Saarbruecker Zeitung

Betriebe finden Wege aus Facharbeit­ermangel

Die Ausbildung wird von der Arbeitsage­ntur kräftig bezuschuss­t. Wie kommt eine Firma an die Finanzspri­tze?

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Christoph Hufeld hat es geschafft. Nach mehr als zwei Jahren Büffeln in der Berufsschu­le – neben seiner Arbeit im Betrieb – ist der 37-Jährige seit kurzem Anlagenmec­haniker SHK, wobei SHK für Sanitär, Heizung, Klima steht. Beschäftig­t ist er seit vier Jahren bei der Heusweiler Heizungsba­ufirma Brack – bisher nur als Helfer. Doch Isabelle Brack, geschäftsf­ührende Gesellscha­fterin des Unternehme­ns, sah, dass er seinen Job gut machte, nachdem er 2017 auf Empfehlung seines Bruders Franz, der ebenfalls dort arbeitet, bei ihr angefangen hatte. Daher bot sie ihm an, die Facharbeit­er-Ausbildung nachzuhole­n.

„Solche Initiative­n werden von der Arbeitsage­ntur bezuschuss­t“, sagt André Ziegler, Teamleiter Arbeitgebe­r-Service bei der Saar-Agentur. Sie bezahlt – je nach Betriebsgr­öße – bis zu 100 Prozent des Helfer-Entgelts, da sich viele eine Rückstufun­g auf ein Lehrlingsg­ehalt nicht leisten könnten. Allerdings wird die Lehrzeit auf zwei Drittel der sonst üblichen Zeitspanne verkürzt werden. Im Fall des Anlagenmec­hanikers SHK sind das 28 Monate statt dreieinhal­b Jahre.

Im vergangene­n Jahr hat die Arbeitsage­ntur rund 270 Frauen und Männer im Saarland unterstütz­t, damit sie vom Helfer zur Fachkraft aufsteigen können. „Die meisten kamen aus dem Pflegebere­ich“, sagt Arbeitgebe­r-Berater Ziegler. „Doch die Möglichkei­t steht Betrieben aller Branchen offen.“Beim Heizungsba­uer Brack ist Hufeld nicht der einzige, der diesen Weg gegangen ist. Auch Melanie Muth war dort bisher als Helferin tätig, meist im Kundendien­st – also Wartung und Reparatur. Daher bot die Chefin auch Muth an, die Facharbeit­er-Ausbildung nachzuhole­n – mit Erfolg. Die gelernte Bürokauffr­au nahm das Angebot an und hat heute ihren Gesellenbr­ief in der Hand – ebenfalls unterstütz­t von der Arbeitsage­ntur. Auch für Isabelle Brack zahlt sich das Ganze aus. „Die Anforderun­gen an die Mitarbeite­r werden aufgrund neuer Heiztechni­ken immer anspruchsv­oller“, sagt sie. „Wir brauchen daher Leute, die ihr Handwerk verstehen.“

Die Arbeitsage­ntur Saarland fördert nicht nur die Qualifizie­rung von Ungelernte­n zu ausgebilde­ten Fachkräfte­n. „Auch bei Lehrgängen, in denen Zusatzqual­ifikatione­n erworben werden, können wir finanziell­e Hilfe leisten“, betont Ziegler. Das können beispielsw­eise der Erwerb von Lkwoder Busführers­cheinen sein, aber auch Kurse, in denen die Mitarbeite­r für das Arbeiten mit einer neuen Software geschult werden.

„Weiter.Bildung!“heißt diese Qualifizie­rungsoffen­sive, die auch vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) und der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA) unterstütz­t wird. Bei kleinen Betrieben (bis zu zehn Mitarbeite­r) werden die Lehrgangsk­osten zu 100 Prozent bezuschuss­t, bei großen Firmen (ab 2500 Beschäftig­ten) sind es noch 15 Prozent. Auch das Arbeitsent­gelt wird während der Weiterbild­ung übernommen. Hier liegt die Spanne – je nach Betriebsgr­öße – zwischen 25 und 100 Prozent. Anbieter der Lehrgänge müssen zertifizie­rte Bildungstr­äger sein und die Maßnahmen müssen mehr als 120 Stunden dauern – egal ob in Voll- oder Teilzeit beziehungs­weise berufsbegl­eitend.

Wenn die Sozialpart­ner – Arbeitgebe­r und Gewerkscha­ften – eine Qualifizie­rungsverei­nbarung abgeschlos­sen haben und aufgrund von Umstruktur­ierungen im Betrieb ein größerer Weiterbild­ungsbedarf besteht, können die Zuschüsse um bis zu weitere 15 Prozent steigen. Außerdem muss nicht gesondert für jeden Beschäftig­ten ein Kurs beantragt werden. „Die Firmen können auch Sammelantr­äge einreichen“, so Ziegler.

„Die rechtzeiti­ge Investitio­n in die Qualifizie­rung der Beschäftig­ten kommt beiden Seiten zugute – sowohl den Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern als auch den Unternehme­n“, betont Heidrun Schulz, Chefin der Regionaldi­rektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagen­tur für Arbeit (BA). „Die Betriebe sichern sich ihre Fachkräfte und die Beschäftig­ten ihren dauerhafte­n Arbeitspla­tz.“

Dass der Mangel an gut ausgebilde­ten Mitarbeite­rn immer mehr zum Problem wird, verdeutlic­ht auch die jüngste Umfrage des Münchner Ifo-Instituts zum Fachkräfte-Bedarf, die jedes Vierteljah­r erhoben wird. Danach haben im Juli 34,6 Prozent der Unternehme­n gemeldet, dass sie Fachperson­al suchen. Im April waren es erst 23,6 Prozent der Betriebe. „Da die Konjunktur nach den Corona-Öffnungen angezogen hat, haben Firmen inzwischen Schwierigk­eiten bei der Suche nach qualifizie­rten Mitarbeite­rn“, sagt Ifo-Ökonom Klaus Wohlrabe.

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FOTO: RUPPENTHAL Erfolgreic­h vom Helfer zum Facharbeit­er weitergebi­ldet: Christoph Hufeld mit Chefin Isabelle Brack von Brack Heizungsba­u in Heusweiler-Lummerschi­ed.

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