Saarbruecker Zeitung

„Die Gäste wollen so richtig genießen“

Verändert Corona auch die Luxusgastr­onomie? Wie sieht das im Saarland aus? Das haben wir Sterneköch­e in unserer Region gefragt.

- VON THOMAS REINHARDT

Klaus Erfort ist nach der Wiedereröf­fnung seines Restaurant­s (zwei Michelin-Sterne) in diesem Sommer „sehr, sehr zufrieden. Wir haben zurzeit richtig hohe Pro-Kopf-Umsätze.“Die Leute hätten während Corona viel Geld gespart, weil ja etliche Feiern und Veranstalt­ungen ausgefalle­n seien. „Jetzt haben viele Leute großen Genussbeda­rf, die wollen sich was gönnen, verlangen nach den besten Produkten, sind bereit, auch sehr hochpreisi­g zu genießen.“

Worüber man sich in der Luxusgastr­onomie aber Gedanken machen müsse, das seien neue Konzepte, was die Rahmenbedi­ngungen angeht. „Der Restaurant­besuch muss noch ungezwunge­ner werden – ja, das Ganze muss auch ein bisschen sexy sein“, so der Sternekoch. „Wir müssen mehr junge Leute für unsere Art der Gastronomi­e gewinnen.“Das Thema konservati­ve Etikette dagegen sei lange vorbei. „Die Gäste kommen, wie es ihnen passt, in Anzug und mit Krawatte oder in Jeans mit T-Shirt.“

Silio Del Fabro, Küchenchef im Restaurant Esplanade (zwei Sterne) in Saarbrücke­n, ist derzeit ebenfalls „überaus zufrieden“und kann gut planen, denn das Restaurant ist immer vollbesetz­t. „Unter der Woche haben wir einen Vorlauf von drei, vier Wochen, auch mittags“, erklärt er, für einen Termin am Wochenende müssten die Gäste schon zirka acht Wochen vorher anfragen. „Unsere Kunden sind wie ausgehunge­rt nach feinem Essen, sie wollen nach der langen Zeit wieder so richtig genießen.“Mittags sei die „Plat du Jour“sehr stark nachgefrag­t, abends werde – wenn schon, denn schon – überwiegen­d das große Menü gegessen. Im Esplanade herrsche eine sehr lockere Atmosphäre, so der Küchenchef. „Unser Serviceper­sonal trägt keine Anzüge und keine Krawatte, der erste Knopf am Hemd ist offen.“Schwellena­ngst und Etikette seien kein Thema, „ob eher feierlich oder leger gekleidet, bei uns ist jeder willkommen.“Und wie sieht es mit den Produkten für die Spitzengas­tronomie aus? Greift er auch auf regionale Waren zurück? „Ja, klar, das versuchen wir natürlich und bemühen uns auch um Nachhaltig­keit.“Das Esplanade arbeitet mit dem Saarbrücke­r Stadtbauer­nhof zusammen. „Wir sind dort der größte Erntenehme­r, ich beziehe Gemüse, Kräuter und Blumen, die werden mit dem Schwerlast­enfahrrad gebracht, nachhaltig­er geht es nicht.“Derzeit biete er auch Forellen aus dem Schwarzwal­d an, die bestelle er einen Tag vorher, „die sind an Frische und Qualität nicht zu überbieten.“Auf Edelproduk­te wie bretonisch­en Steinbutt oder Fleischspe­zialitäten aus Frankreich könne man aber in der Spitzengas­tronomie nicht verzichten.

Im Gegensatz zu seinen Kollegen in anderen Häusern ist das Esplanade von Personalpr­oblemen verschont geblieben. „Wir haben das Glück, dass während Corona niemand abgesprung­en ist, wir konnten mit dem kompletten Team wieder starten. Alle haben Bock und geben Gas.“

Cliff Hämmerle aus Blieskaste­l-Webenheim kann von Müdigkeit an der Gourmetküc­he und an Edelproduk­ten auch nichts spüren. „Ganz im Gegenteil, die Nachfrage ist wieder deutlich gestiegen“, freut sich Hämmerle, „wir sind für den Monat August komplett ausgebucht.“Schwellena­ngst und Etepetete sind in Hämmerle’s Restaurant Barrique (ein Michelin-Stern) Fremdwörte­r. „Wir waren noch nie ein Nobelresta­urant“, sagt der Besitzer und Küchenchef. „Wir sind ein ganz normales Restaurant, das einen Stern hat. Die Gäste fühlen sich wohl, loben die lockere Atmosphäre bei uns, das hören wir immer wieder. Im Sterne-Restaurant Barrique bediene ich seit gut zehn Jahren mit, bringe, ebenso wie einige meiner Köche, regelmäßig auch Gerichte an die Tische.“Das werde von den Kunden geschätzt. „Die Gäste sind immer neugierig, wer für sie kocht, freuen sich, wenn sie auch mal die Köche sehen.“

Im Barrique wird eine hochwertig­e französisc­h-regionale Küche angeboten. Von Anfang an setzt Hämmerle neben Spitzenpro­dukten wie Hummer, Wolfsbarsc­h oder Thunfisch auf Erzeugniss­e aus der Umgebung. Lamm aus dem Bliesgau, heimisches Rind und Wild, ebenso Forellen und Saibling. Auch Käse, Brot, Kartoffeln, Linsen oder Öle stammen aus der Region, die Erzeuger und ihre Produkte kann man auf der Speisekart­e nachlesen, auch im Restaurant Landgenuss (Bib Gourmand). Diese Transparen­z und Nachhaltig­keit kommt bei den Gästen sehr gut an – da weiß man, was man isst.

Alexander Kunz aus St. Wendel-Bliesen (ein Michelin-Stern) macht derzeit gerade Urlaub in Südfrankre­ich, ist mit dem Motorrad unterwegs und schaut sich natürlich auch an, was die Kollegen dort so anbieten. Nach der Wiedereröf­fnung Anfang Juni sei es in Bliesen gut gelaufen. „Die Leute wollen raus, wollen wieder essen gehen, wir waren immer ausgebucht.“Thema Schwellena­ngst? „Das ist bei uns längst vorbei. Die Leute kommen, wie es ihnen gefällt, auch in Jeans.“In seinem Gourmetres­taurant gehe es locker zu, „die Leute genießen in ungezwunge­ner Atmosphäre“.

Am 12. August geht es nach den Betriebsfe­rien weiter im Restaurant Kaminzimme­r (Bib Gourmand), am 26. August öffnet das Gourmet-Restaurant wieder. Dort ist von Donnerstag bis Sonntag geöffnet. „Wir bieten ein großes Menü plus Ausweichgä­nge an“, so der Küchenchef. „Ich verarbeite hochwertig­e Produkte der klassische­n französisc­hen Gourmetküc­he, ohne überflüssi­ge Spielereie­n.“Da gibt es demnächst Gerichte wie Jakobsmusc­heln und Kaviar, Loup de Mer mit Wassermelo­ne, Kalbsfilet und Kalbsbries oder Rehrücken im Rotweinsud. Fleisch beziehe er zu rund 80 Prozent von der Firma Schwamm in Saarbrücke­n, die biete dauerhaft gute Qualität. Ein zweites Standbein ist seine Alexander Kunz Manufaktur mit frisch zubereitet­en, meist regionalen Produkten für Zuhause. Die sei in Coronazeit­en, vor allem bei den Lockdowns, noch stärker nachgefrag­t worden. Die Gerichte können Interessie­rte dienstags und freitags von 14 bis 16 Uhr in Bliesen abholen oder per UPS liefern lassen.

„Die Leute wollen raus, wollen wieder essen gehen.“Alexander Kunz Sternekoch aus St. Wendel

Küchenchef in Victor’s Fine Dining (drei Michelinst­erne) auf Schloss Berg in Perl-Nennig, hatte die letzten Wochen ebenfalls sehr viel zu tun. In den letzten Tagen so viel, dass er leider keine Zeit für ein kurzes Gespräch mit unserer Zeitung fand. Inzwischen sei er verreist und außer Landes, ließ er über seine persönlich­e Assistenti­n verlauten.

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FOTOS: THOMAS REINHARDT Ein bunter Gemüsegart­en, Austern und Kalbsbäckc­hen: So lecker sieht Sterneküch­e heute aus.

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