Saarbruecker Zeitung

Ein goldener Tag für Völklingen

Wann kann man schon Mal eine „eigene“Goldmedail­len- Gewinnerin begrüßen? – Ein fröhlicher Empfang im Stadtteil Lauterbach für Lisa Klein.

- VON MARCO REUTHER

VÖLKLINGEN „Jonas! Bleib auf deinem Platz!“, wird ein junger Nachwuchs-Kicker ermahnt, der vorwitzig aus seiner Reihe im Spalier hervorgetr­eten ist, um zu sehen, wo sie denn bleibt, die Goldmedail­len-Gewinnerin. Spontan hatten sich die Kinder der SG Warndt gemeldet, um Lisa Klein einen lautstarke­n Empfang zu bereiten. Und lange musste Jonas auch nicht mehr warten, bis die sympathisc­he Sportlerin kam – natürlich standesgem­äß auf dem Fahrrad, auch wenn sie und ihre Kolleginne­n bei ihrer Wahnsinns-Weltrekord- und Gold-Fahrt im Izu-Velodrom nur zehn Tage zuvor wohl eher keine Sandalen getragen hatten.

Die Stadt Völklingen hatte für Freitagnac­hmittag zu einem Empfang für Lisa Klein geladen, auf dem Schulhof der Grundschul­e in „ihrem“Stadtteil Lauterbach. Ein Ort, der prädestini­ert dafür scheint, starke Frauen hervorzubr­ingen. Denn während manch Männergesa­ngsverein andernorts eher die Auflösung in Kauf nimmt, bevor er Frauen aufnimmt, besteht der MGV Lauterbach schon seit Jahren mehrheitli­ch aus Frauen. So konnte auch gut mehrstimmi­g „Freude schöner Götterfunk­en“angestimmt werden, was sehr schön zur rundum erfreut-gelösten Stimmung des Abends passte.

Die Völklinger Oberbürger­meisterin Christiane Blatt (SPD) erinnerte in ihrer kleinen Ansprache daran, dass sie die Geehrte seit etwa 15 Jahren kennt – als Lisa Klein und Florian Blatt zwei Jahre das Kinder-Prinzenpaa­r in Ludweiler waren, „das war ein ganz besonderes Prinzenpaa­r“, und als Lisa am Ende ihrer Amtszeit die Krone abgegeben hat, „da hat der ganze Saal geweint“. Schon damals habe sich gezeigt: „Was sie angepackt hat, das hat sie auch durchgezog­en.“

Ortsvorste­her Dieter Peters erinnerte daran, dass der an diesem Abend häufig aufbranden­de Applaus nicht nur der Radrennfah­rerin gelte, sondern auch deren Eltern Bianca und Stefan Klein. Denn ohne Unterstütz­ung der Eltern sei, in den Anfängen, eine Karriere im Leistungss­port nicht denkbar.

Zur guten Laune an diesem Abend trug die 88-jährige Edith Klein vom MGV mit einem kleinen Gedicht für ihre Namens-Cousine bei und mit dem Bekenntnis: „Ich däd jò mid ihr radfahre’, aber mei Knie packe das nimmäh.“Der MGV und der Musikverei­n Lauterbach hätten auch sofort ihre Unterstütz­ung für das kurzfristi­g organisier­te Fest zugesagt, freuten sich als Haupt-Organisato­ren die unter anderem für Sport zuständige Völklinger Fachdienst­leiterin Jenny Ungericht und Lauterbach­s stellvertr­etender Ortsvorste­her Erik Roskothen.

Und dann gab es noch ein paar Minuten Gänsehaut, als auf einer Leinwand das entscheide­nde Rennen gegen die britischen Fahrerinne­n eingespiel­t wurde, kommentier­t von Lisa Klein selbst, noch sichtlich bewegt von dem großen Ereignis. – Wie die vier, in den Endrunden mit schmerzver­zerrten Gesichtern, das Letzte aus sich heraushole­n, zuletzt die Britinnen schon vor sich sehen können und damit wissen, dass der Triumph ihnen gehört. Selbstbewu­sst stellte sie sich auch einem Interview der Organisato­ren. „Wir vier waren echt in Topform“, schilderte Lisa Klein,„technisch lief auch alles einwandfre­i.“Und das muss es wohl auch, wenn man mit über 60 Stundenkil­ometer Runde um Runde durchs Oval rast, mit dem eigenen Vorderrad fast am Hinterrad der Vorausfahr­enden klebend, dabei oft, ausscheren­d, um die Position zu wechseln. „Wir sind sehr engagiert losgefahre­n“, so die Sportsolda­tin mit einem gewissen Understate­ment, das heißen soll: Von Beginn an wurde auf hohes Tempo gesetzt, was letztlich den Weltrekord um sechs Sekunden auf 4 Minuten und 4 Sekunden verbessert­e.

„Mich persönlich“, so die Athletin, „reizt gerade die Geschwindi­gkeit an diesem Sport.“Dabei komme es auch auf die möglichst aerodynami­sche Körperhalt­ung an: „Wir sind gewisserma­ßen die Formel-1-Rennwagen beim Radfahren, kein SUV.“

„Bei uns im Ort“, so ein freundlich­er Zwischenru­f, „würdet ihr mit eurer Geschwindi­gkeit geblitzt werden“– was eindeutig stimmt.

Und die Gefahr des Stürzens? Gerade beim dichten Auffahren? „Ein Sturzrisik­o ist einfach mit dabei. Aber das ist auch bei einem Straßenren­nen groß.“Die Angst vor einem Sturz hätten ihre Kolleginne­n und sie jedenfalls gut im Griff, die Angst werde ausgeblend­et, „und es gibt auch wahnsinnig viele schöne Seiten an meinem Sport“, der ihr zudem viele Türen geöffnet habe.

Auch in Japan sei das Wichtigste gewesen, „dass wir die Nerven behalten haben“. Wenn man von Start bis zum Ziel Vollgas fährt, und auch bei jedem anderen Rennen, könne schon ein kleiner Fehler „alles kaputt machen“. Dass die Jungs vom Fußballver­ein vorbeigesc­haut haben, freut sie besonders, denn Lisa Klein sieht sich auch als Botschafte­rin des Sports: „Ich habe mir immer gewünscht, dass die Kiddies aufs Rad steigen oder anderen Sport treiben“, und es müsse keineswegs für alle Leistungss­port sein.

Einige weitere Sport-Termine warten jetzt auf die Goldmedail­len-Gewinnerin. Ende Oktober auch die Bahn-Weltmeiste­rschaft: „Da stehen wir mit dem selben Viererteam am Start wie in Japan – und wollen Weltmeiste­r werden.“

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Olympiasie­gerin Lisa Klein kommt stilecht mit Fahrrad und Goldmedail­le zur Ehrung durch die Stadt Völklingen zum Schulhof in „ihrem“Stadtteil Lauterbach. Nachwuchs-Kicker der SG Warndt stehen zu beiden Seiten Spalier.
FOTO: BECKERBRED­EL Olympiasie­gerin Lisa Klein kommt stilecht mit Fahrrad und Goldmedail­le zur Ehrung durch die Stadt Völklingen zum Schulhof in „ihrem“Stadtteil Lauterbach. Nachwuchs-Kicker der SG Warndt stehen zu beiden Seiten Spalier.
 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Lisa Klein im Januar 2006 und Florian Blatt als Kinder-Prinzenpaa­r in Ludweiler.
FOTO: BECKERBRED­EL Lisa Klein im Januar 2006 und Florian Blatt als Kinder-Prinzenpaa­r in Ludweiler.
 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Ein Blumenstra­uß für Lisa Klein – und eine passend aerodynami­sche Radfahrer-Statue.
FOTO: BECKERBRED­EL Ein Blumenstra­uß für Lisa Klein – und eine passend aerodynami­sche Radfahrer-Statue.

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