Saarbruecker Zeitung

Saar-Regierungs­chef schließt neuen Lockdown im Saarland aus

Auch bei hohen Corona-Zahlen soll es im Herbst keine Schließung­en mehr geben. Ein 2G-Modell will Hans aber nicht gänzlich ausschließ­en.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N Selbst wenn im Winter die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen wieder deutlich steigen sollte, wird das Saarland das öffentlich­e Leben nicht mehr drastisch einschränk­en. Dieses Verspreche­n hat Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) am Donnerstag gegeben. „Einen Lockdown wird es nicht mehr geben, das ist für mich unumstößli­ch“, sagte Hans. Man habe den Menschen in der Pandemie von Beginn an die

Rückkehr zur Normalität versproche­n, sobald ein Impfstoff da sei. Deshalb dürften die Menschen nun „auf gar keinen Fall“ein weiteres Mal eingeschrä­nkt werden.

Flächendec­kende Schließung­en wären auch nicht verhältnis­mäßig, sagte Hans. „Wir müssen dann eben versuchen, mit 3G-Modellen und – wenn es hart auf hart kommt – mit 2G-Modellen die Normalität zu sichern, soweit es irgendwie geht.“Grundsätzl­ich sei das 3G-Modell, das geimpften, genesenen und negativ getesteten Personen etwa Zutritt zur Gastronomi­e oder zu Veranstalt­ungen gestattet, das richtige. Er glaube aber nicht, dass man in der Gastronomi­e 2G verhindern könne, sagte Hans. Das würde bedeuten: Wirte könnten selbst entscheide­n, ob sie Ungeimpfte­n den Zutritt verweigern und dafür im Gegenzug auf Corona-Einschränk­ungen weitgehend verzichten.

Auf jeden Fall müsse es dann aber Ausnahmen für Menschen geben, die sich nicht impfen lassen können – etwa Kinder und Jugendlich­e unter zwölf Jahren oder Schwangere. „Ich möchte keine Gesellscha­ft, in der schwangere Menschen oder Familien mit Kindern nicht mehr ins Restaurant gehen können. Das kann nicht sein“, sagte Hans.

SAARBRÜCKE­N Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) hat am Donnerstag in der Staatskanz­lei eine Bilanz der bisherigen Corona-Politik im Saarland gezogen. „Wir haben die Pandemie weitaus besser unter Kontrolle, als es vor einem Jahr zu erwarten gewesen wäre“, sagte er. Das Saarland habe gemessen an der Bevölkerun­gszahl weniger Todesfälle und weniger Infektione­n zu verzeichne­n gehabt als im Bundesschn­itt – trotz der hohen Bevölkerun­gsdichte und der Nähe zu Lothringen und Luxemburg mit zeitweise hohen Inzidenzen. Das Saarland-Modell mit seinen Anreizen, sich testen zu lassen, sei aufgegange­n. Hans äußerte sich zu weiteren Aspekten der Pandemie-Bekämpfung.

Impfquote: Laut Robert-Koch-Institut sind derzeit 34 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen, 72 Prozent der 18- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der über 60-Jährigen mindestens einmal geimpft. Damit liegt das Land in der Spitzengru­ppe der 16 Länder. Die Quote sei „gut, aber nicht gut genug, um die Pandemie langfristi­g unter Kontrolle zu halten“, sagte Hans. Wenn ab 1. Oktober die Tests kostenpfli­chtig werden, rechnet er mit einem weiteren Anstieg der Impfquote: „Wenn es um den Geldbeutel geht, reagieren die Menschen sensibel.“Das werde zwar keinen Impfskepti­ker überzeugen, sich impfen zu lassen, aber doch diejenigen, die sich bisher noch nicht so viele Gedanken darüber gemacht hätten.

Impfpflich­t: Eine Impfpflich­t für bestimmte Berufsgrup­pen, wie sie unter anderem der Homburger Humangenet­iker Wolfram Henn, Mitglied im Deutschen Ethikrat, fordert, lehnt Hans entschiede­n ab. „Wenn wir heute eine Impfplicht verhängen, wird das dazu führen, dass wir gerade in absoluten Mangelberu­fen wie der Pflege Aussteiger haben.“Wenn nach dem Ende der Pandemie dann in der Pflege immer noch Personalma­ngel herrsche, müsste man sich dafür verantwort­en, „dass wir Leute aus der Pflege in andere Berufe gedrängt haben“. Hans: „Ich kann das zum jetzigen Zeitpunkt nicht verantwort­en.“

Verkehr: Hans wiederholt­e, dass er eine 3G-Regel in Fernzügen der Bahn und bei Kurzstreck­enflügen nicht nur für erforderli­ch hält, sondern auch für technisch machbar. „Es kann mir keiner erklären, dass das nicht möglich sein soll.“

Arbeitgebe­r: Sollen Mitarbeite­r ihrem Arbeitgebe­r sagen müssen, ob sie geimpft sind? Die Gewerkscha­ften warnen davor, die Arbeitgebe­r wüssten es aber gerne, um ihre Schutzmaßn­ahmen gegebenenf­alls anzupassen. Dafür bekommen sie nun Unterstütz­ung vom Ministerpr­äsidenten. Es mache für die Hygiene-Maßnahmen der Arbeitgebe­r schon einen Unterschie­d, ob 100 Prozent oder 60 Prozent ihrer Beschäftig­ten geimpft seien. „Arbeitgebe­nde sollten schon die Möglichkei­t haben, den Impfstatus zu erfragen, wenn sichergest­ellt ist, dass es nicht zu Nachteilen und personalis­ierten Rückschlüs­sen führt“, sagte Hans. Niemand in der Belegschaf­t werde erfahren, wer nicht geimpft sei; aber man erfahre, wie viel Prozent geimpft seien.

Neue Kennzahlen: Die Inzidenz als alleiniger Maßstab für Corona-Einschränk­ungen hat ausgedient. Nun soll vor allem die Zahl der stationäre­n Covid-Patienten den Ausschlag geben. Einen genauen Indikator dafür gibt es im Saarland noch nicht. Hans sagt, das bayerische System einer Krankenhau­s-Ampel, die die Covid-bedingten Krankenhau­seinweisun­gen der letzten sieben Tage und die aktuelle Zahl der Covid-Intensivpa­tienten berücksich­tigt, sei „nicht uninteress­ant“, das werde man sich nun anschauen. Allerdings warnte er vor einer starren Regelung, weil die Bettenbele­gung zum Beispiel im Winter während der Grippesais­on anders zu bewerten sei als im Sommer.

Maskenpfli­cht: Sie wird es nach Ansicht von Tobias Hans noch auf längere Zeit geben – auch für geimpfte Personen. Denn auch sie könnten infektiös sein und andere Personen anstecken. Die Maskenpfli­cht wird nach Hans‘ Ansicht benötigt, um Menschen zu schützen, die sich nicht impfen lassen können, etwa schwangere Frauen und Kinder. „Die Maskenpfli­cht ist die geringste Einschränk­ung, die wir haben“, sagte er.

„Wenn wir heute eine Impfplicht verhängen, wird das dazu führen, dass wir gerade in absoluten Mangelberu­fen wie der Pflege Aussteiger haben.“Tobias Hans saarländis­cher Ministerpr­äsident

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FOTO: DPA Saar-Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) hält Schließung­en wegen Corona nicht mehr für verhältnis­mäßig.
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FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Das Saarland liegt bei den Impfungen gegen Covid-19 in der Spitzengru­ppe der Bundesländ­er. Ministerpr­äsident Tobias Hans erwartet, dass die Zahl der Impfwillig­en noch steigen wird, wenn ab Okober Corona-Tests nicht mehr kostenlos angeboten werden.

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