Taugt das Bremer Modell auch für den Bund?
Halbzeit in Bremen: Vor zwei Jahren kam in dem Stadtstaat die erste rot- grün-rote Regierung nach langen Koalitionsverhandlungen ins Amt.
BREMEN (dpa) Dass die CDU stärkste Kraft bei den Bundestagswahlen wird, trotzdem aber nicht den Regierungschef stellt, dürfte für die Strategen im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin eine grausige Vorstellung sein. So geschehen vor zwei Jahren im Bundesland Bremen. Dort lagen die Christdemokraten erstmals seit rund 70 Jahren vor der SPD. Doch einigten sich die Sozialdemokraten trotz herber Wahlverluste erneut mit den Grünen und erstmals den Linken und stellen so seit 2019 mit Andreas Bovenschulte (SPD) den Regierungschef. Neueste Umfragen halten eine solche Mehrheit auch im Bund für möglich.
Das Bremer Rathaus ist seit Kriegsende ununterbrochen in sozialdemokratischer Hand. Eine rote Bastion. Die wollte die SPD 2019 nicht aufgeben. Berührungsängste mit den Linken gab es kaum, und die Grünen kannte man aus langen gemeinsamen Regierungsjahren zuvor. Die neun Ressorts inklusive Bürgermeister sind mit sechs Frauen und drei Männern besetzt. Gut ein halbes Jahr nach dem Amtsantritt am 15. August 2019 veränderte die Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 alles, auch in Bremen. Seite an Seite traten Gesundheitssenatorin, Wirtschaftssenatorin (beide Linke), Finanzsenator (Grüne) und SPD-Bürgermeister in zahllosen Pressekonferenzen vor die Kameras. Selbst die CDU hatte für das rot-grün-rote Krisenmanagement anfangs Lob.
Es war die Stunde der Exekutive. Vor allem Bovenschulte gelang es, sich zu profilieren. Allerdings taugt ein kleiner Stadtstaat mit rund 680 000 Einwohnern nur sehr bedingt als Blaupause für den Bund. Eigentlich ist Bremen vom Wesen her mehr eine große Kommune mit zwei Städten denn ein Bundesland. Bovenschulte war von Beginn an nie ein Freund der immer wieder ins
Gespräch gebrachten Vorbild- und Modellrolle für den Bund. „Das darf man, glaube ich, nicht ganz so hoch hängen“, sagte er schon im Sommer 2019, als die Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag gerade trocken waren.
Der 56 Jahre alte Jurist, der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im laufenden Wahlkampf bei dessen Terminen in Bremen und Bremerhaven stets begleitet, wird oft auf die Frage angesprochen. Auch er hält nach der Bundestagswahl eine rot-grün-rote Koalition im Bund für denkbar. Sein Standpunkt: Außer ein Bündnis mit der AfD solle die SPD keine Konstellationen ausschließen.
Für den Politologen Lothar Probst dient das Bremer Farbenmodell kaum als Vorlage für den Bund. In den Bundesländern sei die Situation ganz anders als im Bund. „Es gibt drei rot-grün-rote Bündnisse: in Thüringen, in Berlin und in Bremen. Das sind alles keine Modellprojekte“, sagte er kürzlich bei Radio Bremen. Ein Grund sei, dass Die Linke im Bund ganz anders ticke. „Der Parteitag der Linken hat Beschlüsse zur Außen- und zur Sicherheitspolitik getroffen, unter anderem zur Nato- Mitgliedschaft und zur Russland-Politik, die für die Grünen noch weniger akzeptabel sind als für die SPD.“
Zudem glaube er nicht, dass SPD, Grüne und Linke überhaupt auf genügend Stimmen für eine linke Koalition kämen. „Ich halte Spekulationen über ein rot-grün-rotes Bündnis im Bund daher für eine Luftnummer.“Bei allen Unsicherheiten, mit der Umfragen behaftet sind, ist eine solche Konstellation den Zahlen zufolge im Bund aber möglich. Laut einer Forsa-Umfrage für das RTL/ ntv-Trendbarometer von dieser Woche käme die Union nur noch auf 23 Prozent, die SPD auf 19 Prozent, die Grünen lägen bei 20 Prozent und die Linken bei 7 Prozent. Die FDP läge bei 12 und die AfD bei 10 Prozent. Unter vier Optionen wäre Grün-RotRot eine.
„Ich halte Spekulationen über ein rot-grün-rotes Bündnis im Bund daher für eine Luftnummer.“
Lothar Probst
Politologe