Warum Aufsteiger Viktoria Berlin die 3. Liga aufmischt
Der zweimalige deutsche Meister will sich mit der Unterstützung eines Investors als dritte Kraft in der Hauptstadt etablieren. Bislang läuft alles nach Plan.
BERLIN (sid/red) Nein, den Vergleich mit den großen Nachbarn sucht bei Viktoria Berlin niemand. Europapokal-Auftritte wie beim 1. FC Union? Auf Jahre nicht in Sicht. Millionen-Transfers wie beim „Big City Club“Hertha BSC? Vorerst völlig illusorisch. Die Himmelblauen aus dem bürgerlichen Stadtteil Lichterfelde verfolgen ihre ganz eigenen und kleineren Ziele – und liegen als souveräner Tabellenführer der 3. Liga voll auf Kurs.
„Wir freuen uns über den Hype, der kann auch gar nicht groß genug sein“, sagte Sportdirektor Rocco Teichmann. Drei Spiele, drei Siege, 10:1 Tore – der Aufsteiger überzeugt auf ganzer Linie und etabliert sich in der Sportmetropole Berlin als dritte Kraft im Fußball.
Der einstige Bundesligist TeBe, DDR-Rekordmeister BFC Dynamo oder zuletzt die VSG Altglienicke waren an dieser Aufgabe immer wieder gescheitert. Bei Viktoria – als BFC Viktoria 1889 zwei Mal deutscher Meister (1908, 1911) – deutet derzeit vieles auf ein nachhaltiges Gelingen des Projekts hin.
Sportlicher Erfolg und attraktiver Offensivfußball sollen Fans in den Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark im hippen Prenzlauer Berg locken, in dem Viktoria seine Heimspiele austrägt, weil das eigene Stadion im Südwesten der Hauptstadt den Anforderungen der Liga nicht entspricht. Zuvor war unter anderem ein Umzug ins Olympiastadion im Gespräch gewesen. Der Jahn-Sportpark sollte ursprünglich abgerissen und neugestaltet werden. Ende 2020 wurde der Abriss verschoben, die Betriebsgenehmigung aber nicht verlängert, ehe Viktoria jetzt eine temporäre Heimat fand. Der neue Baubeginn soll 2023 sein.
„Die Leute sollen ins Stadion kommen und sagen: ‚Macht Spaß, euch zuzuschauen‘“, erklärte Trainer Benedetto Muzzicato (42), der als Spieler und Trainer meist in
Norddeutschland unterwegs war und 2019 vom Regionalligisten BSV Rehden nach Berlin gewechselt ist. Bisher geht die Rechnung auf. Das ungefährdete 4:0 gegen den 1. FC
Kaiserslautern verfolgten am vergangenen Sonntag immerhin 4221 Zuschauer im Stadion, 5000 wären erlaubt gewesen. Und auch, wenn viele FCK-Fans unter den Zuschauern waren, dürften auch zahlreiche Berliner Zuschauer wiederkommen. „Wir haben auch mit dem Drumherum dafür gesorgt, dass der Drittligafußball in Berlin angekommen ist“, sagte Sportdirektor Teichmann: „Darüber freue ich mich fast noch mehr als über den Sieg.“
Schon in der Regionalliga Nordost hatte Viktoria auf sich aufmerksam gemacht. Beim Abbruch der Corona-Saison war der Club mit perfekten elf Siegen in elf Spielen Tabellenführer und wurde dann zum Aufsteiger bestimmt. Eine Liga höher geht die Siegesserie jetzt weiter.
Der wirtschaftliche Rahmen für den weiteren Aufschwung ist durch Investor Zeljko Karajica gegeben. Der Unternehmer engagiert sich auch beim österreichischen Erstligisten Austria Klagenfurt sowie beim Football-Club Berlin Thunder und hatte Viktoria vor der Insolvenz gerettet. Durch einen anderen Investor, die Advantage Sports Union (ASU) aus Hongkong mit dem Vorsitzenden Alex Zheng, war Viktoria nämlich überhaupt in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Das Insolvenzverfahren wurde dank Karajica aber aufgehoben, der Club stabilisierte sich. Seither stellte sich der Erfolg ein.
Mit dem vorhandenen Mitteln will man behutsam umgehen. Gegen Kaiserslautern standen so etwa lediglich drei Neuzugänge in der Startelf. Sportlich beeindruckte der Emporkömmling aber auch so gegen die chancenlosen Pfälzer.