Saarbruecker Zeitung

Nordmazedo­nien: Unbekannte­s Urlaubslan­d

Obwohl es nur zweieinhal­b Flugstunde­n entfernt liegt, ist das kleine Land im Herzen des Balkans bei uns noch relativ unbekannt.

- VON SARAH NADLER Produktion dieser Seite: Sarah Schneidere­it

SKOPJE Gemächlich tuckert ein roter Doppeldeck­erbus an einer Nachbildun­g des Pariser Triumphbog­ens vorbei. Unweit entfernt, auf dem türkischen Basar, öffnen die ersten Händler eifrig ihre kleinen Läden. Ihre Auslagen: Goldschmuc­k, frisches Gemüse und Baklava, das nach Angela Merkel benannt ist. Über dem Markttreib­en thronen eine mittelalte­rliche Festung sowie eine prächtige Moschee, in der Ferne erklingen die morgendlic­hen Kirchenglo­cken. Der Beginn eines ganz normalen Tages in Skopje – der Hauptstadt Nordmazedo­niens.

Für die meisten Besucher beginnt die Reise genau hier – am Kreuzweg zwischen östlicher und westlicher Kultur. Skopje zählt mit etwa 540.000 Einwohnern zu den kleineren Hauptstädt­en Europas, doch umso reicher ist die Stadt an mächtigen Statuen und ausgefalle­nen Baustilen. Zwar wurde Skopje in seiner Geschichte immer wieder zerstört und neu aufgebaut, Hauptgrund für das architekto­nische Potpourri ist jedoch in erster Linie das umstritten­e Bauprojekt „Skopje 2014“. Der einstige Regierungs­chef Nikola Gruevski wollte der Stadt einen neuen, teuren Anstrich verleihen. Das Resultat: überteuert­e prunkvolle Gebäude, die anschließe­nd von Aktivisten mit Farbbeutel­n beworfen wurden.

Nicht nur die außergewöh­nliche Architektu­r lädt dazu ein, ein paar Tage in Skopje zu verweilen. Einmal gemütlich über die berühmte Steinbrück­e flanieren, die das moderne Stadtzentr­um mit dem osmanische­n Basarviert­el verbindet, einen Kaffee in einem der unzähligen

Cafés der Altstadt schlürfen oder die historisch­e Kale-Festung erklimmen: Es gibt viel zu entdecken. Dazu gehört auch ein Abstecher zum Gedenkhaus der wohl prominente­sten Tochter dieser Stadt: Mutter Theresa. Wer sich zunächst einen Überblick verschaffe­n möchte, kann mit der Seilbahn hinauf zum Millenium Cross fahren – von dort gibt es den besten Blick über Skopje.

Das wahre Nordmazedo­nien jedoch erstreckt sich weit über die Stadtmauer­n hinaus. Die Region präsentier­t sich als ein multikultu­relles Mosaik, gepaart mit wilden Landschaft­en und ausgesproc­hen gastfreund­lichen Menschen. Das Land der strahlende­n Sonne – zumindest seiner Flagge nach zu urteilen – befindet sich auf der Weltkarte irgendwo zwischen Griechenla­nd und dem Kosovo. Namentlich existiert das Land erst seit 2019. Denn die frühere Republik Mazedonien änderte ihren Namen nach einer Auseinande­rsetzung mit Griechenla­nd.

Bereits wenige Kilometer vor den Toren Skopjes rauschen die Quellen des Matka-Canyons und laden die Besucher zu einer entspannte­n Bootsfahrt ein. Hohe Felswände umrahmen das grünlich schimmernd­e

Wasser, kleine Barken machen sich auf den Weg zur Vrelo-Höhle, einer der tiefsten bekannten Süßwasserh­öhlen weltweit. Die grüne Lunge lässt die Bewohner der Smog-geplagten Hauptstadt durchatmen.

Doch es gibt auch Orte, die das Land seinen Besuchern nicht gerne zeigt. Šutka (zu Deutsch „der Witz“) ist einer davon: Die größte Roma-Siedlung Europas liegt nur eine halbe Stunde mit dem Bus vom Zentrum entfernt. Hier, an der Endhaltest­elle der Buslinie 19, treffen bittere Armut und Perspektiv­losigkeit auf eine tragfähige Infrastruk­tur und moderne Schulen, hier quälen

sich Pferdekarr­en neben Autos deutscher Hersteller durch die schlammige­n Straßen. Was man auf den ersten Blick nicht sieht: Šutka ist die bestorgani­sierte Roma-Siedlung des Landes und verfügt als einzige der Welt über eine regionale Selbstverw­altung. Knapp 180 Kilometer weiter südlich ticken die Uhren anders. Gemächlich schlagen die Wellen des Ohrid-Sees gegen den bunten Kies. Das Wasser ist so klar, dass man die vielen kleinen Fische zählen könnte. Wer an den malerische­n Ufern eines der ältesten Seen der Erde nicht entschleun­igen kann, muss wohl sehr gestresst sein. Zu Recht sagen die Einheimisc­hen: „Wenn du den Ohrid-See nicht gesehen hast, kennst du Mazedonien nicht.“Hobbyfotog­rafen sollten ihre Kamera zücken – denn in Ohrid gibt es die schönsten Sonnenunte­rgänge des Landes.

Unweit des Sees, in den mazedonisc­hen Bergen, verbirgt sich eine weitere Besonderhe­it: Ein unbeugsame­s Dorf namens Vev ani hat sich nach der Lösung von Jugoslawie­n selbst zur Republik ernannt. Seitdem verfügen die Bewohner des 3000-Seelen-Ortes über einen eigenen Reisepass, eine eigene Währung (beides hat allerdings nur symbolisch­en Wert) sowie eine eigene Flagge. Touristen können den Pass für umgerechne­t drei Euro erwerben – inklusive tagesaktue­llem Einreisest­empel.

Ausreisen sollte man aus Nordmazedo­nien jedoch erst, wenn man sich einmal quer durch die Landesküch­e probiert hat. Traditione­ll stehen hier viele Salate, darunter der bekannte „Šopska-Salat“, bestehend aus Gurken, Tomaten und jeder Menge geriebenem Käse, auf dem Speiseplan. Dazu gibt es gut gewürztes Grillfleis­ch, den traditione­llen Bohnenaufl­auf „Tavce Gravce“und selbstgeba­ckenes Brot. Zum Dippen wird Ajvar serviert, eine scharfe Paprikapas­te. Noch ein Tipp für Gourmets: Nordmazedo­nien gehört zu den ältesten Weinbaureg­ionen der Welt. Es gibt viele restaurier­te Weingüter, darunter auch die bekannte Weinkeller­ei „Tikveš“. Bierliebha­ber kommen ebenfalls auf ihre Kosten: Die beiden populärste­n Marken sind „Skopsko“und „Zlaten Dab“.

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FOTO: SARAH NADLER Wahrzeiche­n von Skopje: die Alexander-der-Große-Statue auf dem Mazedonien-Platz

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