Hansemuseum Lübeck: Zurück ins Mittelalter
Im Europäischen Hansemuseum wird bis Ende des Jahres Geschichte sehr anschaulich vermittelt – dank verschiedener Lego-Dioramen.
LÜBECK Gebratene Hühner und Stare, geröstetes Schafsfleisch, gesottener Stör, Wildbret und kalter Rinderbraten, Gebäck, Käse, Früchte, Most, Wein und lübisches Bier. So üppig klingt der Speiseplan. Die Vertreter aus 21 Städten lassen es sich gut gehen beim Hansetag anno 1518. Vor dem Lübecker Rathaus herrscht Volksfeststimmung. Trompeter, Fiedler, Flötenspieler und Gaukler heißen die Kaufleute willkommen. Fast vier Wochen lang werden sie diskutieren, streiten, schließlich Lösungen finden und Beschlüsse fassen, um ihre Waren zukünftig noch rentabler zu vermarkten und zu verkaufen. Im extra für diese Zusammenkünfte eingerichteten Hansesaal sitzen die Delegierten auf fein geschnitztem Gestühl. Über ihren Köpfen flackern Kerzen auf geschmiedeten runden Leuchtern.
Im 12. Jahrhundert waren es zunächst einzelne niederdeutsche Fernhändler, die über holprige Straßen, ungezähmte Flüsse und durch Meere, die durch keinerlei Seezeichen erschlossen waren, reisten. Sie trugen Rüstungen und waren schwer bewaffnet. Zum Schutz vor Räubern und Piraten bildeten sie Fahrtgemeinschaften und schlossen sich schließlich in der Hanse zusammen, um auch ihre wirtschaftlichen Interessen besser vertreten zu können. Seit sechs Jahren kann man die komplexe Geschichte dieses Handelsbündnisses im Europäischen Hansemuseum in Lübeck erkunden. „Ein Gründungsdatum gibt es nicht“, erzählt Museumdirektorin Felicia Sternfeld: „Die Hanse blieb ein loses Bündnis, dem im Laufe der Jahrhunderte 200 Städte
angehörten. 500 Jahre hielt dieses Netzwerk für den Handel im Norden Europas bis in die Küstenstädte am Mittelmeer.“Von den jeweiligen Herrschern erhielten die Händler Privilegien. Dies waren Zollvergünstigungen oder die Erlaubnis, Niederlassungen, die Kontore, zu gründen.
Vier große Auslandskontore in Russland, Flandern, England und Norwegen bilden die Pfeiler der Ausstellung: Am Ufer der Newa liegen schwer beladene Koggen mit Silber, Kupfer, Heringen, Salz und Tuch. Alles ist in Ballen verschnürt oder in Fässern verstaut. Fässer waren die Container des Mittelalters. Nowgorod in Russland ist das Ziel der Männer. Im „Peterhof“tauschen sie ihre Waren gegen Pelze, Bienenwachs und Honig. In der „Oude Halle“am Groten Markt in Brügge stapeln sich bunte Tuche, edle Pelze, Rüstungen, Messinggeschirr und allerlei Gewürze. Im „Stallhof“am Themse-Ufer in London laufen überlebensgroße Porträts einiger Kaufleute über die Museumswände. In der „Tyske Bryggen“im norwegischen Bergen türmt sich die Fastenspeise Stockfisch.
Auch die Entwicklung Lübecks zur „Königin der Hanse“wird gezeigt. Durch den Fernhandel wurde die Stadt steinreich, sodass die feuergefährdeten Holzhäuser durch Backsteinbauten ersetzt werden konnten. Das 2015 fertig gestellte Hauptgebäude des Hansemuseums ist ebenfalls aus Ziegelsteinen errichtet. Die Vorderfront erinnert an die mittelalterliche Stadtmauer, die am Fuße des Burghügels verlief. Auf diesem stehen die verbliebenen Teile des einstigen Burgklosters, das bis zur Reformation die Dominikaner bewohnten. Inzwischen ist es Teil des Museums. Hinter den alten Mauern finden Sonderausstellungen statt. Bis November 2021 leuchten dort mehrere 100.000 Lego-Steine. „Hanse steinreich“lautet das Motto der Ausstellung. René Hoffmeister, der einzige zertifizierte Lego-Modellbauer in Deutschland, hat in seiner Werkstatt im brandenburgischen Niemegk die Kontore und den Hansetag von 1518 in Miniaturformat nachgebaut.
Sechs kindgerechte Dioramen sind mit Lichteffekten und Geräuschen versehen. Hinzu kommen Großmodelle wie ein Hansekaufmann, eine Kogge und ein aufgeschnittenes Kaufmannshaus. „So wollen wir das komplexe Thema ,Hanse’ Kindern ab sieben Jahren und junggebliebenen Lego-Fans leichtfüßig näherbringen“, sagt Kurator André Dubisch: „Einige Szenen sind mit den bunten Kunststoffsteinchen viel ausführlicher dargestellt als in der Dauerausstellung. Wir haben sehr viel Wert auf historische Genauigkeit gelegt.“