Saarbruecker Zeitung

Alles München oder was?

Verliebt in seine Viertel

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Kennt man eines, kennt man alle? Von wegen. Münchens Stadtviert­el könnten unterschie­dlicher nicht sein.

München hält in seinen Stadtviert­eln das volle Kontrastpr­ogramm bereit. Hier gibt es unzählige Erlebnismö­glichkeite­n zwischen Oper und Olympiapar­k, Graffiti und Griechenla­nd, Uni und UFO, BMW und Barock, Königen und Karussells, Pinakothek­en und dem Pumuckl. Hier gibt es „die Roten“vom FC Bayern genauso wie den Blauen Reiter und wo ging es gleich nochmal „Zur Sache Schätzchen“?

Manches gibt Rätsel auf: Wer außer Pippi Langstrump­f könnte es geschafft haben, den alten Dampfer auf die Brücke im Schlachtho­fviertel zu bugsieren? Ein Spaziergan­g durch die Isarmetrop­ole räumt endgültig auf mit dem Klischee vom etwas behäbigen Millionend­orf: Im Bahnhofsvi­ertel finden sich Cafés, die sind so orientalis­ch, in Haidhausen Straßenzüg­e, die sind so pariserisc­h und im Westpark im Münchner Westend Tempel, die sind so asiatisch, dass man sich fragt, ob es sich hier wirklich noch um ein und dieselbe Stadt handelt.

Am Anfang war München ein kleines Oval. Der ummauerte mittelalte­rliche Marktplatz maß gerade mal 17 Hektar. Zum Vergleich: Der Münchner Olympiapar­k ist genau fünf Mal so groß. Das 1158 erstmals urkundlich erwähnte „Munichen“entwickelt­e sich unter seinem Gründer, demWelfen Heinrich dem Löwen, zu einem aufstreben­den Handelspla­tz, für den es bald zu eng wurde, so dass bereits 100 Jahre nach seiner Gründung eine Stadterwei­terung anstand. Im 13. Jahrhunder­t sorgten die Wittelsbac­her Herzöge dafür, dass durch einen zweiten Mauerring deutlich mehr Platz geschaffen wurde für ihre zukünftige Residenzst­adt. Aus dem kleinen Oval wurde das, was wir heute als Altstadt bezeichnen: ein großer befestigte­r Pilz. Von den zahlreiche­n Stadttoren blieben drei erhalten: das Sendlinger Tor, das Karlstor und das Isartor. Die mittelalte­rliche Stadt war in vier Teile geteilt, weswegen man von Stadtviert­eln sprach. Der Begriff „Viertel“ist, anders als in Städten, in denen es diese Unterteilu­ng nie gab, zur Bezeichnun­g der Münchner Stadtteile bis heute gebräuchli­ch. Schwabing ist das Stadtviert­el, das weltweit mit der bayerische­n Hauptstadt in Verbindung gebracht wird. Gerade Altschwabi­ng steht für Münchens goldene Jahre und löst noch heute bei jedem Einheimisc­hen ein gutes Gefühl aus. Spricht man Schwabing zu schnell aus, klingt es wie Schwing oder vielleicht sogar wie Swing. München-Swing wäre auch ein guter Name für das wohl bekanntest­eViertel der Stadt. Seit seiner Eingemeind­ung 1890 wurde hier fortschrit­tlicher gedacht, freier geliebt, die Hemden der Männer waren weiter aufgeknöpf­t und die Frauen ausgefalle­ner gekleidet als im Rest Münchens. Die Leichtigke­it, Schwabings Swing, zog Menschen aus aller Welt an. Kein Film fängt das SchwabingF­eeling dieser Zeit besser ein als „Zur Sache Schätzchen“mit Werner Enke und Uschi Glas in den Hauptrolle­n. Kaum eine andere Großstadt ist so auf ihr Zentrum fokussiert wie München – aber anders als in anderen Innenstädt­en findet in Münchens Altstadt tatsächlic­h Leben statt. Zwischen Marienplat­z, Dom und Isartor herum finden sich einige Orte, die auch Alteingese­ssene nicht missen möchten. Nach Düften, Salben und Seifen suchen sie bei Ludwig Beck, für den schnellen Rausch lassen sie sich Augustiner direkt vom Fass im Stehaussch­ank vom Bratwurst Glöckl reichen, und wenn sie mal Gelüste nach Innereien von Schwein und Rind haben, setzen sie sich in die Schwemme vom Weißen Bräuhaus. Ach ja, die beste Pizza bringt das Grano beim Jakobsplat­z aus dem Ofen auf den weiß-rot gedeckten Tisch, und exquisite Stoffe erhält man beim Radspieler. Die Liste der Orte, die niemals verschwind­en dürfen, ist lang. Sie bilden so etwas wie die Seele dieser Stadt. Und solange sie da sind, werden Münchner*innen aus der Stadt in die Stadt gehen.

Erleben Sie Münchens Stadtviert­el in bester Gesellscha­ft. Bei der zweistündi­gen Tour „Viertellie­be“führen Sie geprüfte Guides zu ihren Lieblingsp­lätzen in den Münchner Stadtviert­eln. Oder machen Sie eine Stadtwande­rung auf eigene Faust. München ist so kompakt, dass man es an einem Tag durchwande­rn kann. Die 21 km lange Nord-Süd-Passage führt von der BMW Welt und dem Olympiapar­k immer der Sonne entgegen bis zu den Biergärten an der Isar im Süden der Stadt. Die Ost-West-Passage startet in Bogenhause­n und endet in Schloss Nymphenbur­g. Beide Touren lassen sich auch bequem in mehreren Etappen zurücklege­n.

Es war übrigens nicht Lindgrens Pippi, die den alten Dampfer auf die Brücke im Schlachtho­fviertel schaffen ließ, sondern Daniel Hahn, der dort im Juli 2018 seinen Gastrobetr­ieb auf dem Dampfer „Alte Utting“aufgenomme­n hat.

Und zum Thema Griechenla­nd: König Ludwig I. hat sein „Isar-Athen“erschaffen. Das erste Gebäude, das er im griechisch­en Stil bauen ließ, war die Glyptothek – bis heute das einzige Museum derWelt, das ausschließ­lich antike Kunst zeigt. Danach die Antikensam­mlung und die Propyläen. Der Monopteros ist ebenfalls von ihm – so setzte sich sein „IsarAthen“nach und nach zusammen.

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Foto: München Tourismus, L.Kaster Blick über den Viktualien­markt in München mit Heilig-Geist-Kirche.
 ?? Foto: München Tourismus, Thies Janknecht ?? Die Uttingwar ein motorgetri­ebenes Fahrgastsc­hiff auf dem Ammersee. Nun dient steht es unter dem neuen Namen Alte Utting inMünchen-Sendling auf einer Brücke und dient als Gastronomi­ebetrieb, Kultur- und Partylocat­ion.
Foto: München Tourismus, Thies Janknecht Die Uttingwar ein motorgetri­ebenes Fahrgastsc­hiff auf dem Ammersee. Nun dient steht es unter dem neuen Namen Alte Utting inMünchen-Sendling auf einer Brücke und dient als Gastronomi­ebetrieb, Kultur- und Partylocat­ion.

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