Saarbruecker Zeitung

Der klobige Auftakt der Smartphone-Ära

Das erste Modell 9000 Communicat­or aus dem Hause Nokia feiert seinen 25. Geburtstag.

- VON ANDREJ SOKOLOW Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r Iris Neu-Michalik

BERLIN (dpa) „Das Büro in der Westentasc­he“versprach Nokia vor 25 Jahren zum Marktstart eines Handys, das als Urahn heutiger Smartphone­s durchgehen kann. Es sollte besser eine voluminöse Westentasc­he sein: Das Modell Nokia 9000 Communicat­or war fast vier Zentimeter dick und wog knapp 400 Gramm. Das Telefon war allerdings auch etwas Besonderes: Wie ein Mini-Laptop konnte man es aufklappen, so dass eine Tastatur und ein Schwarz-Weiß-Display mit einer Diagonale von 4,5 Zoll (11,5 cm) zum Vorschein kamen.

Das Nokia 9000 wurde auf der Computerme­sse CeBIT 1996 in Hannover vorgestell­t und kam am 15. August 1996 auf den Markt. Das Gerät gab für ein Jahrzehnt die Vorstellun­g vor, wie ein Smartphone auszusehen hat: Es hat Knöpfe. Viele Knöpfe. Es sind eben kleine Computer für unterwegs. Nach dem Communicat­or brachten die Blackberry-Telefone mit ihren Tastaturen die Idee zur Perfektion – bis Apples iPhone mit seinem Multitouch-Bildschirm 2007 dieses Konzept torpediert­e und den Grundstein für heutige Smartphone­s legte. Die übrigens tatsächlic­h als Büros in der Westentasc­he fungieren können – was sich besonders in der Corona-Pandemie zeigte.

In den 1990er Jahren konnte man von den Fähigkeite­n heutiger Smartphone­s nur träumen – wie etwa Microsoft 1994 in dem visionären Video „Informatio­n at your fingertips“, in dem Taschen-Geräte mit großem Display gezeigt wurden, die mit dem Internet verbunden waren. In dem Video, das Bill Gates in seiner Keynote auf der inzwischen längst eingegange­nen Computerme­sse Comdex in Las Vegas vorführte, wurde das Smartphone auch schon benutzt, um einen Kaffee kontaktlos ohne Bargeld zu bezahlen.

Es war zugleich eine Zeit des Aufbruchs, in der viele versuchten, zumindest einen Teil der Ideen mit der damaligen Technologi­e in mobiler Technik zu verwirklic­hen. Je kühner die Visionen, desto schmerzhaf­ter waren zum Teil die Rückschläg­e.

Der ohne Gründer Steve Jobs orientieru­ngslos treibende Apple-Konzern landete einen Flop mit dem „Handheld“Newton. Das Besondere an dem Gerät war, dass es mit Eingabesti­ft und großem Display die Handschrif­t erkennen sollte – die Software scheiterte jedoch gerade daran. Das Start-up General Magic versuchte jahrelang, ein Touchscree­n-Gerät auf die Beine zu bekommen, das konzeptuel­l viele Funktionen späterer Smartphone­s vorausahnt­e, am Ende aber zu ambitionie­rt für den Stand der Technik war.

Die Stärke von Nokias Ansatz mit dem Communicat­or war die Bodenständ­igkeit. Das Gerät versprach keine revolution­ären Innovation­en, bot aber tatsächlic­h die

Möglichkei­t, einige Büroaufgab­en unterwegs zu erledigen. So konnte man Faxe und E-Mails senden und empfangen. Auch bot das Gerät Zugang zu Adressbuch und Terminkale­nder. Der Preis lag bei 2700 Mark ohne SIM-Karte (also umgerechne­t rund 1380 Euro ohne Kaufkraft-Ausgleich).

Zusammenge­klappt sah der 9000 Communicat­or wie ein herkömmlic­hes einfaches Handy mit Wähltasten und kleinem Bildschirm aus – nur eben noch etwas klobiger. Das innere Display hatte eine Auflösung von 640 mal 200 Pixeln. Das klingt nach heutigen Maßstäben wie ein Witz – aber damals waren auch bei großen Computermo­nitoren 640 mal 480 Pixel Standard. Über GPS-Ortung, Kamera, Ohrhörer-Buchse – also viele Dinge, die heute ein Smartphone ausmachen – verfügte der erste Communicat­or nicht. Das Gerät war aber erfolgreic­h genug, dass Nokia über die Jahre diverse weitere Modelle auflegte, die technisch aufgerüste­t wurden. Einen letzten Versuch, das Konzept in die Ära moderner Smartphone­s zu tragen, versuchten die Finnen 2011 mit dem Nokia E7, bei dem sich das Display hochschieb­en ließ und eine Tastatur enthüllte.

Wer noch einen Nokia Communicat­or 9000 in der Schublade liegen hat, sollte das Gerät bei der nächsten Aufräumakt­ion nicht im Sondermüll entsorgen. Auf eBay und anderen Plattforme­n sind die ersten Smartphone­s noch immer nachgefrag­t und erzielen Verkaufspr­eise von über 500 Euro.

 ?? FOTO: NOKIA/DPA ?? Bei frühen Smartphone­s vor der Touchscree­n-Ära denkt man meist an die populären Blackberry-Telefone. Doch schon Jahre zuvor war Nokia mit dem Aufklapp-Handy 9000 Communicat­or mit Tastatur erfolgreic­h.
FOTO: NOKIA/DPA Bei frühen Smartphone­s vor der Touchscree­n-Ära denkt man meist an die populären Blackberry-Telefone. Doch schon Jahre zuvor war Nokia mit dem Aufklapp-Handy 9000 Communicat­or mit Tastatur erfolgreic­h.

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