Grün und Blau: Hannovers bunte Vielfalt
Ein Städtetrip in Niedersachsens Landeshauptstadt kann sehr erholsam sein – dafür sorgen der Maschsee und die Eilenriede.
HANNOVER 24 blitzende Zapfhähne ragen dem Tresen der Craft Bier Bar am Burghof mitten in Hannovers Altstadt hervor. Die Eckkneipe ist eine der zahlreichen gastronomischen Möglichkeiten, um einen Tag ausklingen zu lassen. „Etwa alle zwei Wochen wechseln wir das Sortiment, bieten den Gästen stets etwas Neues“, erzählt die blonde Gastwirtin und lächelt. Freunde der boomenden internationalen Craftbeerszene kommen voll auf ihre Kosten. Auf Schiefertäfelchen geschrieben findet sich eine Übersicht der erstaunlichen Auswahl edler Gerstensäfte. Genau das Richtige, wenn man wenige Stunden zuvor Kap Hoorn umsegelt hat.
Kap Hoorn nennen die Hannoveraner eine markante Landzunge, die in den Maschsee hineinragt. Die große Wasserfläche besitzt einen eigenen, gut frequentierten Sandstrand, das Glanzlicht des idyllischen Freizeitgebietes. „Das Segeln um Kap Hoorn kann schon eine besondere Herausforderung sein. Mikroklima und Wind bringen unsere Jollen gerne einmal ins Schwanken.“Nur mit Segelschein darf deshalb in See gestochen werden, berichtet Heidi Rehns von der Yachtschule, während sie geschickt die Segel rafft. „Der Maschsee ist gut zwei Meter tief und wurde in den 1930er-Jahren mit einfachsten Werkzeugen ausgegraben.“Der Ausflug auf das Wasser gilt indes als eine entspannte Art dem Trubel der 500.000 Einwohner Metropole zu entfliehen.
Wenn man die drangvolle Enge und die Fahrt des einzigartigen Schrägaufzugs in die Kuppel des Neuen Rathauses von 1913 überstanden und die Wendeltreppe bis in die Spitze erklommen hat, belohnt eine grandiose Rundumsicht. Bei klarem Wetter erhebt sich gar der Brocken am Horizont. Der Maschsee glitzert in südwestlicher Richtung, umringt von Alleen und Grünanlagen, im Nordosten macht die Eilenriede ihrem Ruf als grüne Lunge alle Ehre. „Die Eilenriede gehört europaweit mit gut 6,4 Quadratkilometern zu den größten zusammenhängenden, städtischen Waldgebieten.“Elke Siebert ist merklich stolz auf ihre Stadt und erzählt überschwänglich aus der Stadtgeschichte, die mit einer nahezu 90-prozentigen Zerstörung 1943 ihren traurigen Höhepunkt fand. „Aber es wurde wieder aufgebaut. Trümmerfrauen legten Hand an und schufen den Grundstein für das, was wir heute von hier oben sehen können.“
Nach den Wirtschaftswunderjahren erlebte Hannover speziell in der Peripherie einen wahrhaftigen Bauboom. Man legte breite Verkehrsachsen an, welche den zunehmenden Autoverkehr erstaunlich gut lenken und vom Innenstadtkern weitgehend freihalten. In den frühen 1970er-Jahren bemerkte man das Fehlen von Kunst im öffentlichen Raum. So fiel der Entschluss nicht schwer etwas Besonderes anzuschaffen: auf bunte, üppige Nanas der Französin Niki de St. Phalle (1930 bis 2002) fiel die Wahl. Doch die Hannoveraner zeigten sich zunächst wenig begeistert für diese Verwendung von Steuer
geldern. Mittlerweile gehören die Kunstobjekte aber wie selbstverständlich zum Leineufer am Landtagsgebäude.
Niki de St. Phalle bekam noch einmal Gelegenheit sich künstlerisch einzubringen: sie sollte zur Expo 2000 die künstliche Grotte am Herrenhauser Schloss ausgestalten. Die dortigen drei Räume erscheinen nun wie ein winziges, verspiegeltes und mit Kacheln verkleidetes Fantasieschloss, das auf ganz eigene Weise mit den bunten Blumenbeeten und dem weitläufigen Landschaftspark der Barockgärten kontrastiert. Ein heller Raum für den Tag, ein Dunkler für die Nacht und eine große Halle dazwischen. Allesamt dekoriert mit symbolbehafteten, typischen Objekten der Künstlerin, die die etwas verspätete Einweihung 2003 leider nicht mehr erlebte. Wer genau hinsieht entdeckt ein schwarz-weißes Fragezeichen an der Gewölbedecke auf und in der
Nähe die Buchstaben B, E, A und N, mit denen die Künstlerin den britischen TV-Komiker Rowan Atkinson alias Mr. Bean huldigte. Gleichzeitig schlägt sie einen historischen Bogen – sollte doch Kurfürstin Sophie, adelige Begründerin der Herrenhäuser Gärten, 1714 als einzige Protestantin Königin werden. Leider verstarb sie einige Monate zu früh und ihr Sohn Georg I. übernahm das royale Engagement, das die damalige enge Verbundenheit Hannovers mit England besiegelte.
Weit weniger geordnet als der barocke Landschaftspark präsentiert sich die Eilenriede, die grüne Lunge im Häusermeer. Von nur wenigen Wegen durchzogen vergisst man schnell die Nähe zur Stadt. Verkehrslärm weicht heimeligem Vogelgezwitscher. Die Hannoveraner nutzen den Forst für Spaziergänge, Wanderungen und Fahrradtouren. Weite Teile des dichten Baumbestandes überlässt man sogar ganz sich selbst. An einigen Stellen finden sich noch die traditionellen, noch immer bewirtschafteten Milchhäuschen im Stil der 1950er-Jahre für eine Einkehr zwischendurch. Wer mag, kann das „Rad“durchlaufen, ein Rundweglabyrinth im speziell angelegten Rasengarten. Einen kleinen Teil des Waldgebietes nimmt zudem der Hannoveraner Tiergarten ein, der exotische wie heimische Tierwelt im Ambiente eines niedersächsischen Bauernhof-Ensembles zeigt.