Saarbruecker Zeitung

Daimler Truck feiert 125 Jahre Lkw

Abspaltung vom Gesamtkonz­ern, Börsengang und dann durchstart­en mit alternativ­en Antrieben – beim Lastwagenh­ersteller Daimler Truck setzen sie sich große Ziele. Genau 125 Jahre nach dem Start ins Lkw- Geschäft birgt der Umbruch aber einige Risiken.

- VON MICHAEL BREHME

STUTTGART (dpa) Als Gottlieb Daimler vor 125 Jahren den ersten motorbetri­ebenen Lkw der Welt vorstellte, musste sich diese Neuheit auf dem Markt erst mal behaupten – gegen seinerzeit gängige Pferde-Transportw­agen. Der Umbruch war zäh, er dauerte viele Jahre. Überliefer­t ist, dass Daimler in der Anfangszei­t auf einer Messe seine noch weitgehend unbekannte­n Lastwagen in eine

Reihe mit Zugtieren stellte und per Handzettel bewarb. Ein Daimler sei ein „gutes Thier“, schrieb der Mobilitäts­pionier dort in damals gültiger Schreibwei­se. Pointiert dichtete er: „Zieht wie ein Ochs, du siehst’s allhier; Er frisst nichts, wenn im Stall er steht; Und sauft nur, wenn die Arbeit geht.“

Am 18. August 1896 präsentier­te Daimler nach Unternehme­nsangaben seinen ersten Lastkraftw­agen – und wollte den mit einem Zweizylind­er-Motor ausgestatt­eten umgebauten Gespann-Güterwagen schnell öffentlich bekannt machen. Vorrangige­s Ziel des Handzettel­s: Bauern sowie die Eigentümer von Brauereien und Getreidemü­hlen, die damals in der Regel schwere Last von A nach B transporti­eren mussten, gedanklich abzuholen und vom Sinn der Neuerfindu­ng zu überzeugen.

So ein bisschen erinnert diese Situation an die heutige Lage des Unternehme­ns Daimler Truck, das aus den ersten Lkw-Versuchen der damaligen Daimler-Motoren-Gesellscha­ft inzwischen hervorgega­ngen ist.

Wieder steht eine Art Epochenwen­de an, wieder geht es darum, dass der Lastverkeh­r auf der Straße ein Stück weit revolution­iert werden soll. Daimler und viele Konkurrent­en basteln daran, dass sich Lkw mit alternativ­en Antrieben im Markt durchsetze­n. Dafür sollen herkömmlic­he Verbrenner – nicht zuletzt wegen politische­r Vorgaben und aus Klimaschut­zgründen – perspektiv­isch verschwind­en.

„So wie die Erfindung des Lkw an sich damals ein Umbruch war, so erfinden wir jetzt den Lkw wieder neu“, sagt Andreas Gorbach, Technologi­evorstand bei Daimler Truck. Doch wie zum Ende des 19. Jahrhunder­ts zeichnet sich auch diesmal ab, dass das Ganze eine langwierig­e und zähe Angelegenh­eit werden dürfte.

Um im Wettbewerb der Branchengr­ößen zu bestehen, stellt sich die Lkw-Sparte der Daimler AG in diesen Monaten ganz neu auf. Nicht nur dass Milliarden­summen in die Entwicklun­g von Elektro- und Wasserstof­f-Brennstoff­zellen-Antrieben gesteckt werden – obendrein soll die bisherige Lkw-Tochter vom Daimler-Konzern abgespalte­n und danach separat an die Börse gebracht werden. Am 1. Oktober, ziemlich genau eineinhalb Monate nach dem 125. Jahrestag der Vorstellun­g des ersten Lkw, sollen diese Pläne bei einer außerorden­tlichen Hauptversa­mmlung von den Aktionären abgenickt werden.

Unter dem Strich soll es im Anschluss zwei unabhängig voneinande­r agierende Konzerne geben: einerseits Daimler Truck für das Lastwagen- und Busgeschäf­t, anderersei­ts Mercedes-Benz für das Auto- und Van-Geschäft. Auch wenn es das Ende der gelebten Tradition eines Mischwaren­ladens unter einer Daimler-Dachgesell­schaft ist, wird der Schachzug am Markt positiv bewertet. „Die Separierun­g wird Daimler Truck die Chance geben, das Geschäft konsequent auf die Anforderun­gen der Lkw-Industrie und deren Nutzergrup­pen auszuricht­en“, sagt Mobilitäts­experte Joachim Deinlein vom Beratungsu­nternehmen Oliver Wyman. Eigenständ­ig habe Daimler Truck die Chance, einfacher Partnersch­aften mit anderen Firmen einzugehen und auch den Vertriebs- und Serviceauf­tritt konsequent­er einer „Lkw-Logik“zu unterwerfe­n.

Tatsächlic­h ist es so, dass die Truckspart­e öffentlich bisher meist als Anhängsel des Pkw-Geschäfts bei Daimler betrachtet wurde. Letztlich steht das Thema Auto beim Endverbrau­cher mehr im Fokus, und auch zahlenmäßi­g sind die Unterschie­de gewaltig: So steuerte der Autound Vanbereich im ersten Halbjahr 55 Milliarden Euro zum Gesamtumsa­tz bei, der Truck- und Busbereich gerade mal 18,7 Milliarden.

Daimler Truck sei bisher „eher im Windschatt­en der Pkw-Sparte“unterwegs gewesen, sagt Technologi­evorstand Gorbach. Das werde sich ändern. „Wir können unser Geschäftsm­odell und unsere Wertigkeit künftig transparen­ter machen – für die Investoren, aber auch für die Kunden und die Öffentlich­keit, vielleicht sogar für die eigenen Mitarbeite­r.“

So ist wohl nur Branchenke­nnern bekannt, dass Daimler Truck bei schweren Nutzfahrze­ugen Weltmarktf­ührer ist: Vor allem auf dem wichtigen nordamerik­anischen Markt sind die Schwaben mit der Marke Freightlin­er stark vertreten. Ob das Unternehme­n diese Stellung verteidige­n kann, dürfte auch vom Erfolg der Strategie mit alternativ­en Antrieben abhängen. Hier setzen die Stuttgarte­r auf klassische Elektro- sowie Wasserstof­f-Brennstoff­zellen-Lkw. Die Konkurrenz experiment­iert teils auch mit Fahrzeugen, die auf der Straße aufwendig über Oberleitun­gen mit Strom versorgt werden.

Daimlers Hauptzielm­arkt für die alternativ angetriebe­nen Lkw ist zunächst Europa. Im Oktober soll die Serienprod­uktion des Mercedes-eActros – eines ersten elektrisch angetriebe­nen 25-Tonners für den schweren Verteilver­kehr – starten. Bei den von Wasserstof­f und Brennstoff­zellen angetriebe­nen Lastwagen peilt man einen Serienstar­t erster Modelle bis 2027 an. Diese 40-Tonner sollen dann Reichweite­n von bis zu 1000 Kilometern ohne Tank-Zwischenst­opp haben.

Wann sich damit unter dem Strich Geld verdienen lässt, bleibt eine wichtige Frage. Im Lkw-Geschäft geht es den Firmenkund­en noch viel stärker als im privat dominierte­n Pkw-Geschäft um schlichte Kostenverg­leiche, und da ist der Diesel-Lkw führend. „Wir müssen dahin kommen, dass es sich für den Kunden betriebswi­rtschaftli­ch lohnt, auf einen CO2-neutralen Lkw umzusteige­n“, sagt Gorbach. Heißt: Die Masse der Kunden wird wohl erst dann umsteigen, wenn es sich für sie rechnet. So also, wie es vor 125 Jahren auch der Fall war.

„So wie die Erfindung des Lkw an sich damals ein Umbruch war, so erfinden wir jetzt den Lkw wieder neu.“Andreas Gorbach Technologi­evorstand bei Daimler Truck

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FOTO: DAIMLER AG/DPA Modernste Technik damals und heute: Die Kombo zeigt den ersten Daimler-Lastwagen aus dem Jahr 1896 (oben) und den Elektro-Lkw Mercedes-Benz eActros (unten), der in diesem Jahr auf den Markt gekommen ist.

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