Wie Sulzbach zu den Stadtrechten kam
Vor 75 Jahren, am 18. August 1946, war die feierliche Verleihung. Ein Anlass, in die Stadtgeschichte zu schauen.
SULZBACH Ein Jahr nach dem großen Krieg. Der Wiederaufbau im Saarland läuft 1946 gerade an; mit ziviler Verwaltung und französischer Militärregierung. Gute Nachrichten sind selten, daher wundern sich nicht wenige Sulzbacher, als Saarlands Regierungspräsident Dr. Hans Neureuther verkündet: am 18. August 1946 bekommt Sulzbach Stadtrechte - mit Zustimmung der französischen Militärregierung. Altenwald, Hühnerfeld, Brefeld und Neuweiler sind von da ab keine Ortsteile mehr, sie sind Stadtteile. Die Nachricht gefällt, schnell steht fest: Am 31. August und am 1. September 1946 feiert die Gemeinde die Verleihung der Stadtrechte trotz der Nachkriegsnot „groß“. Mit einer Veranstaltung in der Festhalle sowie einem Umzug durch Sulzbach. Schließlich kämpft die Gemeinde schon länger für ihre Stadtrechte. Schon vor dem Krieg.
Dennoch: Die Nachricht kommt für viele damals überraschend. Obwohl Sulzbach damals mit seinen Ortsteilen 22000 Einwohner hat, es Sitz mehrerer Grubenbehörden ist, es ein Amtsgericht hat, ein Finanzamt, ein Notariat, ein Krankenhaus, mehrere Volksschulen, eine Oberschule für Jungen, eine Berufsschule und eine Bergvorschule, eine große Festhalle. Alles sehr urban damals. Neureuther verleiht die Rechte aber nicht nur daher - sondern auch „aus Anlass des 600-jährigen Bestehens“der Gemeinde. Denn: Vor 675 Jahren taucht der Name der heutigen Stadt erstmals offiziell in einer Urkunde auf. Dieses Dokument haben sie 1946 gerade entdeckt. Die Urkunde ist von Ritter Johann von Saarbrücken und seinem Bruder Mersilis gezeichnet. Am Johannistag, am 24. Juni 1346, bestätigen sie darin, dass sie „ihren Besitz in Solzpach an das Kloster Wadgassen verpfändet“haben.
Dass es für „Solzpach“kurz nach dem Krieg mit den Stadtrechten klappt, ist wohl auch dem damaligen Bürgermeister Karl Bernhard zu verdanken. Er habe die günstige Gelegenheit „beim Schopf gefasst“, er soll „beste Beziehungen“zur französischen Militärverwaltung gehabt haben, heißt es in Chroniken. Zudem sitzen damals mit Richard Kirn in der Regierungskommission und Peter Michely als Landrat zwei Sulzbacher in Schlüsselpositionen der zivilen Verwaltung im Saarland, wie Horst Dieter Schichtel in einer Abhandlung zur Geschichte der Stadt schreibt.
Der Weg zur Stadt ist ein langer, ist Sulzbach doch lange Jahrhunderte ein Anhängsel. Bereits zur Fürstenzeit hat der Ort keinen eigenen „Meier“, keinen herrschaftlichen Beamten. Vielmehr gehört Sulzbach zur „Meierei Dudweiler“. Nachdem 1793 Napoleon in Saarbrücken einmarschiert, steht Sulzbach unter der französischen Mairieverwaltung, auch in dieser Phase als Teil der Mairie Dudweiler. 1815 sind die Franzosen weg, für Sulzbach geht es nach Preußen. Aus dem „Maire“wird wieder der Bürgermeister. Um 1830 kümmert sich die Bürgermeisterei Dudweiler auch um Sulzbach, Fischbach, Neuweiler und Friedrichsthal.
Als 1852 die Eisenbahn in Sulzbachtal kommt, der Bergbau boomt, kommen immer mehr Menschen ins Tal, um zu arbeiten, um dort zu leben. Daher kommt es am 1. Januar 1866 zu einer „ersten Gebietsreform“, die die Großgemeinde Dudweiler aufteilt: in die Bürgermeistereien Dudweiler (mit Fischbach); Sulzbach (mit Altenwald und Hühnerfeld); Neuweiler und Friedrichsthal. Sulzbach ist hernach zum ersten Mal für sich selbst verantwortlich. Der Ortsteil Brefeld entsteht mit dem Abteufen der Kreuzgräbenschächte 1872, da die Grubenverwaltung dort Wohnungen für Grubenbeamte baut. 1876 kommt Neuweiler noch zu Sulzbach dazu. Mit 150 Menschen nur, dafür mit großem Bann- und Waldgebiet. Und: Ohne Bergbaulöcher darunter, ein grubensicheres Gebiet. Das ist auch der Grund, warum es in den 1950er Jahren in Neuweiler zu einem regelrechten Bau-Boom kommt. Aber auch in Altenwald und in Hühnerfeld. Die sozialen Ketteler
vereine bauen viele Häuser. In Neuweiler wächst die Einwohnerzahl damals auf bis zu 6000. Heute leben dort 3700 Menschen. Mit auf ihrem Bann: das größte Industriegebiet der Stadt.
Schnappach kommt erst mit der „zweiten Gebietsreform“1974 hinzu, wechselt aus St. Ingbert, aus dem einstigen Bayern. Zumindest gehört Schnappach seit 1816 zum Königreich Bayern, seit 1824 zu St. Ingbert; Sulzbach hingegen ist damals preußisch. Fast 100 Jahre lang ist Schnappach so etwas wie die bayrische Enklave im preußischen Montanrevier. Zur Jahrhundertwende zählt der Ort rund 1400 Bewohner, 17 Vereine, einen Gendarmerieposten - und über 20 Gasthöfe. Nicht ohne Grund: Im Bayerischen gilt Bier vor dem Gesetzgeber als Grundnahrungsmittel,
im Preußischen nicht. Daher ist das Bier in Schnappach deutlich billiger als in Sulzbach oder Altenwald. Mit anderen Worten: Wenn die Bergleute damals nach der Schicht Brand verspüren, löschen sie ihn meist in Schnappach. Daher die hohe Kneipendichte dort. Um die Jahrhundertwende gab es etwa 50 Häuser, darin 20 Wirtschaften. Die bayrische Tradition hat sich lange in „Bayrisch Zell“gehalten. Noch 1946 stimmen 99 Prozent der Schnappacher gegen einen Wechsel vom einst bayrischen St. Ingbert ins preußische Sulzbach. Und auch beim Anschluss 1974 waren nicht alle Schnappacher froh. Mitfeiern werden sie das Sulzbacher Stadtjubiläum in Schnappach aber sicherlich. Nicht zuletzt, weil dort traditionell gut und gern gefeiert wird.