Saar-Parteien werben um Grünen-Wähler
Die Grünen dürfen an der Saar bei der Bundestagswahl nicht mit einer Liste antreten. Nun hoffen andere Parteien, dass sie davon profitieren. Es geht um zehntausende Stimmen.
Die potenziellen Grünen-Wähler an der Saar haben ein Problem. Sie können mit der Zweitstimme die Partei nicht wählen, nachdem die Landeswahlliste der Grünen abgelehnt wurde. Nun werben die anderen Parteien um diese Wähler.
SAARBRÜCKEN In Saarbrücken-St. Johann, im Nauwieser Viertel, auf dem Rotenbühl, am Homburg und am Staden wird man bis zur Bundestagswahl am 26. September wahrscheinlich viele Wahlkämpfer antreffen. Dort gibt es für die Parteien etwas zu holen. Deutlich über 30 Prozent, in einigen Wahlbezirken sogar über 40 Prozent, haben dort bei den letzten Wahlen im Jahr 2019 die Grünen gewählt.
Bei den Wahlen 2019 hatten in einigen Saarbrücker Bezirken über 40 Prozent die Grünen gewählt.
Weil die Partei im Saarland diesmal mit der Zweitstimme nicht wählbar ist, buhlen die übrigen Parteien um die Stimmen der Wähler, die eigentlich gerne den Grünen ihre Stimme gegeben hätten. Geht man davon aus, dass die Grünen im Saarland bei der Bundestagswahl zwölf Prozent der Stimmen bekommen hätten, wären das immerhin um die 70 000 Menschen.
Kaum hatten Landes- und Bundeswahlausschuss die Grünen-Landesliste zurückgewiesen, standen schon die ersten Parteien in den Startlöchern, um ökologisch orientierte Wähler zu umwerben. Der
Spitzenkandidat der ÖDP im Saarland, Professor Claus Jacob, erklärte: „Orange wählen heißt diesmal: Grüner geht‘s nicht!“Und die junge paneuropäische Partei Volt erklärte, saarländische Grünen-Anhänger könnten nun mit einer Stimme für Volt ihren Wunsch nach echtem und europaweitem Klimaschutz ausdrücken.
Wohin die Zweitstimmen der früheren Grünen-Wähler diesmal wandern, ist kaum zu sagen. Der Landesvorstand hat keine Wahlempfehlung gegeben. „Manche werden wohl kleinen Umweltparteien ihre Zweistimme geben, andere taktisch, je nach möglicher Koalitionsvorliebe, wählen“, vermutet der stellvertretende Landesvorsitzende Volker Morbe. „Die Stimmen werden wohl breit auf das Wahlangebot verteilt werden.“
Klar aber ist, dass die anderen
Parteien auf einen möglichst großen Teil des grünen Kuchens hoffen, schließlich geht es auch um ein Bundestagsmandat, das die Öko-Partei bisher gehalten hat. Die Linke im Saarland sieht sich als naheliegende Alternative für Grünen-Anhänger. Spitzenkandidat Thomas Lutze verweist auf die programmatische Nähe in der Umweltschutz- und Klimapolitik. „Von allen Parteien haben Grüne und Linke die meisten Überschneidungen. Wählerinnen und Wähler der Grünen können mit gutem Gewissen dieses Mal uns wählen.“
Die SPD wirbt mit ihrer Regierungspolitik im Saarland, etwa der ÖPNV-Reform. In der Landesregierung zeige die SPD sehr deutlich, dass sie die Themen Klimaschutz oder Umweltpolitik anpacke und mit sozialem Ausgleich und dem Einsatz für starke Wirtschaft und
Arbeitsplätze verbinde. „Der erfolgreichste grüne Umweltminister der Bundesrepublik ist Reinhold Jost von der Saar-SPD“, sagte ein Sprecher und verwies unter anderem auf den hohen Anteil des Ökolandbaus und die „nachhaltige Waldbewirtschaftung“.
Die CDU will keine spezielle Kampagne für Grünen-Wähler auflegen. „Die CDU ist jedoch immer eine gute Wahl, da die Bewahrung der Schöpfung zu unserem christlichen Selbstverständnis gehört“, heißt es in der Parteizentrale. Umwelt- und Klimaschutz müssten stets mit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung zusammengedacht werden. „Wir setzen auf neue und saubere Technologien und Innovation statt pauschaler Verbote.“
Auch die saarländische FDP entdeckt die Sympathisanten der Grünen für sich und will sie mit gezielten Aktionen in grünen Hochburgen ansprechen. „Bei vielen Menschen, die sich als weltoffene Optimisten sehen, gibt es Überschneidungen zwischen Wählern von FDP und Grünen“, sagt Landeschef Oliver Luksic. Als Beispiele nennt er Themen wie Freiheit, offene Grenzen in Europa, Schutz der Privatsphäre, Datenschutz, Familien- und Bildungspolitik. Beim Klimaschutz, wo beide Parteien weit auseinander liegen, wollen die Saar-Liberalen ihre Konzepte zum Emissionshandel oder neuen Technologien noch klarer herausstellen.
Die AfD, die programmatisch am weitesten von den Grünen entfernt ist, äußerte sich auf die Anfrage der SZ nicht. Es wäre auch eine Überraschung, wenn ausgerechnet sie jetzt um Grünen-Unterstützer buhlen würde.