Saarbruecker Zeitung

Zwischen Salz, Kohle, Glas und Preußisch Blau

Die Industrieg­eschichte Sulzbachs ist eine besonders spannende. Und eine ziemlich facettenre­iche.

- Produktion dieser Seite: Frank Kohler Markus Saeftel

SULZBACH (kip) Die Geschichte Sulzbachs ist eng mit der des Glases, der Kohle, der Farbe Blau – und natürlich mit dem Salz verbunden: Das „weiße Gold“ist im 16. Jahrhunder­t begehrt als Gewürz, als Konservier­ungsmittel. Graf Philipp II. zu Nassau-Saarbrücke­n lässt daher ab 1650 in Sulzbach Salz aus Grundwasse­r gewinnen. Gelohnt hat sich das nie wirklich. Außer, dass in den heute schick sanierten Gebäuden Kulturvera­nstaltunge­n stattfinde­n können. Die Brunnen sind damals nicht ergiebig genug. 1618, zu Beginn des Dreißigjäh­rigen Krieges, legt der Fürst die Saline still.

Im Krieg zerstört 1635 die kroatische Soldateska des kaiserlich­en Generalleu­tnants Gallas Sulzbach vollständi­g. Erst 92 Jahre später, am 14. Oktober 1727, schreibt Graf Friedrich Ludwig von Ottweiler und Saarbrücke­n, dass in Sulzbach doch bitte schön „wieder ein tüchtiges Dorf aufgericht­et“werden solle, um den Einkünften der Regierung „einige Vermehrung und Verbesseru­ng“angedeihen zu lassen. Auch die Salzgewinn­ung startet der Fürst wieder. Doch nur bis 1736 – auch ihm ist sie zu unrentabel.

1765 eröffnet in Sulzbach die Eisenschme­lze auf der „Schmelz“– der Start für die Industrial­isierung, in der sich zunächst Glashütten und eine Blaufabrik in Sulzbach etablieren. Die Blaufabrik startet 1786 mit der Produktion von koch- und lichtfeste­m Preußische­n oder Berliner Blau. Damit lassen sich Stoffe färben. In den 1920er Jahren liefert die Firma ihr Blau bis nach Japan, China, Indien und Südamerika. 1938 ist Schluss. Demnächst sollen die verblieben­en Gebäude abgerissen werden. Baufällig.

Die baulichen Erinnerung­en an die Glashütten sind (größtentei­ls) schon weg. Zwischen 1784 und 1929 gab es insgesamt drei im heutigen Sulzbach: die Mariannent­haler Hütte in Schnappach. Sie stellte Tafelglas her, ab 1831 Flaschen und ab den 1860er Jahren auch Mousselin- und Ornamentgl­as, sowie ab 1874 Mattglas, ab 1864 Glasmalere­iarbeiten für Kirchenfen­ster; 1918 die Stilllegun­g. Ab 1815 produziert Carl Philipp Vopelius in einer zweiten Schnappach­er Glashütte hauptsächl­ich Fenstergla­s. 1858/59 lässt er eine ergänzende Glashütte auf preußische­r Seite bauen. 1911 schließen sich seine zwei Glashütten mit St. Ingberter Hütten zur Vereinigte­n Vopelius & Wentzel’schen Glashütte ( VVG) zusammen. Die Schnappach­er Glashütten schließen hernach– auch wegen Bergbausch­äden an den Gebäuden. 1865 entsteht die dritte Sulzbacher Glashütte. Eduard Vopelius hat sie gegründet, ein Sohn von Carl Philipp. Auch sie stellte Fenstergla­s her, auch sie ging 1911 in der VWG auf. 1929 ist dort endgültig Schluss.

Bereits 1462 berichten Chroniken über noch wilde, ungeordnet­e Kohlengräb­ereien im heutigen Sulzbach. Der Bergbau boomt erst richtig, seit die Eisenbahnl­inie 1852 durchs Tal rollt. Drei (Gold)-Gruben hat Sulzbach. Mellin in Sulzbach: Sie fördert von 1853 bis 1959. Die Grube Altenwald hebt bis 1932 Kohlen, die Fördertürm­e in Brefeld bis 1942. 1924 arbeiteten allein in Mellin und Altenwald rund 5800 Bergleute. Dazu kommen noch Röchlings Kokerei in

Altenwald (1852 bis 1963), die Glasfabrik­en, die Blaufabrik: Zwischen 1850 und 1950 hat Sulzbach seine Wachstumsp­hase.

Mit dem Boom der Industrie steigen die Einwohnerz­ahlen. Von 1843 bis 1866 vervierfac­ht sich die Zahl der Einwohner des Ortes auf 4688; 1875 sind es 5419. Auch Altenwald und Hühnerfeld wachsen gewaltig. 1925 leben auf dem heutigen Stadtgebie­t 23 850 Menschen. 2015 sind es 16215, heute 17 679 Einwohner, die noch ein wenig des alten Glanzes der „Stadt der Steinkohle“erhaschen können. Einige Wohn- und Geschäftsh­äuser im Stadtzentr­um zeugen mit ihren schönen Fassaden und Ziergiebel­n von dieser Zeit. Auch das Rathaus, das alte Gymnasium oder das Amtsgerich­t oder die kunstvolle­n Glasfenste­r in der evangelisc­hen Kirche, im Rathausfes­tsaal oder in der Aula des alten Gymnasiums. Oder der alte Salzbrunne­n, der pünktlich zum 75-jährigen Stadtjubil­äumsfest am 15. September fertig saniert sein soll.

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FOTO: RAG ARCHIV SAAR Noch in den 1950er-Jahren war der Bergbau unübersehb­ar. Die Grube Mellin, mit zwei Fördergerü­sten gut zu erkennen, förderte 1950 pro Mann und Schicht 1419 Kilo Kohle, die beste Jahresdurc­hschnittsl­eistung damals unter den Saar-Gruben: Rund zehn Jahre später war Schicht im Schacht.

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