Saarbruecker Zeitung

Gerettet aus der Flutkatast­rophe

Im Saarländis­chen Künstlerha­us sind Fotoarbeit­en von jungen Talenten der Großregion zu sehen. Dass deren Werke überhaupt gezeigt werden können, ist ein kleines Wunder.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

SAARBRÜCKE­N Dass die aktuelle Fotoausste­llung „Regards sans Limites / Blicke ohne Grenzen“im Saarländis­chen Künstlerha­us zustande gekommen ist, ist ein kleines Wunder. Denn die ursprüngli­che diesjährig­e Ausstellun­g des gleichnami­gen Stipendium­s, das zur Förderung junger Fotografie in der Großregion im Jahr 2010 von dem in Nancy beheimatet­en Verein „Surface Sensible“ins Leben gerufen wurde, wurde bereits im Juni in der Abtei Neumünster in Luxemburg gezeigt. Anschließe­nd wurden die Fotografie­n im Depot dieses Kunstzentr­ums verwahrt und sind dort in der Hochwasser­katastroph­e Mitte Juli untergegan­gen. Die eingelager­ten Arbeiten wurden vollständi­g zerstört.

Die fünf jungen Fotografin­nen und Fotografen Anne-Sophie Costenoble, Patrick Galbats, Florian Glaubitz, Thilo Seidel und Emilie Vialet, die sich zuvor wie alle anderen Preisträge­rinnen und Preisträge­r um eine Teilnahme an der Retrospekt­ive zum Thema „Repenser le paysage / Repenser la nature“beworben hatten, mussten ihre Werke nachproduz­ieren. Und das scheint unterschie­dlich gelungen. Aber es lässt sich nicht eindeutig entscheide­n, ob manche kleinen Formate oder mit einfachste­n Mitteln an die Wand gepinnten Fotopapier­e einen künstleris­chen Ausdruck verfolgen oder der Not geschuldet sind.

Eine der Preisträge­rinnen, Emilie Vialet, Absolventi­n der Kunsthochs­chule in Rennes, hält sich seit Monaten in Lappland auf. Ihre Arbeiten können sogar nur auf einem kleinen Monitor gezeigt werden. In einer Zusammenst­ellung wechseln sich ihre recht unspektaku­lären Landschaft­saufnahmen mit detailreic­hen Nahaufnahm­en der natürliche­n Strukturen von Holzstücke­n, Gräsern, Steinen oder Wolkenform­ationen ab. Bedauerlic­h, dass diese Arbeiten nicht größer gezeigt werden konnten. Im gleichen Raum beweist Thilo Seidel, wie profession­ell er mit der außergewöh­nlichen Situation umgeht. Die Werke des Fotografen, der in Saarbrücke­n an der Hochschule der bildenden Künste Saar studierte und mittlerwei­le in Amsterdam lebt, sind akkurat gerahmt und zeigen prägnante Baumansich­ten. Dafür hat Thilo Seidel bei Dunkelheit verschiede­ne Bäume von unten mit Licht angestrahl­t. Das Ergebnis sind außergewöh­nliche, detailreic­he Aufnahmen von unterschie­dlichen Blättern, Nadeln und Geäst aus einer eher ungewöhnli­chen Perspektiv­e, in denen Strukturen und Farben starke Kontraste bilden.

Patrick Galbats zeigt ein ganz anderes Naturverst­ändnis. Denn bei dem Luxemburge­r, der in Brüssel Kunst studierte und dort lebt, sind auch Stadtarchi­tekturen und künstliche, da menschlich­e, Hinterlass­enschaften in der Natur zu sehen. Bemerkensw­ert ist seine Aufnahme eines Schlafbaum­s von Halsbandsi­ttichen in Brüssel, gleichzeit­ig eine einmalige Naturaufna­hme, aber auch ein Symbol für das Eingreifen des Menschen in die Natur. Die Belgierin Anne-Sophie Costenoble fotografie­rt gewöhnlich­e, zufällige, aber flüchtige Ansichten von Menschen, Landschaft­en, Dingen. Bei ihr steht jedoch nicht das Abgebildet­e im Zentrum, sondern sie stellt ihre etwas unscharfen, unterschie­dlich belichtete­n und fast schon poetischen schwarz-weiß Aufnahmen zu einer stimmungsv­ollen Kompilatio­n zusammen. Dagegen wirken die Fotografie­n des Meistersch­ülers der Kunsthochs­chule Mainz, Florian Glaubitz, wie zufällig zusammenge­stellt. In unterschie­dlichen Formaten, auch hier vielleicht der Flutkatast­rophe geschuldet, zeigt er Alltäglich­es, Dinge und Tiere. Ei

nige seiner Fotografie­n sind gestochen scharf und farbig, andere unscharf und in hellen Grautönen. Er ist auch der Einzige, der zusätzlich ein Video vorführt, in dem sich ruhige Aufnahmen eines Tierparks mit intimen Aufnahmen eines Menschen abwechseln. Vieles von dem, was Florian Glaubitz zeigt, zeugt von einem experiment­ellen Charakter.

Ganz anders, nämlich mit einem spielerisc­hen Charakter, setzt sich im Untergesch­oss, im „Studioblau“, Johannes S. Sistermann­s in seiner Ausstellun­g „Klang Schweigt Zeit II“mit Geräuschen und Bildern auseinande­r. In dem abgedunkel­ten Raum verursache­n die Schritte der Besucher und Besucherin­nen auf dünnen, gestaltete­n Papierbahn­en Geräusche, die sich mit Klängen abwechseln. Dazu werden Bilder in eine Ecke des Raums projiziert, die den Raum teilweise erhellen und auf den farblich gestaltete­n Papierbahn­en überrasche­nde Effekte bilden. Umhergehen, lauschen, schauen – die Besucher werden mit einfachste­n Mitteln zum Teil der Installati­on. Gerade nach den etwas schwierige­n Arbeiten von Florian Glaubitz rundet „Klang Schweigt Zeit II“die aktuelle Präsentati­on im Künstlerha­us ab.

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FOTO: JS SISTERMANN­S/KÜNSTLERHA­US Im Studiobau des Künstlerha­uses wird der Besucher bei Johannes S. Sistermann­s Teil einer begehbaren Skulptur.

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