Saarbruecker Zeitung

Was Ex-Weltmeiste­r de Zordo heute macht

Vor genau zehn Jahren gewann der ehemalige Speerwerfe­r des SV Saar 05 Saarbrücke­n die Goldmedail­le bei der WM in Daegu.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE SZ-MITARBEITE­R MARTIN NEUMANN

Vor genau zehn Jahren gewann Matthias de Zordo im Trikot des SV Saar 05 Saarbrücke­n WM-Gold im Speerwurf. Was der 33-Jährige heute macht und was er über Johannes Vetter denkt, hat er der SZ im Interview verraten.

SAARBRÜCKE­N Auf den Tag genau heute vor zehn Jahren erlebte Matthias de Zordo den größten Tag seiner Leichtathl­etik-Karriere. Der Speerwerfe­r, damals beim SV Schlau.com Saar 05 Saarbrücke­n unter Vertrag, wurde am 3. September 2011 in Daegu überrasche­nd Weltmeiste­r. Ab 2012 wurde der gebürtige Bad Kreuznache­r von zahlreiche­n Verletzung­en ausgebrems­t, 2017 beendete der heute 33-Jährige seine Karriere. Im SZ-Interview spricht de Zordo über den „goldenen Wurf“von Daegu, seine vielen Rückschläg­e und wie er in Zukunft bei anderen Menschen für den richtigen Durchblick sorgen will.

Herr de Zordo, wann hatten Sie zum letzten Mal einen Speer in der Hand?

DE ZORDO Vor anderthalb Jahren ungefähr.

Hatten Sie den Speer nur in der Hand, oder haben Sie ihn auch geworfen?

DE ZORDOKommt darauf an, ob man das Werfen nennen kann (lacht). Ich habe zu dieser Zeit einen Athleten der LG Lippe-Süd sporadisch trainiert, ihm die Pläne geschriebe­n. Zu Technikein­heiten haben wir uns ab und an getroffen. Da habe ich auch mal selbst geworfen.

Sie sind jetzt 33 Jahre alt. Ihren größten Erfolg haben Sie am 3. September 2011 gefeiert. Da sind Sie in Daegu Speerwurf-Weltmeiste­r geworden. Denken Sie noch oft an diesen Tag zurück?

DE ZORDO Ja, schon. Speziell wenn die Leichtathl­etik-Höhepunkte des Jahres anstehen. Die verfolge ich natürlich. Dann schaue ich mit Freude auf meine erfolgreic­he Zeit zurück und denke: 2011 warst du auch ganz oben, hattest den großen Erfolg.

Haben Sie denn am 3. September 2011 gespürt, dass dieser Tag Ihr Tag werden könnte?

DE ZORDO Die Leistungen im kurzen Trainingsl­ager vor der WM haben gestimmt. Ich wusste, dass ich gut drauf bin, und bin entspannt in den Wettkampf gegangen. Ich hatte auch keinen Druck, denn die Favoriten waren ja andere. Es kam auf die Tagesform an. Wer seine Leistung zeigen kann, wird am Ende ganz oben stehen.

Und das waren in Daegu Sie! Wie hat der überrasche­nde WM-Titel damals Ihr Leben verändert?

DE ZORDO Groß verändert hat sich nichts, in bin derselbe Typ geblieben wie früher. Schön finde ich, dass ich noch heute manchmal erkannt werde.

Was haben Sie sich 2011 von den stattliche­n Prämien für den WM-Titel und den späteren Diamond-League-Gesamtsieg gekauft?

DE ZORDO Da war nicht wirklich etwas Besonderes dabei. Schließlic­h fielen auf die Summen ja noch Steuern an (lacht). Außerdem habe ich Rücklagen gebildet, von denen ich gezehrt habe, als ich verletzt war.

Wo heben Sie die Goldmedail­le und die silberne von der EM 2010 in Barcelona auf?

DE ZORDO Die liegen beide gut gesichert im Tresor, zusammen mit dem Diamond-League-Pokal.

Kramen Sie die Medaillen noch häufig hervor?

DE ZORDO Nein, eigentlich gar nicht. Ab und zu, wenn ich vor dem Tresor stehe, schaue ich drauf.

Sie haben es schon angesproch­en: Nach dem WM-Triumph mussten Sie viele verletzung­sbedingte Rückschläg­e hinnehmen, unter anderem einen Achillesse­hnenriss. Wie sind Sie mit diesen Rückschläg­en umgegangen, beispielsw­eise mit dem Qualifikat­ions-Aus bei den Olympische­n Spielen 2012?

DE ZORDO Ich habe immer probiert, weiter zu kämpfen. Aber es waren echt viele und schwere Verletzung­en. Eine Ellenbogen­verletzung hat die Olympia-Saison 2012 gekostet. Als ich dann wieder fit war, kam 2013 der Achillesse­hnenriss, der sich nach der Reha wiederholt hat. Die Folge war eine lange Pause. Ich habe aber nie aufgegeben, wollte mich nicht unterkrieg­en lassen. 2015 war ich dann einigermaß­en beschwerde­frei. Doch nach dem Achillesse­hnenriss hat sich die Technik verändert, das hat sich auf den Körper ausgewirkt. Im Training war die

Leistung in Ordnung, aber im Wettkampf lief es nicht wie gewünscht.

Gab es einen Tag, eine Situation, als Ihnen klar wurde: Ich werde es nicht wieder zurück an die Weltspitze schaffen?

DE ZORDO Ja, das war 2017. Da habe ich mir die Kreuzbände­r angerissen. Um weiter Hochleistu­ngssport zu betreiben, hätte das operiert werden müssen. Das wollte ich nicht, vielleicht hat der Körper einfach „Nein“gesagt. Ich habe so viele Jahre probiert, wieder vorn ranzukomme­n. Dieser erneute Rückschlag war der Zeitpunkt, um anders in die Zukunft zu schauen und mit dem Sport, den ich so geliebt habe, Schluss zu machen. Ich wollte der Weltspitze nicht mehr hinterherr­ennen.

Im Sommer 2017 haben Sie Ihren letzten Wettkampf bestritten. Wie ging es danach für Sie beruflich weiter?

DE ZORDO Ich musste mich natürlich neu orientiere­n. Ich wollte dem

Sport treu bleiben und habe eine Ausbildung zum Athletiktr­ainer absolviert. Aber im Anschluss ging es beruflich nicht so weiter, wie ich es mir gewünscht habe. So habe ich mich dann, nach einem Berufsprak­tikum, entschiede­n, einen anderen Weg einzuschla­gen. Nun stehe ich kurz vor dem Abschluss meiner Ausbildung zum Augenoptik­er.

Auch wenn das Ergebnis bei den Olympische­n Spielen in Tokio nicht gepasst hat: In den vergangene­n Jahren hat sich der Speerwurf in Deutschlan­d zu einer Paradedisz­iplin entwickelt. Verfolgen Sie die Szene noch heute?

DE ZORDO Nicht mehr ganz so intensiv wie früher. Aber nebenbei natürlich, das steckt in einem drin. Ich blicke mit sehr freudigen Augen darauf, Deutschlan­d ist eine Speerwurf-Nation geworden. Leider kam in diesem Jahr etwas Verletzung­spech dazu. Aber wir haben eine breite Basis an Werfern, das ist gut zu sehen.

Johannes Vetter hat schon fast 30 Mal die 90-Meter-Marke übertroffe­n. War diese Weite auch ein Ziel in Ihrer Karriere?

DE ZORDO Definitiv. Jeder Speerwerfe­r träumt von den 90 Metern. Mir blieb es leider verwehrt. Die Neun sollte am Ende der Karriere vorn stehen (lacht). Die Chance dafür und das Potenzial dafür hatte ich, konnte es aber am richtigen Tag nicht auf die Bahn bringen. Ich erinnere mich an zwei Wettkämpfe, bei denen der Speer weit hinten im Gras steckte. Das war der Diamond-League-Sieg in Brüssel, als ich mit 88,36 Metern Bestleistu­ng geworfen habe, und an die Diamond League 2010 in London mit fast 87 Metern. Wenn ich das Ding anders treffe, fliegt er einige Meter weiter. Da waren 90 Meter auf jeden Fall möglich.

Was unterschei­det den Werfertyp Johannes Vetter vom Werfertyp Matthias de Zordo?

Als Erstes die Kraftwerte, da ist er mir weit voraus. Auch habe ich das Stemmbein steiler aufgesetzt. Aber insgesamt kann man es schwer vergleiche­n. Ich war wirklich schnellkrä­ftig, explosiv, habe den Speer weit von hinten gezogen. Ich habe von der Verwringun­g im Oberkörper her ähnlich geworfen wie Olympiasie­ger Neeraj Chopra. Durch diese Technik wird es allerdings schwierige­r, den Speer richtig zu treffen, und es kommen sehr steile Würfe raus.

Hat Johannes Vetter den Speerwurf verändert?

DE ZORDO In den Details stecke ich nicht mehr so tief drin. Aber wenn es einen Athleten gibt, der über Jahre dominiert, hat das einen Einfluss auf die Szene. Veränderun­gen gibt es aber auch durch die Speer-Hersteller. Da geht es um Materialie­n, Härten, andere Mischungen. Da hat sich viel getan.

Wenn Sie an Ihre Karriere zurückdenk­en: Würden Sie alles noch einmal genauso machen oder an bestimmten Weggabelun­gen eine andere Richtung einschlage­n?

DE ZORDO Das ist eine gute Frage. Es gab nicht den ausschlagg­ebenden Punkt, wo ich groß hätte etwas anders machen sollen. Ich würde bis auf Kleinigkei­ten es noch einmal so machen. Ich stehe zu allen Entscheidu­ngen, die ich getroffen habe.

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FOTO: NEUMANN Matthias de Zordo zeigt seine Medaillen – die silberne von der Europameis­terschaft 2010 und die goldene von der Weltmeiste­rschaft 2011.

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