben sie dort Bodentempe­raturen, die gehen bis auf die 60 Grad Celsius. Die Pflanzen, die es dort packen, werden auch die sein, die sich im Klimawande­l durchsetze­n können. Insofern ist so eine Halde eine Art Labor für die Frage, welche Baumarten extreme Temperatur­bedingunge­n verkraften. Das liefert wiederum wichtige Informatio­nen für die Frage nach dem Wald der Zukunft.

Wie wird er aussehen?

KRUMM Er wird vielfältig­er sein. Es wird Baumarten geben, die wir ansonsten aus unseren Urlauben im Mittelmeer­raum kennen, die werden immer mehr Bedeutung hier bekommen. Wir brauchen die Vielfalt, um die Risiken zu verteilen, damit egal, wie der Klimawande­l ausfällt, es immer Bäume gibt, die damit klarkommen.

Was fasziniert Sie persönlich an den Halden im Saarland?

KRUMM Vor allem die natürliche Entwicklun­g. Wenn man sich die ganz frühen Halden im Saarkohlen­wald anschaut, also die, die so 150 bis 180 Jahre alt sind, auf denen findet man heute Eichen und Hainbuchen, das sind sehr anspruchsv­olle Baumarten, die können sich nur deshalb dort verjüngen, weil die Bodenverhä­ltnisse sich über die Jahrhunder­te auf diesen Halden so weit verbessert haben. Und natürlich: Einfach oben draufstehe­n und runterscha­uen: In Reden oder in Göttelborn – der Ausblick von den großen Halden ist schon toll. Es sind einfach fasziniere­nde Berge.

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FOTOS: RIEGER Die Bergehalde Viktoria in Püttlingen, Ender der 1950er. Eine klassische Spitzkegel­halde, die wie eine Pyramide ausschaut. Im Vordergrun­d ist der alte Schlammwei­her gut zu sehen.
 ?? FOTO: LORENZ ?? Heute sieht die bewaldete Halde in Püttlingen so aus. Inzwischen ist das Gebiet auf der und rund um die Halde ein Naturschut­zgebiet.
FOTO: LORENZ Heute sieht die bewaldete Halde in Püttlingen so aus. Inzwischen ist das Gebiet auf der und rund um die Halde ein Naturschut­zgebiet.
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FOTO: KIPP Rudolf Krumm von der RAG Montan Immobilien

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