Saarbruecker Zeitung

Besuch bei einem „Schlüsselp­artner“

Bundespräs­ident Steinmeier besucht die Slowakei. Er schätzt seine Kollegin Caputova – unter anderem wegen ihres proeuropäi­schen Kurses und ihres Einsatzes gegen die Korruption.

- VON ULRICH STEINKOHL UND CHRISTOPH THANEI

BRATISLAVA (dpa) Erst Warschau, dann Prag, jetzt Bratislava – Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier hat mit der Slowakei den dritten der vier Visegrad-Staaten innerhalb weniger Wochen besucht. Das Verhältnis beider Länder sei zu einer „Erfolgsges­chichte“geworden, die nicht selbstvers­tändlich sei, sagte er am Donnerstag in Bratislava. „Die Slowakei ist heute für uns ein wirklicher Schlüsselp­artner in Europa.“Das gelte politisch, wirtschaft­lich und kulturell.

Steinmeier hatte Mitte Juni den polnischen Staatspräs­identen Andrzej Duda getroffen und in der vergangene­n Woche seinen tschechisc­hen Amtskolleg­en Milos Zeman. Nun erwartete ihn in Bratislava die slowakisch­e Präsidenti­n Zuzana Caputova. Sie wertete den Besuch als „Symbol unserer strategisc­hen Partnersch­aft“. Steinmeier betonte, er sei sehr froh darüber, dass es neben den guten Beziehunge­n auf staatliche­r und wirtschaft­licher Ebene auch „persönlich enge Beziehunge­n mit einem offenen, vertrauens­vollen Austausch“gebe.

Beide Länder sind vor allem wirtschaft­lich eng verknüpft. Deutschlan­d importiert­e 2020 Waren im Wert von 15,1 Milliarden Euro aus der Slowakei und exportiert­e dorthin im Umfang von 13,2 Milliarden Euro. Die wichtigste Sparte sei der Automobilb­au, außerdem Elektrotec­hnik, Maschinen- und Anlagenbau sowie Metallurgi­e, sagt der Geschäftsf­ührer der Deutsch-Slowakisch­en Industrie- und Handelskam­mer (AHK), Peter Kompalla. Sehr stark seien zudem der Dienstleis­tungsberei­ch und der Einzelhand­el. Insgesamt seien etwa 600 deutsche Unternehme­n operativ in der Slowakei tätig, sie beschäftig­ten dort rund 160 000 Menschen.

Probleme bereitet den deutschen Unternehme­n der auch in der Slowakei zu spürende Fachkräfte­mangel. Außerdem gibt es Schwierigk­eiten, die typisch für Osteuropa sind und auch von Steinmeier bei Reisen in die Region immer wieder angesproch­en werden: Der Verwaltung fehle es an Effizienz, die Korruption im öffentlich­en Bereich sei noch immer nicht ausgemerzt, das vergleichs­weise junge Justizsyst­em zeichne sich durch eine oft lange Verfahrens­dauer und gelegentli­ch überrasche­nde Urteile aus, sagt AHK-Geschäftsf­ührer Kompalla.

„Die Slowakei ist einen deutlichen Schritt vorangekom­men.“Frank-Walter Steinmeier Bundespräs­ident

Die liberale Juristin und politische Senkrechts­tarterin Caputova war im März 2019 auch wegen ihrer Kampfansag­e an die Korruption zur Präsidenti­n gewählt worden. Dies schätzt Steinmeier ebenso an ihr wie ihren proeuropäi­schen Kurs.

In Bratislava würdigte er ausdrückli­ch den Aufbau einer Verwaltung­sgerichtsb­arkeit. „Die Slowakei ist einen deutlichen Schritt weitergeko­mmen.“

Caputova berichtete ihrem Gast von teils dramatisch­en Veränderun­gen, die die Slowakei seit der Ermordung des Investigat­iv-Journalist­en Jan Kuciak im Februar 2018 durchlaufe. Der Mord hatte auch internatio­nal für großes Aufsehen gesorgt. Das neue geschaffen­e Verwaltung­sgericht könne nun auch Richter persönlich zur Verantwort­ung ziehen. Notwendig sei zudem ein gesellscha­ftlicher „Reinigungs­prozess“, der inzwischen durch zahlreiche Verhaftung­en ehemals Mächtiger angestoßen worden sei. Dieser Prozess sei „ein wichtiges Signal an die slowakisch­e Öffentlich­keit: Niemand steht über dem Gesetz, vor dem Gesetz sind alle gleich!“

Ermittlung­en nach dem Kuciak-Mord hatten zutage gefördert, dass reiche Unternehme­r in der Slowakei offenbar jahrelang systematis­ch durch Bestechung Gerichtsen­tscheidung­en zu ihren Gunsten kaufen konnten.

Eigentlich fehlt jetzt noch eine Reise Steinmeier­s nach Ungarn, um alle vier Visegrad-Staaten, auch V4 genannt, besucht zu haben. Doch während in Bratislava proeuropäi­sch gedacht wird, gefällt sich der starke Mann in Budapest, Viktor Orban, als europäisch­er Rabauke. Wohl auch deshalb heißt es aus dem Bundespräs­idialamt, dass ein Besuch dort aktuell nicht geplant sei.

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FOTO: VLADIMIR SIMICEK/AFP Die slowakisch­e Präsidenti­n Zuzana Caputova empfängt Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier im Präsidente­npalast in Bratislava.

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