Saarbruecker Zeitung

Wie sich Speerwerfe­r Johannes Vetter nach seinem Olympia-Drama rehabiliti­eren will.

Nach dem Olympia-Drama will sich der deutsche Speerwurf-Star mit Weltklasse-Leistungen rehabiliti­eren.

- VON KRISTOF STÜHM

OFFENBURG (sid) Bevor Johannes Vetter demnächst im Italien-Urlaub die Seele baumeln und den Strand genießen kann, hat das Speerwurf-Ass noch viel vor. Nach den noch anstehende­n sechs Wettkämpfe­n in dieser Saison sollen wieder „alle wissen, wer das Maß aller Dinge ist im Speerwerfe­n“, sagt Vetter, der an diesem Sonntag erstmals nach seinem Olympia-Drama und dem verpassten Gold in Offenburg wieder die Bühne betritt. Und nebenbei kämpft Vetter auch für mehr Gerechtigk­eit in seiner Disziplin.

„Ich bin in kein Loch gefallen.“Speerwurf-Star Johannes Vetter über sein Olympia-Drama

Sein Ziel: Genormte Kriterien für die Beschaffen­heit des Anlaufs, damit jeder Werfer bei Olympia, WM oder EM auch weiß, was auf ihn zukommt. Der Belag solle „standardis­iert“werden, fordert der Weltmeiste­r von 2017. Vetter geht es dabei nicht um die Laufbahn im ganzen Stadion, „es reichen die letzten vier, bis acht Meter“, beim Anlauf der Speerwerfe­r: „Da lasse ich mir die Butter nicht vom Brot nehmen. Ich will eine Lösung finden, die für alle passt“, sagt er unmissvers­tändlich.

Der Aufwand, um einen solchen Standard-Belag zu verlegen, sei „total gering. Das könnte ich am Tag vor dem Wettkampf fast selber machen“, sagt Vetter, der bereits entspreche­nde Gespräche führt und beim Weltverban­d World Athletics sein Anliegen einreichen will. Sollte der 28-Jährige kein Gehör finden, will er darüber nachdenken, seine „Arztrechnu­ngen zu sammeln und World Athletics zu schicken. Da kommt einiges zusammen“. Der Pole Marcin Krukowski, hinter Sportsolda­t Vetter die Nummer zwei der Welt und in Tokio wie London-Olympiasie­ger Keshorn Walcott bereits in der Qualifikat­ion gescheiter­t, prüft sogar schon rechtliche Schritte wegen der Bahn.

Vetter, nach seinen 90-Meter-Würfen in Serie als Topfavorit nach Tokio gereist, war bei Olympia nicht über 82,52 Meter und Platz neun hinausgeko­mmen. Auf dem neu verlegten Belag konnte der Sportsolda­t seine Technik nicht umsetzen, war immer wieder weggerutsc­ht, wie beim „Aquaplanin­g“. Der in Japan verlegte neue Hightech-Mondo-Belag habe durch einen mit Luftbläsch­en durchsetzt­en Unterbau nicht die erforderli­che Härte besessen, wie sie ein „Kraftwerfe­r“wie Vetter benötige. Werfer mit einer anderen Technik kamen mit dem Belag besser zurecht. „Diese Machtlosig­keit, dass ich nicht abrufen konnte, was ich draufhabe“, treibt Vetter weiter um.

Die Probleme des 28-Jährigen mit rutschigen Anlauffläc­hen sind nicht neu. Schon 2018 wurde der Speerwurfa­nlauf im Berliner Olympiasta­dion auf Drängen der deutschen Werfer wenige Monate vor der Europameis­terschaft neu ausgehärte­t. Auch vor den deutschen Meistersch­aften 2021 in Braunschwe­ig wurde die Bahn mit Klebstoff zur Aushärtung des Belags neu versiegelt.

Am Sonntag wirft er in Offenburg erstmals wieder nach seiner Rückkehr aus Japan, zudem stehen für ihn noch Wettkämpfe in Lausanne, Paris, Chorzów, Zürich und Berlin an. Tokio sollte der Höhepunkt seiner Karriere werden, fünf Jahre hat er nur für diesen einen Tag trainiert, „aber ich bin in kein Loch gefallen“, sagt Vetter, auch wenn er sich über die Verhältnis­se dort weiter „tierisch aufregt“. Bundestrai­ner Boris Obergföll hatte sich nach dem Wettkampf noch drastische­r ausgedrück­t und erklärt, man fühle sich

„beschissen und betrogen“.

Doch es geht weiter, immer weiter. Vetter will auch in Zukunft antreten, um „Weltrekord oder vielleicht 100 Meter zu werfen“. Doch dafür braucht er den richtigen Belag beim Abwurf. „Das sportliche Desaster von Tokio ist für Johannes auch ein finanziell­er Schlag in die Magengrube“, sagt Obergföll, der in Offenburg auch Meetingdir­ektor ist: „Wir werden künftig die Starts nach den Belägen in den Stadien auswählen.“Beim Heim-Meeting am Sonntag wird der ehemalige Saar-05-Athlet seine Wunschbedi­ngungen vorfinden.

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FOTO: KAPPELER/DPA Johannes Vetter tritt am Sonntag bei seinem Heim-Meeting in Offenburg an – und will weit werfen.

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