Wie sich Speerwerfer Johannes Vetter nach seinem Olympia-Drama rehabilitieren will.
Nach dem Olympia-Drama will sich der deutsche Speerwurf-Star mit Weltklasse-Leistungen rehabilitieren.
OFFENBURG (sid) Bevor Johannes Vetter demnächst im Italien-Urlaub die Seele baumeln und den Strand genießen kann, hat das Speerwurf-Ass noch viel vor. Nach den noch anstehenden sechs Wettkämpfen in dieser Saison sollen wieder „alle wissen, wer das Maß aller Dinge ist im Speerwerfen“, sagt Vetter, der an diesem Sonntag erstmals nach seinem Olympia-Drama und dem verpassten Gold in Offenburg wieder die Bühne betritt. Und nebenbei kämpft Vetter auch für mehr Gerechtigkeit in seiner Disziplin.
„Ich bin in kein Loch gefallen.“Speerwurf-Star Johannes Vetter über sein Olympia-Drama
Sein Ziel: Genormte Kriterien für die Beschaffenheit des Anlaufs, damit jeder Werfer bei Olympia, WM oder EM auch weiß, was auf ihn zukommt. Der Belag solle „standardisiert“werden, fordert der Weltmeister von 2017. Vetter geht es dabei nicht um die Laufbahn im ganzen Stadion, „es reichen die letzten vier, bis acht Meter“, beim Anlauf der Speerwerfer: „Da lasse ich mir die Butter nicht vom Brot nehmen. Ich will eine Lösung finden, die für alle passt“, sagt er unmissverständlich.
Der Aufwand, um einen solchen Standard-Belag zu verlegen, sei „total gering. Das könnte ich am Tag vor dem Wettkampf fast selber machen“, sagt Vetter, der bereits entsprechende Gespräche führt und beim Weltverband World Athletics sein Anliegen einreichen will. Sollte der 28-Jährige kein Gehör finden, will er darüber nachdenken, seine „Arztrechnungen zu sammeln und World Athletics zu schicken. Da kommt einiges zusammen“. Der Pole Marcin Krukowski, hinter Sportsoldat Vetter die Nummer zwei der Welt und in Tokio wie London-Olympiasieger Keshorn Walcott bereits in der Qualifikation gescheitert, prüft sogar schon rechtliche Schritte wegen der Bahn.
Vetter, nach seinen 90-Meter-Würfen in Serie als Topfavorit nach Tokio gereist, war bei Olympia nicht über 82,52 Meter und Platz neun hinausgekommen. Auf dem neu verlegten Belag konnte der Sportsoldat seine Technik nicht umsetzen, war immer wieder weggerutscht, wie beim „Aquaplaning“. Der in Japan verlegte neue Hightech-Mondo-Belag habe durch einen mit Luftbläschen durchsetzten Unterbau nicht die erforderliche Härte besessen, wie sie ein „Kraftwerfer“wie Vetter benötige. Werfer mit einer anderen Technik kamen mit dem Belag besser zurecht. „Diese Machtlosigkeit, dass ich nicht abrufen konnte, was ich draufhabe“, treibt Vetter weiter um.
Die Probleme des 28-Jährigen mit rutschigen Anlaufflächen sind nicht neu. Schon 2018 wurde der Speerwurfanlauf im Berliner Olympiastadion auf Drängen der deutschen Werfer wenige Monate vor der Europameisterschaft neu ausgehärtet. Auch vor den deutschen Meisterschaften 2021 in Braunschweig wurde die Bahn mit Klebstoff zur Aushärtung des Belags neu versiegelt.
Am Sonntag wirft er in Offenburg erstmals wieder nach seiner Rückkehr aus Japan, zudem stehen für ihn noch Wettkämpfe in Lausanne, Paris, Chorzów, Zürich und Berlin an. Tokio sollte der Höhepunkt seiner Karriere werden, fünf Jahre hat er nur für diesen einen Tag trainiert, „aber ich bin in kein Loch gefallen“, sagt Vetter, auch wenn er sich über die Verhältnisse dort weiter „tierisch aufregt“. Bundestrainer Boris Obergföll hatte sich nach dem Wettkampf noch drastischer ausgedrückt und erklärt, man fühle sich
„beschissen und betrogen“.
Doch es geht weiter, immer weiter. Vetter will auch in Zukunft antreten, um „Weltrekord oder vielleicht 100 Meter zu werfen“. Doch dafür braucht er den richtigen Belag beim Abwurf. „Das sportliche Desaster von Tokio ist für Johannes auch ein finanzieller Schlag in die Magengrube“, sagt Obergföll, der in Offenburg auch Meetingdirektor ist: „Wir werden künftig die Starts nach den Belägen in den Stadien auswählen.“Beim Heim-Meeting am Sonntag wird der ehemalige Saar-05-Athlet seine Wunschbedingungen vorfinden.