Bis zur eigenen Kirche in Hassel hat’s gedauert
Die Hasseler Protestanten bewiesen einen langen Atem, bis sie ihr Gotteshaus in ihrer – endlich – eigenen Pfarrgemeinde hatten.
ST. INGBERT-HASSEL Die evangelische Gemeinde Hassel blickt auf eine lange Geschichte verschiedener Zugehörigkeiten zurück: Im Zeitalter der Reformation war der heutige St. Ingberter Ortsteil eng mit dem Herzogtum Zweibrücken verbunden. 1555 war wiederum ein Pfarrer aus Kirkel für die Gemeinde zuständig. 1609 zählte diese 46 Gemeindemitglieder, gepredigt wurde in einer Stube. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war das Dorf entvölkert. Danach gehörten die Protestanten erst zur Gemeinde Ernstweiler, ab 1700 dann zur reformierten Inspektion Limbach. 1824 wurde die Gemeinde zur Pfarrei Kirkel zugeschlagen. Sowohl Limbach als auch Kirkel lagen aber relativ weit weg von Hassel, sodass der Wunsch nach einem eigenen Gotteshaus im 19. Jahrhundert größer und größer wurde.
1896 etwa kam der Pfarrer von Neuhäusel nur alle drei Wochen für einen Gottesdienst vorbei, den er im protestantischen Schulhaus abhielt. Also gründete sich 1897 ein Kirchenbauverein. Ein Jahr später wurde vom eingesammelten Geld der Mitglieder ein Bauplatz erstanden, 1904 kam noch ein weiteres Grundstück zur Erweiterung hinzu. Die Vereinsmitglieder hätten den Kirchenbau aber niemals ohne weitere Spenden realisieren können: 8667 Mark kamen vom GustavAdolf-Verein, 9800 von der königlichen Regierung der Pfalz, 2000 Mark vom königlichen Bezirksamt St. Ingbert und 4052 Mark aus einer Kirchenkollekte. Anfang September konnte mit diesem Kapital losgelegt werden. Der Bau dauerte ziemlich genau ein Jahr.
Zunächst wurde ein Plan im neogotischen Stil des St. Ingberter Architekten Hugo Hausser verfolgt, der aber letztlich an den Kosten scheiterte. Gebaut wurde dann nach Plänen des Passauer Architekten Ludwig Wagner. Nicht im üblichen historistischen Stil, sondern im damals modernen Jugendstil sollte das Gotteshaus entstehen. Wagner litt jedoch wohl längere Zeit an einer Augenentzündung, sodass sich der Baubeginn abermals verzögerte. Der Kostenvoranschlag belief sich auf 35 000 Mark, am Ende standen aber reale Kosten von 53 354,20 Mark zu Buche. Da war noch eine Steinmeyer-Orgel für knapp 5000 Mark hinzugekommen, die Lohnkosten stiegen in dieser Zeit gerade, und die Erdarbeiten konnten die
Gemeindemitglieder nicht wie vorgesehen selbst ausführen.
Bauamtmann Theodor Geyer aus Kaiserslautern bescheinigte allerdings dennoch eine sparsame Ausführung des Projekts – offenbarwaren die Mehrkosten einfach nicht vermeidbar. Am Sonntag, 11. Oktober 1908, war es dann soweit: Die evangelische Kirche in Hassel konnte eingeweiht werden. Es existiert noch ein altes Foto des Innenraums aus dieser Zeit: Die Kanzel stand damals noch rechts vom Altar, links heizte ein Ofen während der Gottesdienste. Immer noch gehörte die Gemeinde zu Kirkel, was den Hasseler Protestanten aber nach wie vor nicht schmeckte. Nach der kurzen Zeit eines Vikariats wurde im Januar 1926 genehmigt, dass Hassel zur selbständigen Pfarrgemeinde erhoben wurde, zusammen mit den Orten Rohrbach und Niederwürzbach. Oberwürzbach kam 1930 dazu. Dieser Zuwachs führte dazu, dass die Kirche an den hohen Feiertagen zu klein für die Gemeindemitglieder wurde. Man kontaktierte diesbezüglich erneut den Architekten Ludwig Wagner, der auch Pläne zur Erweiterung vorlegte – allerdings erst 1935. In diesem Jahr wurde das Saargebiet per Abstimmung an Nazi-Deutschland angeschlossen. Das wiederum hatte einen verminderten Kirchenbesuch zur Folge: „Immer mehr ist auch in unserem Dorf das Eindringen des neuheidnischen Geistes spürbar“, notierte der damalige Pfarrer Heinrich Oberlinger. Also blieb das Gotteshaus, wie es war.
Die im Krieg beschädigte Kirche erhielt in den 50er-Jahren auf der Ostseite neue Glasfenster. Erich Buschle gestaltete diese in leuchtenden Farben, sie zeichnen das Leben Jesu nach. Das Osterfenster hinter dem Altar wiederum geht auf den ungarischen Architekten und Künstler Györgi Lehoczky zurück.
Erst 1997 wurde die alte, oft überholte Orgel durch eine Walcker-Orgel ersetzt. In jenem Jahr kamen auch vier neue Glocken anstelle der beiden alten in den Turm– die ausrangierten stehen heute vor der Kirche. Sie gehören zu den wenigen, die in keinem der Kriege eingeschmolzen werden mussten. Die vier neuen Klangkörper wurden harmonisch auf das Geläut der katholischen Herz-Jesu-Kirche abgestimmt.
Vor drei Jahren wurde links neben dem Eingang ein Gebetsraum mit beheizten Sitzkissen eingerichtet. Der dortige Feuerdorn sowie das Holzkreuz des Altars schuf der Künstler Erwin Würth. Geplant ist, dass die Kirche auch unter der Woche offen ist, damit die Gläubigen dort zum Gebet finden können.
Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücker Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor.