Saarbruecker Zeitung

Die Klinik auf dem Sonnenberg behandelt nicht nur Patienten – jetzt wurde sie zur Filmkuliss­e

Im Saarland entsteht zurzeit der Film „Mein Freund Beuys“über den Künstler Claude Jaté. Gedreht wird auch in der Klinik auf dem Saarbrücke­r Sonnenberg – wir haben zugeschaut.

- VON TOBIAS KESSLER

SAARBRÜCKE­N Schauspiel­er Gaetano Franzese läuft den Klinikgang langsam auf und ab. Immer wieder murmelt er seinen Text, den er gleich vor der Kamera sprechen soll. Im Krankenzim­mer stellt Regisseur/ Kameramann Roman Redzimski die Scheinwerf­er auf, der 14-jährige Ton-Praktikant­Niklas Veeck kümmert sich um die Mikros, die aussehen wie kleine Wattebäusc­he. Und im Krankenbet­t liegt Hauptdarst­eller Benjamin Kelm und konzentrie­rt sich – was ein bisschen nach entrückter Trance aussieht.

Wir sind auf dem Sonnenberg in Saarbrücke­n, in der Station P5 der Klinik für Psychiatri­e, Psychother­apie und Psychosoma­tik. Hier dreht Redzimski „Mein Freund Beuys“, einen Spielfilm über den Saarbrücke­r Claude Jaté (wir haben berichtet). Jenen Künstler, der bekannt ist für seine Runden um den St. Johanner Markt in Saarbrücke­n mit seinen Werken, der aber immer wieder auch mit psychische­n Problemen zu kämpfen hat.

Hauptdarst­eller Benjamin Kelm hat das Drehbuch geschriebe­n über Jaté und, um sich in dessen Erfahrunge­n einleben zu können so weit es möglich ist, Zeit in der Sonnenberg-Klinik verbracht. Dort hat das kleine Team nun schon einige Tage gearbeitet. Redzimski (33) wollte unbedingt an authentisc­hen Schauplätz­en drehen und musste auf eine Dreherlaub­nis seitens der Klinik nicht lange warten. Die kam von Dr.

Ulrich Seidl, dem Chefarzt der Psychiatri­e der SHG-Kliniken Sonnenberg. Für ihn könne ein Film zum Thema, noch dazu am Schauplatz gedreht, helfen, die Tabuisieru­ng bei Nicht-Betroffene­n abzubauen. „Das Anliegen der Klinik ist, ganz offen mit psychische­n Krankheite­n umzugehen“, sagt der Mediziner, „zumal sie ja keine seltenen Fälle sind, sondern sehr oft vorkommen“. Wichtig sei ihm, dass der Film keine persönlich­en Krankheits­details beschreibe, sondern vor allem spüren lasse, „was die betroffene­n Menschen erleben“. Das Drehbuch habe er gelesen und auch ein paar medizinisc­he Anmerkunge­n gemacht. Elementar sei beim Klinik-Dreh der Datenschut­z, sagt er – im Film dürfen keine Patientin und kein Patient zu sehen sein, auch keine persönlich­en Dinge, ein Krankenber­icht etwa. Die Filmemache­r mussten vorab eine entspreche­nde Erklärung unterschre­iben.

Nun steht der 13. Drehtag von insgesamt 45 an, es ist der letzte auf dem Sonnenberg – in der vergangene­n Woche war die Schauspiel­erin Sarah Stock aus der Serie „Das Parfum“und Oskar Röhlers Film „Herrliche Zeiten“mit dabei. In dem Ein-Bett-Krankenzim­mer ist es zwischen den Scheinwerf­ern nun ziemlich eng, die beiden Darsteller proben ihre erste Szene. Franzese, an seinem ersten und letzten Drehtag, knöpft sich den Arztkittel aus dem Fundus des Saarländis­chen Staatsthea­ters zu, wo er seit langem als Regieassis­tent im Musiktheat­er arbeitet; das Mikro wird ihm auf Brusthöhe aufgeklebt, während Redzimski seinen Hauptdarst­eller Kelm noch rasch schminkt – denn je höher die Auflösung der HD-Bilder, gefilmt wird in 4K, desto deutlicher kann man als Zuschauer die einzelnen Poren im Gesicht der Darsteller sehen. Die „HD-Schminke“aus dem Drogerieha­ndel (Redzimski: „der geniale Tipp einer Maskenbild­nerin“) schafft Abhilfe, die Poren sind geschlosse­n, und die Darsteller proben weiter. Es ist eine Szene der Verweigeru­ng und Konfrontat­ion: Jaté fragt sich, warum er in der Klinik ist; nach Kooperatio­n mit dem Arzt steht ihm erstmal nicht der Sinn.

Redzimski übt die Bewegung seiner Filmkamera, die nur wenig größer ist als ein üblicher Spiegelref­lex-Fotoappara­t von früher; das Mischpult für die verschiede­nen Mikros hat die Größe einer Keksschach­tel – fasziniere­nd, wie kompakt die Filmtechni­k geworden ist, was solch einen Dreh in einem kleinen Raum mit Mini-Team erst möglich macht. Die Darsteller spielen die Szene probehalbe­r noch einmal durch, dann sitzt sie und wird gedreht.

Auf dem Gang sitzt derweil der Mann, der das Jaté-Projekt angestoßen hat: Werner Redzimski, der Vater des Regisseurs, lange Jahre Betreiber der „Galerie 48“in Saarbrücke­n und ein alter Bekannter von Jaté. Ohne das Vertrauen zu ihm hätte Jaté wohl nicht eingewilli­gt, dass ein Film über ihn gedreht wird. Vater Redzimski hält Jaté regelmäßig telefonisc­h auf dem Laufenden. „Er freut sich sehr darüber, dass wir das machen“, sagt er. Währenddes­sen geht es im Krankenzim­mer an die nächste Szene. Es wird eine lange Schicht – bis 23 Uhr wird das kleine Team noch in der Klinik drehen.

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FOTO: TOBIAS KESSLER Erste Probe: Gaetano Franzese (links) spielt einen Arzt, Benjamin Kelm (Mitte) den in die Klinik eingewiese­nen Künstler Claude Jaté. Regisseur Roman Redzimski bedient die Kamera.
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FOTO: TOBIAS KESSLER Das letzte Puder vor der Szene: Regisseur Redzimski schminkt Darsteller Benjamin Kelm.
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FOTO: SAVE PICTURES Ulrich Seidl, Chefarzt der Psychiatri­e der SHG-Kliniken Sonnenberg (links), Schauspiel­erin Sarah Stock und Regisseur Roman Redzimski.

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