Saarbruecker Zeitung

Thomas Manns begnadeter Trickser

Thomas Mann hat den Roman geschriebe­n, Daniel Kehlmann das Drehbuch, und Detlev Buck hat inszeniert. „ Die Bekenntnis­se des Hochstaple­rs Felix Krull“kommen jetzt ins Kino.

- VON KARSTEN ESSEN

SAARBRÜCKE­N Ein Blick in einen gut gefüllten Champagner­kelch: Es perlt, der Schaum sammelt sich oben; dazu schwungvol­l in erhabenen güldenen Lettern der Titel: So beginnt die Neuverfilm­ung von Thomas Manns beliebtest­em und bis heute kommerziel­l sehr erfolgreic­hem Roman „Die Bekenntnis­se des Hochstaple­rs Felix Krull“, nach einem Drehbuch von Daniel Kehlmann, inszeniert von Detlev Buck. Da stellt sich sofort die Frage: Wer braucht das noch im Hier und Heute, die Geschichte eines charmanten Schwindler­s vor dem trügerisch­en Goldgrund der Belle Epoque mit der für den Autor typischen mild-ironischen Gesellscha­ftskritik? Oder sollte es gelungen sein, dem Stoff Relevantes auch für unsere Zeit abzugewinn­en und dem Lauf der bekannten Handlung verblüffen­de Wendungen zu entlocken?

Dreierlei fällt ins Auge: Buck schließt an seine Erfahrunge­n mit Literaturv­erfilmunge­n an („Herr Lehmann“, „Die Vermessung der Welt“), nimmt sich diesmal aber einen Klassiker einer fernen Epoche vor. Daniel Kehlmann liefert ein Drehbuch, das mehr ist als ein reiner Abklatsch des Romans und die Zeitlosigk­eit der Figur Felix Krull hervorhebt. Drittens sorgen einige der hervorrage­ndsten deutschspr­achigen Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er für sehenswert­e Kabinettst­ückchen (etwa Martin Wuttkes böses Porträt eines habgierige­n Juwelenheh­lers) – nicht jedoch allein schon für ein gelungenes Ganzes.

Felix Krull ( Jannis Niewöhner) ist hier Ende des 19. Jahrhunder­ts ein charmanter, gut aussehende­r junger Mann aus zerrüttete­n bürgerlich­en

Verhältnis­sen, der früh die Lust an Verwandlun­g und Identitäts­tausch verspürt. Seine Beziehunge­n zu Menschen sind eigentümli­ch fließend und bleiben zumeist an der Oberfläche. Einzig die Prostituie­rte Zaza (Liv Lisa Fries) wird so etwas wie seine intime Vertraute und Partnerin „in crime“. Denn als er einen Job in einem Pariser Luxushotel annimmt, reist sie ihm flugs hinterher, um sich dort eine gute Partie zu angeln.

Während Felix eine amüsante Reihe kleiner erotischer Abenteuer durchlebt, etwa mit der mysteriöse­n, mannstolle­n Frau eines Klosettsch­üssel-Fabrikante­n (Maria Furtwängle­r), gabelt sie in der Hotelhalle den Marquis de Venosta (David Kross) auf, der sich sogleich bis über beide rote Ohren in sie verliebt.

Doch die Realität der Standessch­ranken fordert ihren Tribut. Der Marquis soll von seiner Familie auf Welt- und Bildungsre­ise geschickt werden. Felix unterbreit­et den kühnen Vorschlag, in der Rolle des Marquis zu reisen, während jener in Paris weiter die Freuden der

Liebe genießen kann. Beraten von einem wunderlich­en Wissenscha­ftler ( Joachim Krol), gelangt Krull bis Lissabon, wo er vor dem portugiesi­schen König eine krönende Probe seiner zweifelhaf­ten Kunst der Blendung und Verstellun­g ablegt.

Jannis Niewöhner als Krull macht seine Sache sehr achtbar und ordentlich, bleibt der schwer zu fassenden Figur irgendwo zwischen Halbgott und Verbrecher aber doch einiges an Charisma und psychologi­scher Einfühlung schuldig. Hier hätte man sich vom Drehbuch etwas mehr deutende Unterstütz­ung gewünscht, wenn Felix Krull als moderner Held des Social-Media-Zeitalters und der zerfließen­den sozialen wie geschlecht­lichen Identitäte­n begriffen werden soll.

Die Offenheit des Endes entspricht zwar der Romanvorla­ge, doch hätte man sich gerade hier mehr Mut zur interpreta­torischen Festlegung vorstellen können. Schließlic­h beginnt Krull seine „Bekenntnis­se“bei Thomas Mann im Gefängnis – und wie er dahin gekommen ist, hätte man gerne erfahren.

Der Film läuft in einigen Kinos des Saarlands. Informatio­nen unter https:// kinoim.saarland

 ?? FOTO: THOMAS KOST/DPA ?? Kleider machen Leute: Jannis Niewöhner (links) als Felix Krull und Joachim Król als wunderlich­er Wissenscha­ftler Kuckuck.
FOTO: THOMAS KOST/DPA Kleider machen Leute: Jannis Niewöhner (links) als Felix Krull und Joachim Król als wunderlich­er Wissenscha­ftler Kuckuck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany