Warum sich Saarländer als Essensretter engagieren
Ob Obst, Gemüse, Backwaren oder auch mal Gin – die Initiative Foodsharing hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Massen an Lebensmitteln, die weggeworfen werden, zu reduzieren. Auch im Saarland sind die Essensretter aktiv.
An einem späten Nachmittag treffen sich Sarah und Melanie (Nachnamen der SZ bekannt), um Lebensmittel zu retten. Die beiden Foodsaverinnen aus dem Landkreis Neunkirchen sortieren gerade unter anderem Obst und Gemüse bei einem Supermarkt, um es später an Freunde und Bekannte zu verteilen. Die Mitarbeiter des Marktes hätten die Waren, die eigentlich noch genießbar sind, in den Müll werfen müssen, weil sie nicht mehr verkauft werden dürfen. Das wollen Sarah und Melanie verhindern. Daher sind sie bei der Initiative Foodsharing (Lebensmittelteilen) aktiv.
Weltweit landen rund jährlich 1,3Milliarden Tonnen Lebensmittel auf dem Müll – alleine in Deutschland rund 18 Millionen. Um dieser Verschwendung entgegenzutreten, wurde 2012 die Initiative Foodsharing gegründet. Nach eigenen Angaben wurden seitdem 52 770 Tonnen Lebensmittel von 99 793 ehrenamtlich aktiven sogenannten Foodsavern und Foodsaverinnen vor der Müll- oder Biotonne bewahrt. Häufig handele es sich um Lebensmittel mit Schönheitsfehlern, Überproduktionen oder Waren, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) abgelaufen sei, hieß es. Aufgrund der
Gesetzeslage müssten diese Nahrungsmittel aus dem Verkehr gezogen werden.
Sarah ist ein nachhaltiger Lebensstil wichtig. Im Januar 2019 war sie auf der Suche nach Möglichkeiten, umweltbewusster zu leben, im sozialen Netzwerk Instagram auf Foodsharing gestoßen. Zuvor habe sie bereits begonnen, Plastik zu reduzieren, sagt Sarah. Sofort hat die 29-Jährige sich weiter über die Initiative informiert, weil sie zunächst davon ausging, dass Foodsharing im Saarland keine Rolle spiele. „Ich war überrascht, dass schon so viele Menschen im Saarland Foodsaver und Foodsaverinnen waren.“Seitdem ist die Retterin bei der Initiative ehrenamtlich aktiv.
Die meisten Foodsaver gehen einem Vollzeitjob nach. Auch Sarah arbeitet Vollzeit. Dennoch ist sie ehrenamtlich als sogenannte Botschafterin aktiv. Das heißt, sie leitet einen Bezirk. „Meine Motivation als Botschafterin ist es, dass immer mehr Menschen von Foodsharing erfahren und wir somit etwas bewirken können und den Wahnsinn der Wegwerfgesellschaft stoppen können“, sagt sie.
Die meisten Bundesländer – auch das Saarland – haben gleich mehrere Bezirke, über die sich die Foodsaver organisieren. Dort können sie Teil von Teams werden, die in einzelnen Betrieben Lebensmittel retten. Auch für den Landkreis Neunkirchen gibt es einen Bezirk, der von Sarah und Melanie als Botschafterinnen geleitet wird: „Wir sind derzeit im Bezirk Neunkirchen 175 Foodsaver und Foodsaverinnen und haben gemeinsam schon über 25 Tonnen Lebensmittel vor der Tonne gerettet“, berichtet Sarah. Täglich kämen neue Helfer und Helferinnen dazu und natürlich auch gerettete Lebensmittel. Um die einzelnen Betriebe zu organisieren, bekommen die beiden Botschafterinnen Hilfe aus den eigenen Reihen. Foodsaver können sich als sogenannte Betriebsverantwortliche melden. In Eigenverantwortung kümmern sie sich dann um die Kooperation mit einzelnen Betrieben.
Im Regionalverband Saarbrücken sind aktuell 529 Retter und Retterinnen aktiv. Dort wurden in 23 400 Einsätzen über 245 Tonnen Lebensmittel vor dem Mülleimer bewahrt. Im Saarland hat der Regionalverband die meisten aktiven Foodsaver und Foodsaverinnen. Weitere saarländische Bezirke gibt es in St. Wendel, St. Ingbert, Blieskastel, Homburg, Saarlouis, Merzig-Wadern und im Mandelbachtal.
„Viele Menschen denken sich oft, als Einzelperson bewirkt man nichts“, sagt die Foodsaverin. Das sieht sie jedoch anders, denn jeder ab 18 Jahren könne Foodsaver werden. Dazu müsse man sich auf der Webseite anmelden und anschließend das Wiki durchlesen. „Dort stehen alle Informationen, die ein Foodsaver benötigt“, erklärt die 29-jährige
Neunkircherin. Nach einem kleinen Aufnahmequiz wählt der Neuankömmling einen Stammbezirk und absolviert dort drei Probeabholungen. Dann darf er sich Foodsaver nennen und gemeinsam mit anderen Lebensmitteln vor der Mülltonne retten.
Wer Sarah und Melanie beim Aussortieren beobachtet, wird schnell feststellen, dass die Mengen unmöglich von zwei Haushalten verbraucht werden können. Aber auch dafür hat Foodsharing eine Lösung. Viele Foodsaver hätten im Familien- und Freundeskreis Abnehmer, die gerettete Lebensmittel nehmen, berichtet Sarah. Dort würden dann die Waren verteilt. Bereichern wollen sich Retter daran nicht. „Es gab auch schon Menschen, die dachten, man könne damit Geld verdienen“, berichtet die 29-Jährige.
Einige Bezirke – auch saarländische – hätten auch sogenannte Fairteiler. „Das ist ein frei zugänglicher Kühlschrank und Schrank, in den jeder Lebensmittel nehmen und bringen kann“, erklärt Sarah. Der Bezirk Neunkirchen sei gerade auf der Suche nach einem Standort für einen Fairteiler. Die Kollegen aus Homburg sind damit etwas weiter. In Bexbach steht seit Anfang Juli ein Fairteiler im örtlichen Sozialkaufhaus. Dort wurde von Foodsavern und Foodsaverinnen eine Ecke mit Kühlschrank und Regal eingerichtet, die von ihnen ehrenamtlich gepflegt wird. Jeden Abend gehe ein Foodsaver oder eine Foodsaverin beim Fairteiler vorbei und schaue nach dem Rechten, dann werde geputzt, gegebenenfalls Verdorbenes aussortiert und auch die Temperatur des Kühlschrankes überprüft.
Manchmal gebe es ungewöhnliche Dinge zu retten, berichtet Sarah. „Ich habe mal einen Wischmop gerettet“, erzählt sie lachend. Den habe sie anschließend im Bekanntenkreis abgegeben. Manche Betriebe gäben auch Saisonware ab, die nicht mehr verkauft werden kann. So habe die Foodsaverin auch mal eine Flasche Gin gerettet.