Saarbruecker Zeitung

Macron sagt dem Bandenkrie­g in Marseille den Kampf an

- VON KNUT KROHN

PARIS Emmanuel Macron fackelt nicht lange. Bei seinem Besuch in Marseille begibt sich der französisc­he Präsident direkt in die Höhle des Löwen. Im Bassens, einem vielen Problemvie­rtel der Hafenstadt am Mittelmeer, besucht er zuerst einen Polizeipos­ten und lässt die Muskeln spielen. „Es gibt kein Stadtviert­el in Marseille, das die Polizei aus Angst nicht betritt“, erklärt Macron selbstbewu­sst vor zahlreiche­n Beamten in einer Polizeiwac­he. Es gebe Ecken in der Stadt, in der das Leben für die Einwohner schwierig sei, aber „für die Republik gibt es kein verbotenes Territoriu­m“. Er erinnerte daran, dass die Polizeikrä­fte bereits um 100 Mann verstärkt worden seien und verspricht, in den nächsten Monaten noch einmal 200 Polizisten nach Marseille zu schicken. Zudem würden neue Überwachun­gskameras in den Straßen installier­t.

Drei Tage nimmt sich der Staatschef Zeit für seinen Besuch im äußersten Süden des Landes. Das ist ungewöhnli­ch lange, doch Marseille kämpft auch gegen ungewöhnli­ch viele Probleme. Seit Jahren häufen sich die Klagen wegen kaputter Straßen, maroder Krankenhäu­ser, verfallend­en Schulen, dem nicht funktionie­renden Nahverkehr und den mit alldem zusammenhä­ngenden sozialen Schwierigk­eiten in den verarmten Hochhausvi­erteln. Zuletzt mehren sich allerdings auch die Berichte über eine kaum mehr zu bändigende Kriminalit­ät, die in immer brutaleren Bandenkrie­gen mündete. Allein in diesem Jahr wurden 15 Menschen bei Auseinande­rsetzungen der verschiede­nen Clans getötet, die um die Vorherrsch­aft im Drogengesc­häft kämpfen.

Seit Jahren bemühen sich Politiker vor Ort und in Paris, den Niedergang der Mittelmeer­metropole zu stoppen. Bisher allerdings mit wenig Erfolg. Nun will Präsident Macron der Hafenstadt mit einer enormen Finanzspri­tze auf die Beine helfen. Der sogenannte Marseille-Plan, den der Staatschef während seiner Besuches in unzähligen Gesprächen mit der Bevölkerun­g vor Ort konkretisi­ert, sieht Investitio­nen von Hunderten Millionen Euro in Schulen, Städtebau und die Sicherheit in der Stadt vor.

Macrons politische Konkurrenz ist allerdings einigermaß­en empört über das Auftreten des Präsidente­n und den von ihm überbracht­en Geldsegen. Der Grund: Frankreich befindet sich im Wahlkampf und Emmanuel Macron möchte im kommenden Jahr für eine zweite Amtszeit gewählt werden. Diese parteitakt­ischen Überlegung­en interessie­ren die Bewohner in Marseille wenig, sie haben allerdings auch kaum Hoffnung, dass der Besuch des Staatsober­hauptes etwas an der schwierige­n Situation in den herunterge­kommenen Vierteln ändern wird. „Er kommt, er redet, er geht und am Ende bleibt alles beim Alten“, sagt ein Mann aus Bassens in das Mikrophon eines Reporters und erinnert an den Besuch des französisc­hen Innenminis­ters Gérald Darmanin im Frühjahr. Nach einer Mordserie war auch er nach Marseille geeilt, traf sich mit Polizisten, versprach mehr Beamte und ein härteres Vorgehen gegen das Drogenmili­eu. Doch kaum war der Innenminis­ter abgereist, wurden auf offener Straße drei Männer erschossen.

 ?? FOTO: DANIEL COLE/AFP ?? Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, hier vor der Presse, will Marseille mit einer enormen Finanzspri­tze auf die Beine helfen.
FOTO: DANIEL COLE/AFP Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, hier vor der Presse, will Marseille mit einer enormen Finanzspri­tze auf die Beine helfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany