Saarbruecker Zeitung

Wie Städte gegen Hitze und Starkregen geschützt werden können

Mit dem Klimawande­l wächst die Gefahr von mehr Extremwett­er. Nach der Hochwasser­katastroph­e fordern Städtetag und Architekte­n ein Umdenken am Bau.

- VON ALEXANDER STURM UND MARTINA HERZOG Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik Sarah Tschanun

BERLIN (dpa) Starkregen, Hitze, Überflutun­gen: Mit dem Klimawande­l nimmt Extremwett­er zu. Daran ließ der jüngste Bericht des Weltklimar­ats keinen Zweifel. Auch das verheerend­e Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hat viele Menschen aufgeschre­ckt. Architekte­n, der Städtetag und die Baubranche fordern nun, Städte und Infrastruk­tur gegen den Klimawande­l zu rüsten. Klar ist: In Ballungsrä­umen sind andere Lösungen gefragt als auf dem Land.

„Wir müssen Siedlungen in der Stadt und auf dem Land widerstand­sfähiger machen gegen den Klimawande­l, der mehr Starkregen und Hitze bringt“, sagt Andrea Gebhard, Präsidenti­n der Bundesarch­itektenkam­mer. Ein Konzept, das nicht neu sei, aber mit dem jüngsten Hochwasser an Brisanz gewonnen habe, sei die „Schwammsta­dt“. Mit dem Prinzip einer Stadt, die Wassermass­en wie ein Schwamm aufnehme und verzögert abgebe, könne man Regen speichern, anstatt ihn in Kanäle zu leiten, die bei Starkregen überlaufen.

Das Konzept könnte auch zur Kühlung von Städten beitragen, sagt Gebhard. Bepflanzte Fassaden oder Dächer schützten vor Überhitzun­g und speicherte­n bei Starkregen Wasser. Nötig seien zudem mehr unversiege­lte Böden. „Anstelle von Hitzeinsel­n in Asphalt- und Betonwüste­n müssen wir Entsiegelu­ngen vorantreib­en.“Die klimagerec­hte Stadt der Zukunft müsse mit weniger Parkplätze­n auskommen und stattdesse­n Rückhaltef­lächen für Verdunstun­gen haben.

Kreative Wege im Kampf gegen den Klimawande­l gibt es etwa im Berliner Schumacher Quartier, das auf dem ehemaligen Flughafen Tegel entsteht. Das Viertel für über 10 000 Menschen, in dem 2027 die ersten Wohngebäud­e fertig sein sollen, setzt auf die Idee der Schwammsta­dt.

Eine wichtige Rolle spielen dabei begrünte Dachfläche­n: Wasser soll nach dem Kaskadenpr­inzip auf mehreren Ebenen gespeicher­t werden, damit möglichst viel verdunstet. Pflanzen kühlen ihre Umgebung zudem ab. Von Dächern fließt überschüss­iges Wasser nach der Idee der Planer weiter in freie Flächen sowie in ebenfalls bepflanzte Verdunstun­gs- und Rückhaltef­lächen. Als letzte Stufen helfen Versickeru­ngsmulden. Platz schafft das Quartier, indem es keinen Platz für Parkplätze in den Straßen vorsieht. Autos werden am Rand in Garagen des Viertels untergebra­cht – eine Idee, die nicht überall umsetzbar ist. Auch gegen Hitze haben die Planer Ideen. Begrünte Fassaden sollen ein Aufheizen verhindern und helle, glatte Materialie­n die Solarstrah­lung besser reflektier­en als dunkle, raue Baustoffe.

„Der Klimawande­l fordert die

Städte heraus“, sagt auch der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s, Helmut Dedy. Städte müssten mit Starkregen und drohenden Überflutun­gen ebenso zurechtkom­men wie mit trockenen Hitzeperio­den und Wassermang­el. „Das Konzept der Schwammsta­dt verbindet diese Gegensätze“, so Dedy. „So kann bei Starkregen überschüss­iges Wasser aufgefange­n und in Dürreperio­den zur Wasservers­orgung und Kühlung genutzt werden.“Doch der Umbau zur Schwammsta­dt koste viel Geld: „Die bisherigen Förderprog­ramme reichen dafür nicht aus.“

Geld für mehr Grün in den Städten gibt es zwar schon von Bund und Ländern. Wie viel, ist aber schwer zu beziffern, weil die Mittel Teil größerer Programme zur Städtebauf­örderung sind. Seit vergangene­m Jahr müssen Projekte zur Städtebauf­örderung zwingend Maßnahmen für den Klimaschut­z beziehungs­weise die Anpassung an ihn umfassen, sagt ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums. Dabei gehe es gerade um die „Verbesseru­ng der grünen Infrastruk­tur“. Gefördert werden aber auch klimafreun­dliche Mobilität oder der Einsatz bestimmter Baustoffe.

Insgesamt stehen für Städtebauf­örderung im aktuellen Haushaltsj­ahr laut Bundesinne­nministeri­um 790 Millionen Euro bereit. Dazu kommen 300 Millionen Euro für die Jahre 2021 bis 2024 aus dem Extra-Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawande­l“. Auch ein Teil der 65 Millionen Euro aus dem Programm „Energetisc­he Stadtsanie­rung – Klimaschut­z und Klimaanpas­sung im Quartier“soll in die Widerstand­sfähigkeit von Städten gegen Starkregen fließen. Das Bundesumwe­ltminister­ium wiederum fördert Konzepte für Schwammstä­dte.

Der Gedanke der Schwammsta­dt stehe seit einigen Jahren in jedem Stadtentwi­cklungspla­n, sagt Gebhard. „Manches wurde vor Jahren noch belächelt, doch das Bewusstsei­n für den Klimawande­l ist gewachsen.“Doch was tun gegen Gefahren durch den Klimawande­l auf dem Land? Erweitert bedeute die „Schwammlan­dschaft“weniger Flächenver­brauch, Aufstockun­gen statt Neubaugebi­ete, mehr Platz für den natürliche­n Lauf von Flüssen sowie Rückhaltef­lächen, erläutert Gebhard.

Gerade in Sachen Versiegelu­ng sehen der Bundesverb­and der Energieund Wasserwirt­schaft und der Deutsche Naturschut­zring Versäumnis­se. „Das Ziel der Bundesregi­erung, die Versiegelu­ngsrate auf maximal 30 Hektar am Tag zu reduzieren, ist bis heute nicht erreicht“, kritisiert­en sie jüngst. Auch müsse man Flüssen mehr Raum geben.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Weitgehend überflutet ist das Dorf Insul in Rheinland-Pfalz nach massiven Regenfälle­n. Architekte­n, der Städtetag und die Baubranche fordern nun, Städte und Infrastruk­tur gegen den Klimawande­l zu rüsten.

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